Auf der Vespa zum Gardasee knattern

12.8.2017, 08:00 Uhr
Auf der Vespa zum Gardasee knattern

© Matthias Niese

Gleich nach der Kurve reißt Raphael die Hände hoch – reichlich lebensgefährlich, wenn man auf kleinen Rollerrädern gerade mit 70 Sachen aus der Schräglage kommt. Von hinten jubelt Wolfgang, auch er ist überwältigt von dem Anblick, der ihm rechts zu Füßen liegt. Endlich, nach so vielen Jahren, sind wir am Ziel, sind mit der Vespa zum Gardasee gefahren. Dort unten glitzert er verheißungsvoll wie ein Fjord in gewaltiger Bergkulisse.

Der Gardasee - er war immer zu weit für ein verlängertes Wochenende auf den bis zu 60 Jahre alten Rollern mit ihren gut zehn PS starken Zweitaktmotoren gewesen. Auf denen tut einem schon nach drei Stunden der Hintern weh. Darum haben wir heuer etwas getrickst, haben die Vespas in VW-Busse gezurrt und sie in Dorf Tirol bei Meran in Südtirol wieder ausgeladen. Nun sind es hin und zurück nur noch rund 300 Kilometer über Pässe und auf Traumstraßen - nah genug, um früh aufzubrechen, einen Cappuchino am Nordzipfel des Sees in Riva del Garda zu trinken und nach drei Kugeln Eis wieder bergauf über Trient und die Südtiroler Weinstraße ins ferne Quartier zu knattern.

Immerhin gut 100 Kilometer pro Stunde fährt so ein Roller mit 125 bis 200 Kubikzentimetern Hubraum. Doch Vespafahrer cruisen eher, sie sind Genießer. Ihnen geht es nicht primär ums Ankommen, sondern um die Fahrt als großartiges Erlebnis. Schneller als 80 fahren sie kaum.

Wenn sich Vespafahrer begegnen, grüßen sie sich voller Inbrunst. Motorradfahrer und Vespafahrer hingegen grüßen sich nicht. Wenn aber Vespapiloten etwa den 1518 Meter hohen Gampenpass und erst recht - wie tags zuvor - das 2509 Meter hohe Timmelsjoch hinaufrattern, recken ihnen die unzähligen Motorradfahrer respektvoll den Daumen hoch und bewundern, was man mit den zierlichen Gefährten alles locker leisten kann.

Und wenn zehn Vespafahrer vom Gampenpass kommend in flotter Fahrt Kurve um Kurve nehmen, dabei sogar Autos und Motorräder überholen und im Städtchen Fondo hinter der Grenze zum Trentino ihre Wespen auf der sehr hübschen und sehr italienischen Piazza abstellen und lässig einen Espresso trinken?

Auf der Vespa zum Gardasee knattern

© Matthias Niese

Dann staunen sogar Italiener über diese sonderbaren Teutonen, die soeben von Norden mit stilvollen Oldtimern und lautem Räängtängtäng eingefallen sind. Die Einheimischen erinnern sich an ihre ersten Roller, die sie so häufig nach Deutschland verkauft haben und zücken wehmütig ihre Kameras.

Nach einem letzten Plausch geht es fortan über 90 Kilometer nur noch bergab bis zum Gardasee, so dass man am liebsten den Leerlauf einlegen und ohne Motorkraft dahinrollen mag.

Südtirol und das Trentino sind die idealen Landschaften für ausgedehnte Motorradtouren, entsprechend viele Zweiräder aus Italien und vor allem aus Deutschland sind hier unterwegs. Und entsprechen viele Karten mit Tourenvorschlägen wurden aufgelegt. Ein Pass löst den nächsten ab, danach führen die Straßen steile Hänge entlang mit weiter Aussicht über Täler, Seen und in die Berge.

Spannend ist die Region auch wegen ihrer Lage beiderseits der Grenze zwischen deutsch(sprachig)er und italienischer Kultur. Fuhren die Vespas eben noch durch ein Tiroler Dorf mit aus Holz geschnitzten Balkonen voller Geranienkästen, knattern sie schon im nächsten Ort durch enge Gassen zwischen Häusern mit Fensterläden, mit Espressobars und typisch italienischem Leben auf den Straßen. Kein Gefährt passt hier besser hin als die Vespa, die mit ihren wollüstigen Formen stilsicher den Soundtrack der Dolce Vita dazu spielt.

Einer unserer Roller bläst dabei zu sehr ins Horn; plötzlich fliegt die Zündkerze wie ein Geschoss aus dem Zylinderkopf. Das Gewinde war durchgenudelt. Der Fahrer ist der letzte, und erst ein gutes Stück weiter merkt die Gemeinschaft, dass jemand fehlt. Irgendwie kann er die Kerze auch ohne Werkzeug wieder eindrehen und weiterfahren. Dann rutscht einem anderen der Vergaser vom Stutzen. Doch nach zehn Minuten sitzt er wieder fest. Gut, dass die alten Damen so simpel gestrickt sind und man sich meist irgendwie selbst helfen kann.

Auf der Vespa zum Gardasee knattern

© Matthias Niese

Hinter Andalo wird die Vegetation immer mediterraner, die Temperatur steigt auf 28 Grad. Nun muss der Lago die Garda doch bald auftauchen! Ab dem Tennosee windet sich die Straße in steilen Serpentinen hinab, dazwischen wachsen Orangen- und Olivenbäume. Der Puls schlägt heftig vor lauter Aufregung. Endlich zeigt sich der heiß ersehnte See.

Die Stunde am Ufer bei Eis und Kaffee macht Lust auf mehr: Eine der nächsten Reisen wird direkt hierher führen. Dann werden wir den See umrunden, und ein Ausflug wird nach Verona führen. Wir müssen doch unbedingt mal die Vespa unterm Balkon von Romeo und Julia parken.

Mehr Informationen:

www.visitgarda.com

 

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