Von der millionenschweren Kaufhaus-Diva zur tragischen Figur

03.09.2009, 00:00 Uhr

Es ist eben immer eine Frage des Blickwinkels, aus dem man die eigene Situation betrachtet. Madeleine Schickedanz hat den Blickwinkel einer Quelle-Erbin, einer Tochter aus gutem Unternehmerhaus, die sich nie wirklich Gedanken ums Geld machen musste, die zumindest aus materieller Sicht immer alles hatte, was sie sich nur wünschen konnte. «Meine Tochter hat kein richtiges Verhältnis zum Geld», soll ihr Vater Gustav Schickedanz einst gegenüber einem Freund der Familie gesagt haben, als Madeleine noch im Teenager-Alter war.

Seit einigen Wochen dürfte es in ihrem Kopf von Zahlen und Rechenspielen nur so schwirren. Ihr Erbe, die Quelle, ist seit der Fusion mit Karstadt im Jahr 1999 Teil des Arcandor-Konzerns, der jetzt Insolvenz angemeldet hat. Einem Bericht des Magazins «Stern» zufolge könnte das Ende des Warenhauskonzerns Madeleine Schickedanz nun um ihr Privatvermögen bringen. Der Hintergrund: Schickedanz haftet für Kredite beim Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim auch mit ihrem privaten Vermögen. Genauer gesagt: Mit allem, was ihr in Deutschland an Privatvermögen gehört.

«Wenn die Rettung von Arcandor scheitert und die Banken die Kredite fällig stellen, verliere ich alles – Häuser, Aktien, Beteiligungen an anderen Firmen», hatte Schickedanz bereits im Juli geklagt. Diese Gefahr ist real: Mit Aktienkäufen und Kapitalerhöhungen hatte Schickedanz noch während des Niedergangs des Arcandor-Konzerns versucht, das Unternehmen vor der Pleite zu bewahren.

Die Finanzierung der Aktienkäufe übernahm die Bank Sal. Oppenheim, die im September 2008 ihrerseits bei Arcandor eingestiegen war und zuletzt 28,6 Prozent der Anteile hielt. Die Bank lag damit knapp vor dem Aktionärspool um die Quelle-Erbin, dem 26,7 Prozent zugerechnet werden. Der Wert der Aktie, die vor zwei Jahren noch gut 29 Euro wert war, ging steil bergab. Arcandor hat sich zum Zockerpapier entwickelt, mit dem Börsenspekulanten den schnellen Gewinn suchen – allerdings auf Penny-Stock-Niveau: Gestern war das Papier noch ganze 22 Cent wert.

Laut «Stern» ließ sich Sal. Oppenheim eine Summe von 215 Millionen Euro als Grundschuld eintragen. Sollte Schickedanz bei Fälligstellen der Darlehen nicht zahlen, könnte es zur Zwangsvollstreckung kommen. Mindestens elf Immobilien und Grundstücke kann die Bank dann einziehen und unter den Hammer bringen.

So präsent war das Thema Existenzangst wohl noch nie im Leben der 65-Jährigen, die als einziges Kind des Quelle-Firmengründers Gustav Schickedanz (1895–1977) und dessen zweiter Ehefrau Grete Schickedanz (1911–1994) am 20. Oktober 1943 im Luftschutzbunker der Nürnberger Frauenklinik zur Welt kam.

Nach dem Abitur begann sie ein Studium der Betriebswirtschaft, das sie nach zwei Semestern abbrach. In den elterlichen Konzern einzusteigen, davor scheute sie sich lange. Das überließ sie ihren jeweiligen Ehemännern. Sowohl Hans-Georg Mangold als auch Wolfgang Bühler hatten Führungspositionen inne, verließen aber nach dem Ehe-Aus das Unternehmen. Seit 1997 ist die vierfache Mutter, die nach der erfolgreichen Leukämiebehandlung ihrer Tochter Caroline eine Kinderkrebsstiftung ins Leben rief, mit Leo Herl verheiratet. Der langjährige Quelle-Manager gehörte bis zuletzt dem Arcandor-Aufsichtsrat an.

Aus rosigen Zeiten stammen die zahlreichen Immobilien, die nun laut «Stern»-Bericht gepfändet werden könnten: Es handelt sich unter anderem um Immobilien in München und Hamburg, eine Ferienvilla am Tegernsee und ein weiteres Anwesen in Nürnberg, in dem sie einst mit ihrem zweiten Ehemann Wolfgang Bühler wohnte. Auch ihr Wohnhaus in Hersbruck auf einem parkähnlichen Grundstück von 20 000 Quadratmetern ist demnach verpfändet.

Entwarnung scheint es hingegen für das kleine Kaufhaus in Hersbruck zu geben, das erst Ende Juli Neueröffnung feierte. In dem Haus am Unteren Markt gründete Grete Schickedanz nach dem Krieg ihren ersten Laden. Sowohl das Büro der Familie Schickedanz wie auch der Kaufhausbetreiber selbst verneinten nach Informationen der «Hersbrucker Zeitung» die Gerüchte, das Kaufhaus sei ebenfalls in Gefahr. Im Büro von Madeleine Schickedanz wollte man die Meldung des «Stern» gestern nicht kommentieren. Mitarbeiter Matthias Till hatte Mitte Juli geäußert, das Hersbrucker Kaufhaus sei bei den Verbindlichkeiten gegenüber den Banken «außen vor». Möglicherweise, so schätzen Insider, könne bei den derzeitigen Verhandlungen mit den Banken eine Lösung für die Hersbrucker Kaufhaus-Immobilie gefunden werden.

Der neue Kaufhaus-Betreiber Harald Herbrig sehe sich in jedem Fall auf der sicheren Seite, schreibt die Zeitung weiter. Er habe einen Zehn-Jahres-Pacht-Vertrag in der Tasche, an den auch ein möglicher neuer Besitzer gebunden wäre. Das wieder eröffnete Kaufhaus komme bei den Hersbruckern und dem Umland sehr gut an.

Madeleine Schickedanz hatte sich bei der offiziellen Eröffnung im Juli durch ihren Ehemann vertreten lassen. Die Quelle-Erbin tritt derzeit nicht gerne in der Öffentlichkeit auf. Gemeinsam mit Leo Herl verbringt sie viel Zeit im schweizerischen St. Moritz. Auch in Frankreich und auf Marbella hat das Ehepaar Ferienhäuser. Das größte Anwesen der Familie, eine Villa in Fürth-Dambach, hat sie schon vor vier Jahren an ihren Sohn Matthias Bühler überschrieben – sie genießt dort allerdings ein lebenslanges Nutzungsrecht. Im Gegensatz zu vielen ehemaligen Quelle-Beschäftigten, die vor einer ungewissen Zukunft stehen, wird Madeleine Schickedanz wohl kaum demnächst Hartz IV-Hilfe beantragen müssen. Alles eine Frage des Blickwinkels eben . . .

Keine Kommentare