30 Jahre auf Weltreise: Fränkisches Paar lässt sich von Corona nicht aufhalten
30.11.2020, 12:47 Uhr
Eigentlich wären Sie jetzt auf dem Landweg nach Südostasien, stattdessen sitzen Sie 150 Kilometer nördlich des Polarkreises im Wohnmobil am Polarmeer, wo es dauernd regnet und schneit und schon um 14 Uhr finster ist. Wie ist die Stimmung in diesem verrückten Jahr?
Die ist gut, weil wir immer flexibel auf alles reagieren können – das ist extrem wichtig bei unserem Lebensstil. Als sich Corona im Frühjahr als Problem abzeichnete, waren wir in Deutschland, hielten Vorträge, bereiteten unsere große E-Bike-Tour durch Asien vor. Wir wollen mit dem Offroad-Camper 30 000 Kilometer über Sibirien, die Mongolei und China bis Kambodscha fahren und dann in zwei Jahren 20 000 Kilometer durch Asien radeln und mit Elefanten leben. Die Reise trotz Corona anzutreten und dann irgendwo den teuren Wagen zurücklassen zu müssen und für ungewisse Zeit heimzufliegen, war uns dann doch zu fahrlässig.
Nun also Norwegen bei geschlossenen Grenzen.
Europa und Skandinavien hatten wir uns fürs Alter vorgenommen. Als wir zu einem Offroad-Fahrertraining über Norwegen an den russischen Polarkreis fuhren, sagten wir: Was für ein schönes Land. Anfang August waren wir dann zurück und radelten unter anderem ans Nordkap. Wo normalerweise in einem Jahr über 300 000 Touristen Selfies machen, standen wir ganz alleine, nur unser Hund war noch da. Das ist doch auch toll!

Wäre nun nicht ein guter Zeitpunkt, mal für länger heimzukommen?
Wir fahren jetzt Stück für Stück zurück nach Behringersdorf und wollen Weihnachten daheim sein, bei der Familie.
Sicher schmieden Sie aber schon wieder Reisepläne.
Plan B für 2021 könnte ein Europatrip sein, auch auf unserem schönen Kontinent sind nämlich noch große Abenteuer möglich. Bis dahin haben wir aber genug zu tun. Ich schreibe zum Beispiel gerade ein Buch über die Norwegentour. Corona wird unsere große Reise, die mindestens noch zehn Jahre dauern soll, aber nicht aufhalten, da hätten wir schon oft aufgeben müssen.
Warum sind Sie so rastlos?
Das Reisen ist unser Lebensmodell. Nicht weil wir vor etwas weglaufen, wir sehen es eher als lebenslanges Lernen, als Studium und ständige Herausforderung an Geist und Körper. Unsere Reisen sind auch eine Dokumentation der Erde für spätere Generationen. Wir zeigen, wie gebrechlich der Planet ist, wie erhaltenswert.
Heimatlos sind Sie aber nicht.
Wir kennen unsere Wurzeln und können heute viel besser Kontakt halten, das macht auch lange Reisen leichter. Früher zahlten wir schon mal neun Dollar für ein Fax nach Deutschland, heute ist von fast jedem Ort der Welt ein Videotelefonat möglich. Wir sind in sozialen Medien präsent, bekommen Nachrichten mit und streamen uns Hörbücher oder Filme, wenn uns danach ist.
Und wir kommen immer gern nach Deutschland zurück und sagen nicht, hier ist alles Scheiße. Wir haben so viel Elend in der Welt gesehen, wo sie teils ohne jede soziale Absicherung dahinvegetieren. Im Verhältnis dazu geht es selbst den ärmsten hier vergleichsweise gut. In Deutschland musst Du nicht auf der Straße verrecken.
Wie stark ist Ihre Bindung nach Franken?
Hier haben wir ein Haus, hier leben unsere Familien und Freunde. Wir sind echte Franken und gern daheim, kommen regelmäßig mindestens alle zwei Jahre eine Zeit lang zurück – auch, um die Kontakte nicht zu verlieren. Ich freue mich dann immer auf ein gescheites fränkisches Bier und eine gute Brotzeit und darauf, mal wieder die Fränkische Schweiz zu sehen. In Franken kann ich mir natürlich auch meinen Lebensabend vorstellen.

Sie können die Zeit daheim aber vorerst nicht nutzen, um etwa Vorträge zu halten, mit denen Sie ja auch Geld verdienen. Ist das finanziell eine Katastrophe?
Als professionelle Reisende sind wir an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden im Dienst. Wir posten dauernd in sozialen Medien, betreuen die Webseite, bearbeiten Fotos, schreiben Bücher und halten Vorträge, haben einen Podcast, kümmern uns um 40 Sponsoren und geben Interviews. Das macht uns zum Glück auch in solchen Zeiten unabhängig.
Nun wurde die große Asienreise mit dem E-Bike nur verschoben. Ist das Extremreisen mit Unterstützung durch Akku und Elektromotor auch dem fortgeschrittenen Alter geschuldet? Sie werden 61 im Januar. . .
Danke, ich bin noch fit genug. Dass wir uns für E-Bikes entschieden haben, hat andere Gründe. Wir schleppen eine schwerere Ausrüstung als früher mit uns herum. Mindestens zwei Laptops, falls eines kaputt geht. Ich mache keine Handyknipserei, sondern habe eine professionelle Kamera-Ausrüstung, inzwischen auch eine Drohne. Wir brauchen Solarpanels, Akkus und all die lebensnotwendigen Dinge. Mit Hund, Anhänger und Fahrad kommen 150 Kilogramm auf die Waage – pro Gespann und ohne Fahrer. Das kannst Du mit einem normalen Rad kaum noch über steinige Bergpisten ziehen. Da gingen auch die Knie kaputt.
Sind E-Bikes denn überhaupt schon robust genug für Ihre harten Ansprüche?
Nun, wir haben Sponsoren, die uns mit dem besten Material ausstatten, das es derzeit gibt. Ein Rad kostet da schnell so viel wie ein gutes Motorrad. Wir bekommen immer die neuesten Modelle, die Räder werden nach meinen Vorstellungen konfiguriert und mit mir zusammengebaut. Ein Elektromotor hält im normalen Betrieb in Deutschland vielleicht zehn Jahre, bei uns eventuell nur eineinhalb. Die Hersteller testen dabei natürlich auch das Material auf Anfälligkeiten und schicken mir bei Bedarf an fast jeden Ort der Welt Ersatzteile. Da müssen wir dann manchmal warten, aber wir sind ja flexibel und erledigen dann unsere Büroarbeit. Jedenfalls ist nach allem, was wir ausprobiert haben, das E-Bike für uns das perfekte Reisemittel. Damit schaffen wir 100 Kilometer am Tag, sind aber noch langsam genug, um alles mitzubekommen, was am Wegesrand passiert. Und es bringt uns Sympathie ein.
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Was war bis dahin das coolste Fortbewegungsmittel auf all Ihren Reisen?
Ganz klar das Kamel. Elefanten waren zwar auch toll, doch zum Reiten werden sie eigentlich nur ausgebeutet. Kamele hingegen wollen durch die Steppe und die Wüste ziehen. Wir haben uns daher als Kamelmeister ausbilden lassen und sind mit unserer eigenen Karawane von 1999 bis 2004 über 7000 Kilometer kreuz und quer durchs australische Outback gezogen. Als längste Kamelexpedition in der Geschichte des Landes brachen wir damit einen Weltrekord. Die intelligenten Tiere sind auf so einer Reise der beste Partner.

Wie hat sich das Reisen verändert?
Es ist oft hektischer und voller geworden, die Bevölkerung ist mancherorts explodiert. Und viele Reisende sitzen abends nicht mehr als lustiges Grüppchen beim Bier und rekapitulieren das Erlebte, sondern glotzen still in ihre Smartphones. Das ist völlig ballaballa. Andererseits hat uns diese Technik natürlich auch viel erleichtert.
In welches Land wollten Sie keinen Fuß mehr setzen?
Auf Madagaskar haben wir schlimme Sachen erlebt, unter anderem wurde neben uns jemand mit einem Speer erstochen. Als wir vor 30 Jahren durch China reisten, begegneten uns neun von zehn Menschen feindselig, wir wurden zum Teil sogar geschlagen – die Abschottungspolitik hat die Menschen so indoktriniert. Doch es hat sich so viel verändert in den Ländern. Als wir etwa Jahre später mit dem Fahrrad und einem Freibrief des chinesischen Botschafters ohne Aufsicht durchs moderne China reisten, waren alle nett und neugierig.

Manche vertilgen die Spargelspitzen erst am Ende. Wo krönen Sie Ihr Reiseprojekt?
Vielleicht in Neuseeland. Wenn denn die große Reise in zehn Jahren wirklich schon vorbei ist. Wir werden unsere Touren aber sicher dem Alter anpassen und nicht mehr ganz so extrem unterwegs sein. Es ist alles im Flow. Ich bete jeden Tag, dass wir unseren exorbitanten Lebensstil noch lange weiterführen können.
Interview: Matthias Niese

Vita:
Tanja und Denis Katzer haben Haus und Heimat in Behringersdorf bei Nürnberg. Sie ist Reiseverkehrskauffrau, er war Einzelkämpfer bei der Bundeswehr, später Büromaschinenmechaniker. 1991 begannen Sie ihre „Längste dokumentierte Expedition in der Geschichte der Menschheit“. Sie zehren persönlich davon und verdienen mit Vorträgen, Büchern, Sponsoring, Postings und Podcasts ihren Lebensunterhalt.
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