Interview mit Frau Ahrndt

Wohin steuern die Museen?

Birgit Ruf

28.2.2023, 09:39 Uhr
Auch Nürnberg setzte beim Aktionstag „Kultur gibt“ Ende 2022 ein Zeichen für Kultur.

© Ludwig Olah Auch Nürnberg setzte beim Aktionstag „Kultur gibt“ Ende 2022 ein Zeichen für Kultur.

Frau Ahrndt, wie ist die Stimmung in den Museen?

Sehr optimistisch, weil die Besucherinnen und Besucher nach dem Ausklingen der Pandemie zurückkommen. Es gibt eine große Lust, Ausstellungen zu besuchen. Das hat den Menschen gefehlt. Aber natürlich ist die Lage aufgrund der Energiekrise auch angespannt. Viele Museen stehen vor der Frage, wie es mit der Finanzierung weitergeht.

Wie sehr belasten die Energiekosten die Häuser?

Ein Großteil der Museen ist abhängig von fossilen Energieträgern. Alle merken die Preisexplosion. Das sind Größenordnungen von 30 Prozent, die nicht eingespart oder aufgefangen werden können. Es braucht eine finanzielle Unterstützung, wenn man nicht will, dass die Häuser flächendeckend in die roten Zahlen rutschen.

Werden die Museen die gestiegenen Preise über teurere Tickets an die Gäste weitergeben müssen?

In Gänze werden die Preissteigerungen sicherlich nicht weitergegeben. Aber so, wie wir Preissteigerungen überall in unserem Leben erfahren, werden am Ende auch die Museumseintrittspreise sukzessive mitwachsen müssen.

Wie sollten Museen ihre gesellschaftliche Relevanz weiter untermauern?

Sie müssen sich auf die Menschen konzentrieren. Museen dürfen niemals ihre Sammlungsbestände aus dem Blick verlieren, aber sie sind vorrangig für die Menschen da. Das hat Corona ja auch gezeigt: Museen, die geschlossen werden, sind natürlich immer noch Archive. Aber es fehlt ihnen etwas, das sie ganz wesentlich auszeichnet. Und das sind die Menschen, die zu Besuch kommen.

In Nürnberg gab es im Zuge der kürzlichen Etatberatungen den Sparvorschlag des Kämmerers, zwei Häuser der zeitgenössischen Kunst zu schließen. Droht bundesweit eine Schließungswelle?

Das sehe ich im Moment nicht. Was man sich klar machen muss: Nur weil ich ein Haus für den Publikumsverkehr schließe, ist es ja nicht weg. Die Sammlungsbestände sind da, die Gebäude und Unterhaltskosten sind da und das Personal ist da. Was fehlt, sind die Einnahmen. Das heißt, ein Museum für den Publikumsverkehr zu schließen, spart erstmal kaum Geld. Kommunen haben stark zu kämpfen, aber am Ende wird kein Haushalt am Kulturetat genesen, weil er dafür in allen Kommunen viel zu klein ist.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Museen vor allem?

Wir haben mit Kostensteigerungen zu kämpfen, gleichzeitig wachsen Anforderungen – im digitalen, aber auch im analogen Bereich. Es wird von uns mehr in Sachen Teilhabe und Partizipation erwartet und eine noch stärkere Öffnung der Häuser. Die Besuchenden erwarten, dass wir Online-Angebote vorhalten. Bei den Häusern mit internationalen Sammlungen wird eine stärkere Hinwendung hin zu den Herkunftsländern der Sammlungsbestände eingefordert. All diese Dinge sind richtig und wichtig, aber sie müssen einhergehen mit der notwendigen Finanzausstattung.

Die Pandemie hat bereits einen Digitalisierungsschub gebracht. Was bedeutet das für die Museen?

Eine weitere Öffnung und eine weitere Demokratisierung von Wissen, denn wir verlassen die Mauern unserer Häuser. Das sind zeitgemäße Entwicklungen: Wir alle haben ständig unsere Handys bei uns und gucken schnell etwas im Netz nach. Genauso verhalten sich die Menschen auch, wenn sie ein Museum besuchen.

Neben der Digitalisierung ist Nachhaltigkeit ist ein großes gesellschaftliches Thema. Museen sind durch ihre Klimaanlagen und Sicherheitstechnik selbst belastend für die Umwelt. Was tut sich in Sachen Klimaschutz?

Auch die Museen haben sich verpflichtet, zwanzig Prozent Energie einzusparen. Daran arbeiten alle. Aber wir brauchen definitiv mehr Forschung in diesem Bereich, um zu sehen, wo wir vielleicht ganz wegkommen können von Klimaanlagen. Die Häuser haben sich auf den Weg gemacht. Die Träger sind jetzt gefordert, in die energetische Sanierung der Gebäude zu investieren.

Corona und die Klimakrise, so der Eindruck, drängen manche andere wichtige Aufgabe wie Provenienzforschung oder die Depot-Not vieler Einrichtungen in den Hintergrund. Ist das so?

Nein, das erlebe ich so nicht. Das mag in der öffentlichen Wahrnehmung so sein, in der täglichen Arbeit geht die Beschäftigung mit diesen Themen weiter.

Spektakuläre Einbrüche in Museen
haben jüngst Schlagzeilen gemacht.
Sind Deutschlands Ausstellungshäuser zu schlecht gesichert?

Nein, die Sicherheitstechnik in den Häusern wird immer wieder aufgerüstet. Die Diebstähle, die es zuletzt gab, waren hochprofessionell, und gegen ein hohes Maß an krimineller Energie kommt die beste Sicherheitstechnik nicht an. Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Sonst müssten wir unsere Sammlungsbestände alle in den Safe legen und dürften sie niemandem mehr zeigen.

Zu Beginn der Pandemie standen die Museen bei den Corona-Maßnahmen auf einer Stufe mit Bordellen und Vergnügungsparks. Hat sich diese Sichtweise Ihrer Einschätzung nach inzwischen geändert?

Die Museen sind nach der Pandemie viel schneller wieder am Start als andere Kultureinrichtungen. Das spiegelt das Interesse der Bevölkerung an den Museen wider. Und das wird auch in der Politik wahrgenommen.

Was ist ein gutes Museum?

Eines, das die Balance hält zwischen dem Bewahren des Kulturguts für die Nachwelt und dem Sich-Öffnen für die Menschen in seiner Region. Eines, das Ausstellungen generiert, die gegenwartsbezogene Fragen behandeln. Eines, das die Menschen auf möglichst vielfältige Weise abholt bei dem, was sie in ihrem persönlichen Leben umtreibt.

Woran bemisst sich sein Erfolg?

Einerseits an der Relevanz für die Menschen, die es besuchen. Ein Faktor ist natürlich auch die Akzeptanz in der Bevölkerung, die sich in Besucherzahlen zeigt. Wichtig ist aber auch, wie aktiv Museen in der Forschung und in der Kooperation mit anderen sind.

Apropos Kooperation: Wie wichtig ist es, dass sich Häuser gemeinsam präsentieren – etwa in langen Museumsnächten oder Publikationen wie der Museumszeitung?

Sehr wichtig, weil dadurch Interesse bei der lokalen Bevölkerung geweckt wird. Wichtig sind aber auch Kooperationen mit anderen Partnern vor Ort wie Schulen oder Vereinen. Das schafft Öffnung und mehr Teilhabe.

Kennen Sie die Museumslandschaft in der Metropolregion Nürnberg – und wenn ja, wie beurteilen Sie sie?

Wir haben im Deutschen Museumsbund eine Reihe an Mitgliedern aus der Metropolregion Nürnberg. Das sind sehr aktive und lebendige Museen, die am Puls der Zeit sind.

Wiebke Ahrndt ist Direktorin des Übersee-Museums in Bremen und Präsidentin des Deutschen Museumsbundes

Wiebke Ahrndt ist Direktorin des Übersee-Museums in Bremen und Präsidentin des Deutschen Museumsbundes © Übersee-Museum Bremen

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