Blick hinter die Kulissen: So arbeitet es sich am Airport Nürnberg

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27.1.2019, 06:00 Uhr

Jedes Jahr beauftragen wir die Volontäre aus unserem Haus mit einer multimedialen Reportage an einem ganz besonderen Ort. Das letzte Mal durften sie hinter die Kulissen der Nürnberger Ice Tigers blicken. Diesmal haben wir sie zum Flughafen geschickt. 

Station 1: Hier geht sogar ein Delfin in die Luft

Alexander Steinbach zieht an einer langen Schnur. Langsam und knarrend öffnet sich das Tor der Frachthalle am Nürnberger Flughafen. Zwischen dem fahlen Braun der Kisten und Pakete heben sich die leuchtend orangen Warnwesten der Mitarbeiter darin deutlich ab. Einige stehen am Rand der Lagerhalle und rauchen. Andere fahren mit Gabelstaplern umher und verteilen die angekommene Fracht in die Regale, die sich in der Halle bis unters Dach erstrecken.

Dass Steinbach nicht zu den Lagerarbeitern gehört, sieht man ihm an: Weißes gebügeltes Hemd, schwarze Hose, schicke schwarze Lederschuhe, darüber die Sicherheitsweste. Die muss auch er als Leiter des Frachtbereiches tragen – aus Sicherheitsgründen. Seine Aufgabe: Die Koordination der ankommenden und abgehenden Fracht. Die, erklärt Steinbach, müsse nämlich nach Erhalt immer innerhalb von 72 Stunden beim Empfänger ankommen. Weltweit.

Seit 21 Jahren arbeitet er bereits im Frachtbereich des Albrecht Dürer Airports in Nürnberg. Erst als studentische Aushilfskraft, mittlerweile als Leiter. "Wenn Sie ein Mal Kerosin geatmet haben, wollen Sie hier nicht mehr weg." Dass er in seinem Job auch durchaus mal vor größere Probleme gestellt wird, stört ihn dabei nicht: Erst vor zwei Jahren, erinnert er sich, wurde von Nürnberg ein Delfin nach Lanzarote geschafft. "Wie das funktioniert, wussten wir davor auch nicht." Vor allem das herumschwappende Wasser sei schwierig gewesen, "weil es die Balance des Flugzeuges durcheinanderbringt."  (Anne Kleinmann)

Station 2: Wo der Service eine Frage des Geldbeutels ist

Bekannte Linienflugzeuge sucht man hier vergebens. Denn den VIP-Bereich, den sogenannten General Aviation Terminal (GAT), nutzen vor allem Politiker, Unternehmer oder Prominente - um schneller und diskreter reisen zu können. Auf Wunsch bestellt das GAT-Team Catering, lässt die Flugzeuge betanken oder die Tischdecken reinigen. "Wie umfangreich der Service ausfällt, ist eine Frage des Geldbeutels", sagt Alex Vogel. Der 29-Jährige ist GAT-Agent und kümmert sich um sämtliche Kundenwünsche. Er reserviert Hotelzimmer oder fährt die Kunden mit der hauseigenen Limousine zum Privatjet.

Vogel schlendert durch den Hangar 3. Mehrere Propellermaschinen stehen hier. Seine Hand streicht über den Träger einer Cessna 172. Das einmotorige Modell ist sehr beliebt bei Flugschülern. Den VIP-Bereich nutzen neben Promis und Wirtschaftsgrößen auch Hobbyflieger. Sie können einen Stellplatz beim Airport Nürnberg anmieten. Jeder kann den Service des GATs in Anspruch annehmen, so lange er bereit ist dafür zu zahlen. Für eine kleine Maschine mit einer Tonne und einer Stunde Zwischenstopp zahlt der Kunde rund 40 Euro. Der Preis richtet sich unter anderem nach dem Gewicht der Maschine. Zum Vergleich: Die Kosten für einen größeren Jet wie beispielsweise eine Global 6000 dürfte im vierstelligen Bereich liegen. (Isabel Köppel)

Station 3: Ohne Uhr geht hier gar nichts

Langsam und leicht hebt sich die Nase des Flugzeugs. Der Schlepper hievt die Fronträder der Maschine nach oben und schiebt an. Flug ST 3804 nach Tel Aviv ist jetzt "von den Blöcken" und somit für Petra Koch, Ramp Agent am Airport, abgehakt. Instinktiv wandert ihr Blick zur Armbanduhr. Die Zeiger stehen auf 13:17 Uhr. 17 Minuten Verzögerung, die sie beim Schichtleiter begründen muss.

Der Tag von Petra Koch beginnt um 4 Uhr morgens, zwei Stunden später ist sie am Flughafen. Sie mag die Frühschicht am wenigsten. In ihrem Job ist "ein dickes Fell wichtig", betont die 36-Jährige und dreht das Funkgerät auf laut. Als Ramp Agent ist sie die Person, die alle Abläufe vor dem Abflug der Maschinen koordiniert. In einer Schicht ist sie für bis zu zehn Flugzeuge zuständig. Privat trägt sie nie eine Uhr, in ihrem Job ist diese - neben Funkgerät und Kugelschreiber - ihr wichtigstes Werkzeug. 

Koch erhält vom Piloten Fluginformation, daraus errechnet sie am Schreibtisch die Ladeplanung: Das Gewicht von Sprit, Gepäck, Passagieren und Catering – all das muss sie berücksichtigen und möglichst gleichmäßig im Flugzeug verteilen. Per Funk gibt sie den Tankbedarf durch: 14 Tonnen Kerosin. 

Je nach Fluggesellschaft hat sie zwischen 60 und 25 Minuten Zeit, alles für den Abflug vorzubereiten. Bei einem Flug fährt sie mindestens dreimal zwischen Schreibtisch und Flugzeug hin und her.

Der Tanker kommt zu spät. "Das heißt Verzögerung", sagt Koch. Ein Blick auf die Uhr und sie läuft die Stahl-Treppe hoch zum Flugzeug. An die Kabinenchefin gerichtet sagt sie: "Wir haben heute 82 Gebuchte, darunter keine Specials." Es fliegen also keine Rollstuhlfahrer, Kleinkinder oder Tiere mit. Pilot und Co-Pilot geben im Cockpit Daten in den Bordcomputer ein. Um halb werden die Koffer in das Flugzeug verladen, zehn Minuten später gehen die Passagiere an Bord. Zeitgleich kriecht der Tankanzeiger von 9,3 auf 9,4 Tonnen Kerosin. Petra Koch fährt zurück zum "OPS": 20 Minuten vor Abflug. Sie schließt den Flug mit einem Mausklick: Wer jetzt noch kommt, hat Pech gehabt. (Lidia Piechulek)

Station 4: Sie haben einen der stressigsten Jobs der Welt

Hier oben gleicht die Erde einer Modellbauwelt. Auf dem Rollfeld verteilen sich Flugzeuge und Autos wie Spielzeuge im Kinderzimmer. An kreisförmig angeordneten Bildschirmen, vor Tastaturen und bunten Knöpfen überwachen drei Lotsen in 42 Meter Höhe das Geschehen.  
"Unsere Hauptaufgabe ist es, die Sicherheitsabstände zwischen den Flugzeugen vorzugeben und einzuhalten", erläutert Peter Stahlschmidt, Mitarbeiter der Deutschen Flugsicherung (DFS).  "Der Luftraum über dem Flughafen Nürnberg gleicht einem Trichter. Vom Erdboden bis zu einer Höhe von einem Kilometer sind wir zuständig, darüber dann die übergeordneten Zentralen", erklärt Stahlschmidt.

Der Job des Fluglotsen gilt als einer der stressigsten der Welt. "Man steht zwar nicht unter Dauerbelastung, muss sich aber kurzfristigem Stress aussetzen. Wenn ein Flugzeug kommt, muss man das anpacken und kann es nicht aufschieben. Man ist Teil des Systems und muss funktionieren, hat aber keinen Einfluss darauf. Das kann anstrengend sein", sagt Stahlschmidt. 

Katastrophen passieren aber nur selten. In einem Hochsicherheitsbereich wie der deutschen Luftsicherung ist alles durchdacht. Ein einzelner Fehler führt nicht gleich zu einer Katastrophe. "Wir arbeiten mit mehreren Sicherheitsnetzen", erläutert Stahlschmidt.  (Luisa Macharowsky)

Station 5: Er geht zum Feuertausch auf die Piste

Marco Lilli bleiben wenige Minuten. Eine 78 Tonnen schwere Boeing 737 mit 300 km/h startet als nächstes, und der hat ein Mensch nichts entgegenzusetzen. Bis sie auf dem Rollfeld ist, muss Lilli die bierdeckelgroßen Schrauben des Pistenfeuers gelöst und die kaputte Lampe ausgetauscht haben. Sie ist eine von 1900 Leuchten, die den Flugzeugen den Weg weisen. Sie erstrahlen in Rot, Gelb und Weiß und tauchen die Ränder und den Mittelstreifen der kilometerlangen Landebahn in helles Licht.

Lilli ist Elektroinstallateur am Flughafen und neben der Pistenbefeuerung für die Elektrotechnik der Flugbrücken und der Gebäude sowie für alle anderen elektronischen Geräte einschließlich sämtlicher Kaffeemaschinen zuständig. Der Airport bezieht seinen Strom aus einem eigenen Strom-Ring. Falls er ausfällt, kann sich der Flughafen durch seine Anbindung an die N-Ergie sowie mit Hilfe von sechs Notstromaggregaten versorgen. Ein Komplettausfall der Stromversorgung – unter anderem der Pistenleuchten – ist somit höchst unwahrscheinlich. "Am spannendsten ist das Lösen von Fehlern, die man erst nicht finden kann", sagt er.  (Andrea Beck)

Station 5: Wenn der Biber nicht wäre...

Der Bucher Landgraben - ein kleines Fließgewässer im Nürnberger Norden - verläuft am Airport entlang und zwängt sich stellenweise wie in einem Korsett aus Beton an der Flughafenstraße Richtung Osten.

Weiter westlich beispielsweise – auf Höhe des Eventpalastes – ist die Renaturierung im vollen Gange: 100.000 Kubikmeter Boden wurden seit 2001 insgesamt bewegt, das entspricht rund 50 Schwimmbecken. Laut Dieter Herold, dem Leiter der Umweltabteilung am Flughafen, entstand durch den neu gestalteten Landgraben Lebensraum für verschiedene und seltene Tier- und Pflanzenarten. So findet man hier etwa Eisvögel, Blaukehlchen und den Biber.

Letzterer sorgt mit seinen Bauten allerdings für viel Ärger. Seine Dämme finden sich hier überall. Abgenagte junge Bäume, gemischt mit Steinen und Schlamm sorgen an mehreren Stellen für einen hohen Wasserstand. Dieter Herold sieht in den entstandenen Lachen noch ein anderes Problem: "Das gestaute Wasser zieht Wasservögel wie die Kanadagans an. Die Start- und Landebahn ist nur 200 Meter entfernt, das Vogelschlag-Risiko ist sehr groß." Eben jene Gänse sorgten für die spektakuläre Notlandung des US-Airways-Flugs auf dem Hudson-River 2009. (Luca Eberhardt) 

Station 6: Hier wird sogar die Temperatur von Wassertropfen ermittelt

Großer Wagen, Kassiopeia, Polarstern: Für den Blick in den Nachthimmel muss das Licht der Großstadt weit entfernt sein. Am abgelegenen Standort der Flugwetterwarte (Fww) geht das. "Ab und zu hat man schon einmal die eine oder andere halbe Stunde in der Nachtschicht, um sich die Sterne anzuschauen", sagt Silke Wölfel. Sie arbeitet im Glasturm mit Rundumsicht, der rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr besetzt ist. Hier werden Daten gesammelt, die die Piloten für An- und Abflüge brauchen. Windstärke und Temperatur allein reichen ihnen nicht. Sie müssen auch wissen, wie warm oder kalt der einzelne Regentropfen ist - um zum Beispiel Vereisungen abschätzen zu können.

Die Wetterdaten sind aber nicht nur für die Piloten von Bedeutung. "Die Messungen von Bodenfrost und Feuchtigkeit sind auch für die Landwirtschaft wichtig. Gerade die Erdbeerbauern müssen wissen, ob ihre Pflänzchen Frost ziehen“, sagt Silke Wölfel.

Aber auch die Wetterwarte bleibt von der Digitalisierung nicht verschont. Ab 2022 soll es mehr Geräte und weniger Menschen geben. Dann wird weniger Zeit dafür sein, einfach mal die Sterne zu beobachten. (Kristina Emilius)

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