Seehofer will Bauern beim Milchpreis helfen
21.08.2008, 00:00 Uhr
Kaum war der Polit-Star aus Berlin da, verdunkelte sich der Himmel. Eine dicke schwarze Wolkendecke legte sich über Ebermannstadt. «Es geschehen noch Zeichen und Wunder», frozzelte der Landtagskandidat der Grünen, Karl Waldmann, als alles flüchtete.
Doch Bürgermeister Franz Josef Kraus und der CSU-Kreisvorsitzende Eduard Nöth wussten sich zu helfen. Sie dirigierten Seehofer samt großem Anhang, darunter viele Frauen, in den Sonnensaal, wo man vor Regen sicher war. Dort mussten die Parteihelfer aber erst für Ordnung sorgen, weil der Wirt mit dem großen Ansturm gar nicht gerechnet hatte und auch zu wenig Stühle zur Verfügung standen.
«Worauf es ankommt»
Der Saal ist schließlich rappelvoll. Die «vielen hundert Besucher», die den Bundesminister als Wahlkämpfer erleben wollten, hatte Bürgermeister Kraus schon vorher «voller Stolz» auf dem Marktplatz begrüßt. Und anschließend Seehofer erzählt, «was Ebermannstadt bewegt». Der Minister möge doch bitte dafür sorgen, dass «unsere Landwirte gerechte Erzeugerpreise erhalten, damit wir durch ihre Arbeit die Fränkische Schweiz als Kulturlandschaft bewahren können». Bedenken hatte Kraus auch hinsichtlich der Gesundheitsreform. «Wir kämpfen um unser Krankenhaus, wollen kein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Bamberg.»
MdL Nöth weiß denn auch, was das Publikum im Sonnensaal will: Deutliche Worte von Parteivize Seehofer. Dieser werde zeigen, «worauf es politisch ankommt». Als BBV-Vizepräsident Hermann Greif und Kreisbäuerin Rosi Kraus dem Agrarminister eine Resolution überreichen, in der sie fordern, dass der Milcherzeugerpreis «dauerhaft steigen» müsse, rief Seehofer: «Verachtet mir die Bauern nicht.»
«Ihr habt meine volle Unterstützung», versprach der Minister, dem Greif und Kraus auch geschildert hatten, dass der Landkreis «eine benachteiligte Agrarzone» sei, in der nur noch 360 Milchviehbetriebe im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Der BBV verlangt unter anderem die Stornierung der jüngsten Quotenerhöhung. Ebenso auch die finanzielle Absicherung des Milchfonds zur Hilfe für benachteiligte Gebiete.
Hochkultur aus Franken
Bevor Seehofer seine Themenliste abarbeitete, musste er schnell noch ein dickes Kompliment für seine Zuhörer loswerden. Er lese ein Buch des früheren aus Fürth stammenden BR-Chefredakteurs Heinz Burghart über die Geschichte des Freistaats. «Als Oberbayer muss ich da den Hut ziehen», befand der Minister aus Ingolstadt. «Bayerns Hochkultur kommt aus Franken.» Schon die Könige holten sich dort ihre Spitzenbeamten.
Seehofer war auf dem Sprung nach Berlin, gestern bekam er in der Kabinettssitzung seine «Arbeitsanweisung». Er bewundert CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Vor allem seit sie bei der Schwester auf dem Nürnberger CSU-Parteitag verkündet hatte, sie wolle «Deutschland dort hinbringen, wo Bayern schon ist».
Doch bei der Pendlerpauschale mauert sie. Seehofer setzt die CSU-Linie dagegen: «Wir werden beinhart dafür kämpfen.» Der Minister sieht auch Ungerechtigkeiten bei Hartz IV und im Rentensystem. «Kein Mensch versteht mehr die Rentenformel.» Sie sei «verriestert» und «zerstört» worden, habe ihre Verlässlichkeit verloren.
Seehofer stellte sich als Arbeitersohn vor. Redet der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA) über Schulpolitik, kommt der zweite Bildungsweg, den er einst eingeschlagen hat, immer zur Sprache. 40 Prozent aller Studenten in Bayern kämen nicht vom Gymnasium. Seehofer will «keine Akademisierung» der Gesellschaft. «Dann haben wir nur noch Leute, die alles wissen, aber nichts mehr machen können.» Begeisterung im Publikum auch bei der Forderung, jetzt festzulegen, dass der Münchner U-Bahn-Schläger Serkan A. (21) nach Verbüßung seiner Haftstrafe ausgewiesen wird. «Wer unsere Toleranz missbraucht, hat hier nichts zu suchen.» HUGO MOLTER