Flusskreuzfahrt auf der Rhone: Zum Meer treiben
14.04.2018, 08:00 UhrEin Steward schickt mich zur Sicherheitsunterweisung an Deck. Mein Blick schweift über die Silhouette der drittgrößten Stadt Frankreichs. Zum Fourvière-Hügel, auf dem die weithin sichtbare Basilika Notre-Dame mit spitzen weißen Türmen thront. Und über den mächtigen Strom, der sich vor mir ausbreitet. Ein bisschen albern kommt einem das ganze Sicherheitsgedöns ("Pardon, Madame, leider Pflischt für alle!") in der vollen Lounge vor: Ein modernes Kreuzfahrtschiff, ausgerüstet mit al- len Sicherheitsschikanen und die ganze Fahrt immer nur einen Steinwurf vom Ufer entfernt. Was soll da passieren? Aber als der Kapitän die Motoren anwirft und wir mit beachtlicher Strömung wie ein Delfin Richtung Süden schnellen, beruhigt die Routine doch.
In der einsetzenden Abenddämmerung ist bald nichts mehr vom Treiben an Land zu erkennen. Zeit für das erste gemeinsame Dinner an Bord mit 173 anderen Passagieren. Abgestimmt auf die jeweilige Region, die wir gerade durchfahren, wird Typisches serviert. Heute: Bresse-Poularde, Fischfilet-Gratin in Muschel-Muscadet-Sabayon, Kartoffelstampf mit Roquefort. Zum Dessert Käseplatte und Pralinen-Mousse mit Brombeeren. Viel besser hätte man das im sogenannten Bauch von Lyon, den berühmten Gourmet-Hallen des unlängst verstorbenen französischen Sternekochs Paul Bocuse, auch nicht komponieren können. Zeit für einen Verdauungs-Pastis an Deck. Und Zeit, in den Flussreisemodus umzuschalten, während vom Nachthimmel südliche Sternbilder blinken: Savoir-vivre, Laissez-faire, alles im Fluss!
Am nächsten Morgen bläst zur Begrüßung ein ordentlicher Mistral. Auch les ventes des foux genannt, Wind, der verrückt macht. Lavendel soll da helfen. Immerhin eine alte Heilpflanze aus Persien. Die berühmten Lavendelfelder der Provence werden wir aber erst mittags beim Landausflug sehen. Einstweilen schieben sich vier mächtige, bunt bemalte Kühltürme ins Bild, die zu einer der größten Atomanlagen Frankreichs gehören: Cruas. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, weil das Handy schon seit geraumer Zeit keinen Mucks mehr macht. Auch nicht bei den Mitreisenden. "Normal", beruhigt mich Kreuzfahrtmanagerin Anett Prinz. "Hier auf dem Fluss hat man fast nie ein Netz, wa? Jenießen Sie‘s!", rät mir die Berlinerin pragmatisch.
In Viviers gehen wir an Land und spüren in der fast vollständig erhaltenen Altstadt dem Einfluss des einstigen geistigen Zentrums von Frankreich nach. Andere Passagiere nehmen den Bus zum Fluss Ardèche mit seinen spektakulären Schluchten. Dort paddeln sie im Pulk mit täglich bis zu 2000 Kajaks durch den kleinen Bruder des Grand Canyon und den ihn überspannenden, kolossalen Felsbogen Pont d’Arc.
Die Fahrt zu den Lavendelfeldern hätte ich mir schenken können: alles bereits abgeerntet. Immerhin tragen die Häuser hier den leuchtenden Lavendelton im Anstrich ihrer Fensterläden, als hätten sie eigens für unseren Besuch ein wenig Lidschatten aufgetragen.
Kräuter duften um die Wette
Am nächsten Morgen in Avignon: Stadtrundgang mit Besuch des klotzigen Papstpalastes? Und nachmittags wieder mit dem Bus los? Diesmal zum von den Römern erbauten Aquädukt Pont du Gard (ein Muss!). Oder hinter Uzès einen Blick in die angrenzende Garrigue werfen, jenes typische Buschland, in dem die Kräuter der Provence, aber auch Zedern, Zistrosen, Echte Färberröte und 18 wilde Orchideenarten um die Wette duften.
Abends springe ich vor dem Ablegen schnell noch in die Gondel des Riesenrads direkt neben der Anlegestelle. Aus 50 Metern Höhe habe ich den perfekten Blick über die Papststadt und ihr Wahrzeichen: die (halbe) Brücke von Avignon. Die andere Hälfte ging 1660 leider bei einer gewaltigen Flutwelle quasi den Bach hinunter, wie mir mein Gegenüber in der heftig schaukelnden Gondel verrät.
Hoppla. Sprang da nicht gerade ein riesiger Wels unter uns aus dem Wasser? "Der Fluss ist ziemlich sauber und fischreich, die können locker zwei Meter werden", bestätigt Sous-Chef Kyril später im Speisesaal. In seiner Freizeit hat er hier schon manches Exemplar geangelt.
Der Trip am nächsten Tag nach Marseille erweist sich dagegen als überflüssig - außer der endlosen Busfahrt zum Hafen in Port St. Louis bringt er wenig. Die Fahrt in das riesige Sumpfdelta der Camargue mit dem alljährlichen Marienspektakel in Saintes Maries de la Mer bleibt dagegen unvergesslich. Gar nicht zu vermeiden, dass wir den Busfahrer zur Verzweiflung treiben, weil wir an jeder Kurve einen Fotostopp fordern, um die berühmten weißen Pferde zu beobachten. Die rosa Flamingos und die schwarzen Stiere, die hier für die Arenen gezüchtet werden. Angesichts Myriaden von Mücken draußen vor den Scheiben war ich dagegen noch nie so froh, dafür im Bus bleiben zu dürfen.
Tag sechs. Die A-rosa-Luna ist längst wieder auf dem Heimweg. Die Route ist so getaktet, dass man nun vieles sieht, was einem auf der nächtlichen Hinfahrt im Dunkeln verborgen blieb.
Noch ein letzter Landgang in Tournon-sur-Rhône. Und ein paar zauberhafte Stunden in "Le Jardin d’Eden": ein wildromantisches Refugium mit seltenen Blumen, Bäumen, Teichen und wasserspeienden Putten. Das Besitzerehepaar hat das verwinkelte Areal in den alten Befestigungsanlagen der Stadt Meter für Meter abgetrotzt. Und aus dem Klostergärtlein eines Franziskanerordens einen verwunschenen Garten Eden gezaubert. Ein Traum, aus dem einen die Schiffssirene unten am Kai viel zu früh herausreißt!
Endspurt Richtung Lyon. Noch ein letztes Abendessen, nur eine Handbreit über der Wasserlinie. Was denn, das soll nach rund 650 Kilometern auf der Rhône schon alles gewesen sein? Dass sich die Entdeckung der Langsamkeit bei mir nicht einstellte, daran bin ich selber schuld. Man hätte zu den ganzen Ausflügen ja auch Nein sagen können. Vielleicht beim nächsten Mal? "Au revoir, Madame, bon voyage!", verabschiedet mich der schöne Daniel Craig, als ich meine Koffer von Bord schleppe. Pardon, das war ja leider auch nur ein Traum.
Mehr Informationen:
www.a-rosa.de/kreuzfahrten, die diese Reise unterstützt hat
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