Jeder Straßenmusiker fand beim Bardentreffen sein Publikum
30.7.2012, 08:38 UhrDas traurige Schicksal eines der berühmtesten Vertreters seiner Zunft: der Barde Troubadix wird, sobald er die Stimme erhebt und die Harfe streicht, flugs mundtot gemacht und an einen Baum gebunden. Niemand weiß seine Kunst zu würdigen, es sei denn, um sich die Begleiterscheinung seiner Kunst – Regen, Blitz und Donner – im Kampf gegen den Feind zu Nutze zu machen. Von einem Fest wie dem Bardentreffen hätte der gallische Comic-Held nicht zu träumen gewagt.
Ob Profis oder blutjunger Anfänger, einheimisch oder auswärtig, als Gruppe oder Solist, mit viel Technik oder ganz ohne – hier findet jeder seine Bühne. Und sein Publikum. „Me and Reas“, der Nürnberger Singer/Songwriter Andreas Jäger, hat sich dafür stimmgewaltige Verstärkung mitgebracht, die ihn am Samstagabend vor dem Hotel Pillhofer unterstützt. Ein paar Meter weiter ist davon jedoch nichts mehr zu hören. Drei goldüberzogene Statuen stehen auf ihren Podesten und spielen Jazz, sympathisch fordern Münzeinwurf-Boxen mit der Aufschrift „Start 1€“ zur Spende auf. Die wiederum hat der Liedermacher Mark Gillespie kaum nötig.
Der englischstämmige Gießener tourt seit Jahrzehnten mit seiner Band oder gemeinsam mit Flötist Tom Droste durch die Welt, findet jedoch alle Jahre wieder seinen Weg in Nürnbergs Fußgängerzone. Die Leute sind sichtlich berührt von Gillespies Gesang, den er mit der Gitarre begleitet, und lassen sich nicht ablenken von den wilden Rhythmen, die ein afrikanischer Trommler wenige Meter weiter entfacht. Derweil macht eine mongolische Volksmusikgruppe, die ihren Platz vor der Lorenzkirche bezogen hat, erst einmal eine Erholungspause. Beeindruckend ist schon allein, dass die vier Musiker bei den tropischen Temperaturen tapfer in voller Tracht auftreten.
Rolf Althammer hingegen verzichtet auf jegliche Schnörkel und konzentriert sich ganz auf die fränkische Mundart, in der er seine Lieder vorträgt. Ebenso folkloristisch: die Nürnberger Truppe „Betsy’s Fancy“, die sehr unfränkisch in Schottenröcken irische Volkslieder zum Besten gibt.
Alte Hasen im Business sind zwei 12- und 9-jährige Brüder, die sich mit ihren Blasinstrumenten schon zum dritten Mal ordentlich das Taschengeld aufstocken. „Das Bardentreffen ist einfach eine super gute Gelegenheit, sich Leuten zu präsentieren, und das auch noch in einer einzigartigen Atmosphäre“, sagen die vier Jungs von „Sound Organic Matter“, die ebenfalls im dritten Jahr dabei sind.
Lukas Pieper gehört mit seinen 15 Jahren schon zu einer wahren Institution der Veranstaltung und beeindruckt seit bereits fünf Jahren mit seinen Schlagzeugkünsten. In denen übt er sich neuerdings in einem Proberaum, worüber „meine Eltern schon ganz froh sind“.
Erleichtert ist man irgendwie auch, vom Kult-Trasher „Else Admire“ wieder losgekommen zu sein, um sein Gehör bei „The Art of Fusion“ wieder zu entspannen. Die atmosphärischen, verzaubernden Klänge, die Rafael Sotomayor den „Hangs“, gänzlich unscheinbaren, speziellen Metallwannen entlockt, ziehen alle Passanten am Hans-Sachs-Platz sofort in ihren Bann.
Ein schier unüberschaubares Angebot verschiedenster Musikrichtungen hat sich wie ein Netz zwischen Hauptbahnhof und Burg gelegt. Sehr selbstbewusst präsentieren die Künstler sich und ihr Repertoire, genießen das stetige Kommen und Gehen, lassen sich von ein bisschen Regen nicht abschrecken und tragen auch in diesem Jahr abseits der großen Bühnen dazu dabei, dass Bardentreffen zu einem einzigartigen musikalischem Ereignis zu gestalten. Geknebelt? Wird hier garantiert niemand.
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