Der Kampf eines kranken Weltverbesserers
20.11.2016, 17:27 UhrGegen Ende des Telefonats hat Horst Glanzer noch eine Bitte. „Schreiben Sie nicht, dass ich ein Querulant bin“, sagt er. Das klinge nach jemandem, der zu Unrecht aufbegehrt und andere nervt. Aber er aber habe doch ein Recht darauf, hartnäckig zu sein, sich nicht abwimmeln zu lassen. Und ihm in diesem Punkt zu widersprechen, wäre wohl wirklich nicht fair. So telefoniert Glanzer seit Jahren unermüdlich Abgeordnete, Referenten, Journalisten ab. Sie kennen ihn im Landtag, im Bundestag, in den Ministerien.
Und ja, so manch einer wird tief schnaufen, wenn Glanzer sich am Telefon meldet und wieder und wieder seine Anliegen vorträgt. Wenn der Niederbayer erst grantig und dann zornig wird und über die „Versicherungsmafia“ schimpft, die er für seinen Gesundheitszustand und seine Armut verantwortlich macht.
Aber nur weil jemand kein leichter Gesprächspartner ist, mitunter großangelegte Verschwörungen gegen sich wittert und sich deshalb versteckt hält, muss er noch nicht komplett falsch liegen. Nur so ist es auch zu erklären, dass die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihn schon lange als Mann lobt, der „klare Akzente in der deutschen Rechtsprechung“ gesetzt hat.
So beurteilte es auch der emeritierte Dortmunder Rechtsprofessor Wolfgang Schünemann. Und Christoph Strässer, ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, würdigte Glanzer bereits vor drei Jahren als Bürger, der „engagiert im Aufzeigen von Gerechtigkeits- und Gesetzeslücken“ ist und erfolgreich dagegen angeht.
Erfolge für andere
Mit seinem Ein-Mann-Lobbyismus hat er jetzt auch Anteil an der Reform des Gutachter-Rechts, mit unter Umständen weitreichenden Folgen etwa bei Familienrechts-Verfahren oder Streitigkeiten um die Anerkennung von Behinderungen.
Auch dass bei Zivilprozessen die Streitwert-Grenze für den Gang in höhere Instanzen gesenkt wurde, hat Glanzer mit angestoßen. Ebenso wie die Regelung, dass bei Wiederaufnahmeverfahren seit 2014 keine Gerichtskosten mehr im Voraus vom Kläger hinterlegt werden müssen.
Zudem machte sich der über 50-Jährige Niederbayer erfolgreich dafür stark, dass Krankenkassen in Notfällen sofort über eine Kostenübernahme entscheiden müssen. Und er erreichte die Änderung des Paragrafen 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung, wonach früher eine Berufung schriftlich und ohne Anhörung des Klägers unwiderruflich abgelehnt werden durfte, wenn diese nach Ansicht der Richter keine Aussicht auf Erfolg hat.
Dieser Praxis schreibt Glanzer sein Unglück zu, dass im September 2003 begann. Der privat versicherte Ex-Polizist leidet an einer akuten Entzündung der Nasennebenhöhlen. Die Krankenakten sind nichts für schwache Nerven. Es geht um Vereiterungen, zerfressene Knochen im Kieferbereich und vieles mehr.
Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass Horst Glanzer damals bei der Barmenia und bei seiner Allianz-Zusatzversicherung den Antrag auf Vorabzusage der Kostenübernahme für eine Behandlung in der Schweiz stellte.
Was sich luxuriös anhört, hat einen Grund: Glanzer ist Allergiker und hat Vorerkrankungen, weshalb er am 24. September 2003 beim damaligen medizinischen Servicezentrum der Allianz, der MD Medicus GmbH, nach einer Klinik mit ganzheitlichen Heilmethoden fragt. In der Antwort heißt es, dass nur die Paracelsusklinik in St. Gallen oder die Aeskulap Klinik am Vierwaldstätter See „zu biologischen Heilverfahren auch noch ganzheitliche Zahnheilkunde anbieten“.
Doch bis die Zusage auch der Barmenia eintrifft, die zunächst nur die Notwendigkeit für eine normale ambulante Behandlung sieht, ist es Anfang Dezember. Glanzer wird operiert, leidet jedoch auch danach an schwersten gesundheitlichen Folgeschäden, ist arbeitsunfähig und beginnt seinen langen Kampf.
Nur ein Teilsieg
Im ersten Prozess vor der 3. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg im August 2007 erringt er zwar einen Teilsieg im Verfahren zur fristlosen Kündigung seines Versicherungsvertrags durch die Assekuranz. Seine Klage auf Schmerzensgeld aber wird abgeschmettert.
Und die Berufung am Nürnberger Oberlandesgericht wird – schriftlich und ohne Anhörung — zurückgewiesen. Weil der Beschluss damals noch nicht anfechtbar ist, bleibt ihm auch der Weg in die nächste Instanz versperrt. Seither drängt er mit aller Macht auf die Wiederaufnahme seines Verfahrens. „Ich will meine Restitutionsklage in Nürnberg haben“, sagt er. Doch bisher ist er damit gescheitert. Auch seine Eingabe an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2013 wegen Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör wurde abgelehnt.
Und seine Petition an den Verfassungsausschuss des Bayerischen Landtags machte die Politiker im Juli 2014 rat- und hilflos. Vor Glanzer könne man „nur den Hut ziehen“, meint der Vorsitzende Franz Schindler damals. Aber für ein Wiederaufnahmeverfahren, von dem sich Glanzer im Falle des Erfolgs vor allem auch Schadenersatz und damit einen Weg aus seiner finanziellen Notlage erhofft, konnte der Ausschuss nicht sorgen.
Die vielen Prozesse und die Kosten dafür hätten ihn an den Rand der Obdachlosigkeit gebracht, sagt Glanzer. Körperlich ist er nach eigenen Angaben am Ende, der Schmerz Alltag. „Das ist doch kein Leben mehr“, sagt er – und eben weil ihm niemand Hoffnung auf Linderung machen kann, will er nicht nachgeben. „Ich lasse mich nicht abbügeln.“
Bei der VR-Bank Passau wurde ein Spendenkonto für ihn eingerichtet (IBAN: DE66 7409 0000 0003 3335 23, BIG: GENODEF 1 PA 1).
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