Kinderbücher: Reden ist wichtiger als Zensur
14.01.2013, 11:00 Uhr
„Politische Korrektheit ist eine Sache, literarische Freiheit eine andere“, meint Petra Buchner, Bibliotheksassistentin in der Kinder- und Jugendabteilung der Fürther Volksbücherei. Viel wichtiger als das Ächten von Büchern wie Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ mit den darin auftretenden „Negerlein“ und das Verdammen der Autoren sei das Reden der Eltern mit ihren Kindern. Mit dem Wegsperren als unkorrekt eingestufter Werke in den „Giftschrank“ sei das Problem nicht gelöst.
Der bittere Beigeschmack komme nur dann auf, wenn der historische Kontext außer Acht gelassen wird. Buchner fragt sich: „Wo fängt man mit Korrekturen an und wo soll man aufhören?“ Auf dem Spiel stehe schließlich auch der Reichtum einer Sprache. Rassismus müsse natürlich tabu sein. Aber Klassiker sollten nicht gleich über Bord geworfen werden.
„Zu hoch gehängt“ ist die Diskussion für Märchenerzählerin Monika Weigel. Aus ihrer Arbeit in Kindergärten weiß die Kinderpflegerin, dass moderne Märchen den Jungen und Mädchen manchmal mehr Angst machen als die alten. Kinder finden nach Weigels Beobachtung nicht unbedingt dieselben Dinge schrecklich wie Erwachsene.
Historisch betrachtet seien Hexen und Teufel magische Kräfte, die erst von der Kirche in Verruf gebracht wurden. Auch Weigel hält es für wichtiger, einen Begriff zu erklären, als ihn zu eliminieren „Wenn man sich jedes Wort genau überlegen muss, ist man besser still.“ Sie selbst verbietet sich nur die Rede von „Zigeunern“, weil sie aus eigener Erfahrung weiß, dass diese Bezeichnung bei Sinti und Roma als beleidigend aufgefasst wird.
Die Diskussion über Begriffe hält Buchhändlerin Andrea Jungkunz im Prinzip für nicht verkehrt. Allerdings sollte man dabei auf dem Teppich bleiben und keine Probleme herbeireden, die es praktisch gar nicht gebe. Aufgeregtheiten wie die jetzige kehrten in periodischen Abständen immer wieder. Dabei denkt die Buchhändlerin an den Vorwurf der Gotteslästerung beim Erscheinen des ersten Harry Potter-Bandes.
„Ich habe mir schnell noch ein Exemplar von „Zehn kleine Negerlein“ besorgt, bevor es vom Markt verschwindet“, berichtet der Fürther Autor Ewald Arenz und stöhnt: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann wird als nächstes aussortiert“. Monika Weigel weiß jedoch, dass dieses Spiel nicht auf Farbige gemünzt ist, sondern auf Schlotfeger und Köhler. Ziemlich auf die Nerven geht dem als Lehrer tätigen Arenz auch die Sprachregelung in Schulen. „Man kann alles zum Problem machen“, meint der Schriftsteller und ruft zur Besonnenheit in der Diskussion auf. Dass diese überhaupt so hohe Wellen schlage, sei ein typisch deutsches Problem. Arenz spricht von einer historisch bedingten „prinzipiellen Angst, dass wir im Umgang mit anderen Volksgruppen etwas falsch machen.“ Offen räumt er ein: „Die politische Korrektheit hängt mir zum Hals heraus.“
„Man sollte nicht so übertrieben pingelig sein“, meint auch der Cadolzburger Verleger Norbert Treuheit, der viele Arenz-Bücher veröffentlicht hat. Solange Minderheiten nicht offensichtlich verunglimpft würden, könnten in Verruf geratene Begriffe durchgehen. Es komme schließlich immer auf den Kontext an, in dem sie verwendet würden. Kinderbücher seien thematisch doch weitgehend in einer fiktiven Welt angesiedelt. Und der Ausdruck „Nigger“ im Roman „Onkel Toms Hütte“ müsse als Zeitdokument verstanden werden. Treuheit: „Es gibt viel wichtigere Probleme, über die es sich lohnt zu diskutieren.“ Insgeheim ist der Cadolzburger froh, bislang keine Kinderbücher zu verlegen. Die ganze Diskussion empfindet Treuheit jedenfalls mehr als fragwürdig.
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