Ruggediguh, drückt dir der Schuh?

08.03.2007, 00:00 Uhr

All diese Naturböden stehen in Schubladen hintereinander im Kindergarten St. Jobst. Aber der Parcours dient nicht Jux und Tollerei, sondern medizinischen Zwecken. «Die Sensibilität in den Kinderfüßen ist nicht von Anfang an da, die baut sich erst mit den Jahren auf», weiß der Mann neben den Schubladen, der Diplomsportlehrer Mark Nitschky.

Eben diese nicht ganz ausgereifte Sensibilität ist mit schuld, dass viele Kinder in unpassenden Schuhen herumlaufen. Der Fuß braucht nämlich Zeit, um sich zu formen. Babys Füßchen sind erst einmal platt. Das Längsgewölbe liegt anfangs flach und richtet sich allmählich auf. Bis zum Alter von sechs Jahren sollte der Wölbungsprozess abgeschlossen sein.

Auf Fersen und Zehenspitzen

«Zu Beginn haben alle Kinder O-Beine», erläutert der Orthopäde Uwe Demmelmeyer, «im Kindergarten haben sie X-Beine, und das bedingt den Knick-Senkfuß.» Soweit ist also alles noch in Ordnung. Bloß: werden die Kinderfüße zu früh in enge Schuhe gezwängt, können sie sich nicht normal formen.

Deshalb reist nun im Auftrag der bayerischen Betriebskrankenkassen ein Team von drei Spezialisten durch die Kindergärten und stellen «Kinderfüße auf den Prüfstand», so der Projektname. Während die Soziologin Susanne Barthold Füße und Schuhe vermisst (Soziologie ist ein Beruf mit vielen Facetten), inspiziert Uwe Demmelmeyer die Kinder, lässt sie auf Zehenspitzen trippeln und auf den Fersen trampeln, biegt den großen Zeh zurück und testet den Fuß auf seine Flexibilität. Mark Nitschky unternimmt mit den Kindern Fußübungen, lässt sie auf dem Trampolin hüpfen und den Boden erkunden.

Wer aber ist nun schuld, wenn ein Kinderfuß sich verformt? Nicht unbedingt der Schuh-Hersteller. Obwohl: «Auf vielen Schuhen steht beispielsweise Größe 28», erklärt Susanne Barthold, «und dann ist der Schuh-Innenraum zwei, drei Nummern zu klein.»

Der Schuster bleibt bei seinem Leisten, wie es sich gehört. «Aber der Leisten ist bei jedem Hersteller anders», weiß Herr Nitschky. Freilich sagt die Schuhgröße allein nichts über Länge, Breite und Weite des Schuhs aus. Die können nämlich variieren. Deshalb sollten Eltern verschiedene Schuhmodelle derselben Größe an ihren Kindern ausprobieren.

Zwar kommen in Fachgeschäften auch Messgeräte zum Einsatz, aber «leider gibt es verschiedene Messgeräte mit unterschiedlichen Maßen», stellt der Sportlehrer fest. Aber das Kind spürt doch, ob der Schuh passt oder nicht? «Nicht unbedingt. Erstens ist die Sensibilität im Fuß noch nicht ganz ausgereift und zweitens: Ist der Schuh rosa, will ihn das Mädchen haben, auch wenn er nicht ganz sitzt. Für Buben gilt dasselbe, die stehen auf Baumeister-Schuhe.» Über die modische Leidensfähigkeit legen schon Aschenputtels Schwestern Zeugnis ab: Ruggediguh, Blut ist im Schuh!

Arme Eltern, was sollen sie bloß tun? «Ganz einfach: Stellen Sie ihr Kind auf einen Karton, zeichnen Sie möglichst eng die Umrisse der Sohlen nach und geben Sie am höchsten Punkt noch 15 Millimeter dazu», rät Nitschky. «Ein Kinderfuß wächst schnell, bis zu drei Größen pro Jahr.»

Nun sollte die Fußgröße ganz genau mit der Innengröße des Schuhs übereinstimmen. Weder eine Nummer zu groß, noch eine Nummer zu klein. Auch wenn das zwei bis drei Schuhkäufe im Jahr bedeutet. Aber das kommt immer noch günstiger als Einlagen, die niedergelassene Orthopäden viel zu oft verschreiben. Hier geht es lediglich um Prävention. Reinhard Kalb

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