Zuhause beim Christkind: Barbara ist ein echtes Multitalent
16.11.2015, 14:55 Uhr
Endlich! Familie Otto hatte auf das Amt gewartet. „Ich habe früh verstanden, dass das Christkind gewählt wird“, erinnert sich Barbara Otto. „Wir sind oft zur Markteröffnung gegangen. Die Idee hat mich nie mehr losgelassen.“ Das beweist eine Schranktür in ihrem Jugendzimmer. Acht Autogrammkarten von Christkindern kleben da. Bei den letzten vier war Barbara alt genug, um mit den Darstellerinnen zu reden. Wie machst du das, wie gefällt es dir?
Wenn sie ihren Vorbildern zur Adventszeit begegnete, trug sie manchmal selbst ein Kostüm, ein simples, weißes Kleid. Sechs Jahre lang spielte das Mädchen einen Begleitengel für den Nürnberger Nikolaus, der karitative Besuche machte, nur weniger bekannt als das Christkind. Damals freute sich die Schülerin vor allem über die Süßigkeiten, die ihr zugesteckt wurden. Heute fühlt sie sich reif für die größere Aufgabe und das Goldgewand: „Das Christkind ist eine einzigartige Figur, die allein durch ihr Auftreten den Menschen Freude bringt.“ Sie sei stolz, das für zwei Jahre zu übernehmen. „Das haben vor mir nur 23 andere Frauen in Nürnberg geschafft.“ Irgendwie gilt auch umgekehrt: Das Amt hat auf diese Familie gewartet.
Weihnachtsdekoration das ganze Jahr
Die Ottos sind Sammler. Weihnachtsdekorationen in erstaunlicher Anzahl zieren das Wohnzimmer – ganzjährig. Es wichtelt und nikolaust, in Holz, Fensterbildern und Keramik, sogar die Streichholzschachtel wünscht frohe Weihnachten. „Wir leben lieber, statt aufzuräumen“, sagt Mutter Inge Otto entschuldigend. Kein Witz: Den Familienurlaub verbringen sie seit Jahrzehnten im Spessart, im Hotel „Zum Engel“.
Inge Otto ist Grundschullehrerin, ihr Mann Klemens Sittler Mittelschullehrer. „In den Ferien brauchen wir Ruhe.“ Deshalb basteln sie. Der Vater führt seine Glasperlensternchen vor. „Na ja, an Heiligabend ist’s vorbei“, sagte er im Rathaus, kurz nachdem seine Tochter gekürt worden war. Inzwischen sagt er: „Sind’s halt ein paar Termine mehr.“ Geht’s noch demonstrativ gelassener? Das habe seinen Grund, sagt Inge Otto. Als vor vielen Jahren eine Kollegin kurz nach Eintritt in den Ruhestand tödlich verunglückte, hätten sie beschlossen, „im Hier und Jetzt zu leben“.
Dieses Klima scheint Barbara, die Jüngste unter drei Geschwistern, mit Selbstsicherheit ausgestattet zu haben. Als in den sozialen Netzwerken kurz nach der Christkindwahl gehässige Kommentare zu ihrem Aussehen aufliefen, schaute sie die nicht an, sagt sie. „Ich will doch meinen Seelenfrieden nicht verlieren.“ Es sei halt modern, etwas im Internet zu „hypen“ oder zu „haten“. „Die Leute würden es mir nicht ins Gesicht sagen.“ Die Christkinder sind viel prominenter geworden in den letzten Jahren – Barbara Otto versucht, Privatperson zu bleiben, auch auf Facebook.
Unbefangen erzählt sie beim Presse-Hausbesuch trotzdem von sich. Ja, sie mache mit ihren Eltern immer noch gern klassisch-fränkische Volksmusik. Sie möge aber auch die Band Wise Guys, sei Fan der absurd-ironischen Bestsellerbücher der „Känguru-Chroniken“. Und: „Ich will jedes Land der Welt mal gesehen haben.“ Drei Wochen Schüleraustausch in den USA haben die Reiselust geweckt. Schon bevor sie im Sommer ihr Abitur an der Peter-Vischer-Schule ablegte, zählte sie zu den unternehmungslustigeren Schülern. Ministrantin, Hausaufgabentutorin, Jugendsanitäterin, Chormitglied, Tanzkurs, Fotokurs, Geige, Gitarre. Gleich mit 18 hatte sie den Führerschein.
Barabara ist kein Feiermensch
„Ich bin kein Feiermensch“, sagt sie, „aber ich gehe total gern mit Freunden in eine Bar, quatschen bis 3 Uhr früh.“ Die Schule: „War halt nötig.“ Sie habe nie „Schulkrisen“ geschoben, trotz Stress im achtjährigen Gymnasium, erzählt sie und klingt erwachsen. Eigentlich vermisse sie die Zeit jetzt sogar.
Zukunftspläne hat die Nürnbergerin, die sich als „freundlich und offen“ beschreibt, noch nicht gefasst. Ein freies Jahr soll Klarheit bringen. Gerade ging ihr Praktikum in der Regieassistenz am Opernhaus zu Ende; dabei betreute sie die Produktion der Kinderoper „Pinocchio“. Sie mochte das Theater, die Arbeitszeiten weniger. Also will sie 2016 in noch mehr Berufe hineinschnuppern: in einer Konditorei, bei einem Hörgeräteakustiker und beim Radio.
Barbara Otto ist der natürliche Typ Mädchen: trägt Jeans, ging früher viel reiten, backt gern, benutzt nur Wimperntusche. „Das Schminken muss ich jetzt üben“, erklärt sie selbstironisch. Vorgängerin Teresa Treuheit gehe mit ihr einkaufen, Skiunterwäsche natürlich, aber auch Glitzerstrümpfe und Make-up. „Nur Rouge kaufe ich bestimmt nicht.“ Sie wisse, dass ihre Bäckchen rot strahlen, ob vor Wärme, Kälte oder Freude.
"Ich will den Prolog auf meine eigene Weise vortragen"
Halbe Tage mit Fernsehteams auf den Fersen, der Ausblick auf 180 Auftritte in vier Wochen – der Rummel konnte dem zierlichen neuen Christkind bisher offenbar nichts anhaben. „Ich wusste, worauf ich mich einlasse, ich nehme das so hin.“ Nicht zu viel planen. Das könne schnell gestelzt wirken. Bis zur Eröffnung des Christkindlesmarkts am 27. November bekommt sie Sprechtraining im Schauspielhaus. „Ich will den Prolog auf meine eigene Weise vortragen“, kündigt sie an. „Ohne meine Vorgängerinnen zu kopieren“ und „ohne Singsang“.
Wenn ihr etwas Sorge macht, dann im Moment nur, ob ihr in einer Live-Fernsehsendung mit Schlagermoderator Florian Silbereisen wohl Antworten auf Kinderfragen einfallen werden. Für diese Schlagfertigkeit sollte gesorgt sein. Von der Wahljury wurde Barbara Otto gefragt, wie sie einem Zugereisten die kurze Beschaffenheit der „Drei im Weckla“-Bratwürstchen erklären würde. „Die passen halt genau da rein“, sagte sie und grinste.
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