Der Barock-Garten von Neunhof
27.9.2010, 17:50 UhrVor den Mauern galt ein strenges Baurecht So gesehen ist es höchst verwunderlich, dass sich schon seit dem Mittelalter ein grüner Saum von schließlich fast 300 Gärten um die Stadt legte. In Kriegszeiten freilich, so etwa im zweiten Markgrafenkrieg 1552/53, ließ der Stadtrat erbarmungslos alle diese Gärten „abräumen“.
Keine Schrebergärten
Unter diesen Gärten darf man sich nun nicht etwa Kleingartenanlagen der einfachen Leute vorstellen. Die Besitzer waren vielmehr Patrizier und reiche Handwerksleute. Sogar Geistliche hatten sich hier ein Refugium für warme Sommertage geschaffen. In all diesen Gärten entwickelt sich eine erstaunliche barocke Kultur, die im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt in Architektur und Gartengestaltung fand.
Die Gärten zählten schließlich sogar zu den Sehenswürdigkeiten der Reichsstadt. An die antike Mythologie anknüpfend bürgerte sich der Name „Hesperidengärten“ ein. In Zitronen, Orangen und Pomeranzen sah man die goldenen Äpfel, die Herakles, nachdem er den Drachen als deren Hüter getötet hatte, aus dem Garten des Hesperos mitnahm.
Die Anlage der Gärten folgte bestimmten Regeln. Unmittelbar an der Straßenfront lag das Haupthaus. Durchschritt man das Tor, gelangte man in den von Seitenflügeln eingefassten Hofraum. „Die Rückseite des Hauses zeigte meiste offene Galerien. Der Hofraum war stets durch eine kunstvolle Balustrade, oft von Figuren gekrönt, vom eigentlichen Garten geschieden“, schrieb Erich Mulzer. Hier fanden sich sandsteinrote Wege zwischen arabeskenhaft geschwungenen Beeten, flankiert von Plastiken, die beispielsweise die Jahreszeiten, die Tugenden, antike Gottheiten oder mythologische Gestalten darstellten. Im Industriezeitalter verschwanden aber fast alle dieser Gartenanlagen. Inzwischen kann man in St. Johannis wieder neu entstandene, wunderschöne Barockgärten bewundern.
Vorgeschobene Inseln dieser barocken Gartenkultur fanden sich früher stets auch bei den „Sitzlein“ des reichsstädtischen Patriziats auf dem Lande. Das eindrucksvollste Beispiel sind die Barockgärten beim Jagdschlösschen Neunhof. Auf der Südseite führt eine Brücke über den Schlossgraben zu einem zwingerartigen Gärtchen. 1961 mietete das Germanische Nationalmuseum das Schlossgut, und der damalige Generaldirektor, Professor Dr. Ludwig Grote, regte an, die völlig verwahrloste Anlage wieder herzurichten.
Wieder belebt nach zwei Jahrhunderten
Nach einer Grundrisszeichnung aus der Zeit kurz nach 1740 entwickelte der Gartenbaudirektor Theo Friedrich 1962 einen Plan für die Neugestaltung. Das war der erste Versuch, die einst so hoch entwickelte Nürnberger Gartenkultur neu zu beleben. Auf 550 Quadratmetern Fläche entstanden 13 Buchs-Arabesken, deren Eckpunkte durch Sandsteinpodeste und darauf gestellte Kübel mit geschnittenen Buchs-Kegeln akzentuiert sind.
1977 genehmigte der Stadtrat die Planung des großen Schlossgartens, die 1978/79 erfolgte. An Geldmitteln standen 300000 Mark zur Verfügung. Das Grundstück war nicht von Anfang an ein Barockgarten. Als 1589 Hans Guttäter das Areal durch Grundstückstausch erweiterte, wuchsen dort Obstbäume, Rosensträucher und Küchenkräuter – es war ein Nutzgarten. Als dann um 1740 der Kraftshofer Maurermeister Conrad Schön einen kleinen achteckigen Pavillon baute, begann die Umgestaltung zu einem typischen Barockgarten mit geometrischem Grundriss, wie eine Federzeichnung von Christoph Wilhelm Kress belegt.
Für die Restaurierung war der Abschluss eines „Gestattungs- und Nutzungsvertrages“ zwischen der privaten Erbengemeinschaft Schloss Neunhof und der Stadt Nürnberg nötig. Als Planungsgrundlage diente die genannte Zeichnung von Kress. Bei der Neugestaltung legte Gartenbaudirektor Friedrich über das rund 13000 Quadratmeter große Areal einen Wegeraster, durch den sich 15 Rasenkarrees abzeichneten. Der oktogonale Sandstein-Pavillon von 1740 kam so wieder in den Schnittpunkt und damit in das Zentrum . Die Rasenstücke wurden von kniehohen Hecken umsäumt. Kastenförmig geschnittene Platanen bildeten Baumreihen. Mit ihnen suchte Friedrich die dritte Dimension, welche die Fläche zum Raum verwandelt. Baumwände sollen den Garten gegen die umgebende Landschaft absetzen und so ein wesentliches Merkmal der Barockgärten wieder in Bewusstsein rufen.
Das Eiermännla und der Zupfgeigenhansel
Auf den Wegkreuzen stehen heute Abgüsse von Figuren, die ursprünglich einen Garten in Sankt Johannis zierten. Weil aber das Gestein, aus die Plastiken geschaffen wurden, sehr witterungsanfällig ist, wollte man die heute den Altstadtfreunden gehörenden Original nicht mehr im Freien aufstellen. Die vier Gartenplastiken stellen groteske Gnome dar, wie sie einst typisch für Barockgärten waren. Sie sind beim Publikum sehr beliebt und haben auch längst ihre Spitznamen weg, Zupfgeigenhansel, Fresssack oder Eiermännla. Nach zweijähriger Bauzeit konnte der neu gestaltete Garten am 14. Juli 1979 der Öffentlichkeit übergeben werden.
In der Südostecke des Schlossparks befand sich ein schon 1594 erwähnter Vogelherd. Hier wurden mit Leimruten und Schlagnetzen Singvögel für die Tafel des Schlossherren gefangen. Für uns ist es heute gar nicht mehr vorstellbar, mit welcher Leidenschaft der Vogelfang einst betrieben wurde. Es ist zu bedauern, dass der Vogelherd bei der Neugestaltung nicht in angemessener Weise berücksichtigt wurde, war doch hier eine fast einzigartige Chance gegeben, ein einst so verbreitetes und eigenartiges Kapitel Jagdgeschichte zu zeigen.
Die Schlossanlage mit der reichen Innenausstattung des 16. bis 18. Jahrhunderts und den beiden Gärten ist vollständig erhalten und wird vorbildlich gepflegt. Sie ist ein hervorragendes Beispiel patrizischer Kultur auf dem Lande, ein Kleinod unter den Alt-Nürnberger Kulturdenkmälern.