Unterwegs auf der "Route 66" Portugals

29.6.2019, 08:00 Uhr
Unterwegs auf der

© Christian Mückl

Diese Straße kam schon mancher wilde Vogel runter. Und damit sind nicht nur die unzähligen Störche gemeint, die in der Region südlich des Flusses Tejo ihre Nester auf den Masten der Fernleitungen bauen. Gerade so, als suchten sie Stromanschluss.

Auch einer wie Thomas Cölle erreichte vor gut 30 Jahren über die alte Nationalstraße N2, also die "Route 66" Portugals, die grünen Herzkammern des Hinterlands. Frankreich und Spanien hatte der gebürtige Bremer da bereits hinter sich gelassen – aber den Wohnwagen am Traktor immer noch hintendran. Aussteiger? Das Wort mag er nicht. "Ich bin Abenteurer", sagt der 64-Jährige, dem wir in einer Gasse des Schieferdorfes Fajão begegnen, das sich in den Hügelhöhen der Region Centro an den Berghang schmiegt.

Der Aussteiger und Abenteuerer Thomas Cölle kam vor mehr als 30 Jahren über die Nationalstraße 2 ins Schieferdorf Fajao.

Der Aussteiger und Abenteuerer Thomas Cölle kam vor mehr als 30 Jahren über die Nationalstraße 2 ins Schieferdorf Fajao. © Christian Mückl

Die Stunden im südlichen Licht sieht man dem gelernten Schreiner an. Und wohl nicht nur die Dorfkatzen finden seine Flatterhosen zum Herumscharwenzeln interessant. Heuer im September wird der Lebenskünstler und Selbstversorger zum zehnten Mal Vater. Fajão ist der Ort, wo sein Traktor, aber auch sein Traum vom anderen Leben einen Parkplatz fand.

Die grau in der Sonne glänzenden Schiefersteinhäuser liegen mit kleinen Blumengärten wie verwunschene Inseln in ausgetrockneter Mittelgebirgslandschaft – einer kargen Erde auf Rehabilitation. Die Feuer des Hitzesommers 2017 verpassten den Panoramahöhen eine Brandmarkung.

Cölle hat seine eigene Meinung zur Katastrophe – er macht die wasserraubenden Monokulturen der Eukalyptusplantagen verantwortlich, die den Boden auslaugten, im Dienste der Zellstoffindustrie. Ein gefundenes Fressen für züngelnde Flammen.

Gleichzeitig wäre ein Kerl wie Cölle, der unter anderem schon Hirte war, Pferdebesitzer und Tabakgärtner, nicht er selbst und wohl kaum immer noch vor Ort – setzte er nicht auf alternative Ideen. Also pflanzt er Eichen. Und das sind in Portugal nicht irgendwelche Gewächse, sie prägen und bewahren seit jeher ein gutes Landschaftsbild.

Korkeichen fangen den Blick

Wollen wir die alte Lady, die Nationalstraße 2, als Hauptdarstellerin unserer Reise bezeichnen? Dann sind die Korkeichen an den Straßenrändern mehr als nur Komparsen. In Alleen und weißgelben Feldern fangen die Charakterbäume den Blick.

Dabei hat die N2 viele Gesichter. Anders als die Nationalstraße N1, die am Atlantik entlang von Porto Richtung Lissabon verläuft, geleitet die Inlandsroute von Chaves an der Grenze zum spanischen Galicien nach Faro an der Algarve durch eine Landschaft mit Überraschungen hinter mancher Kurve. Motorradfahrer haben die schlummernde Schönheit der Uferstraßen in der Weinregion des Flusses Douro bereits für sich entdeckt. Neun von elf portugiesischen Weinsorten haben hier ihren Ursprung.

Wer die Tour von Porto aus startet, sieht das Logo des Portweinherstellers Sandeman – schwarzer Umhang, Sombrero – immer wieder in den Hängen. Nimmt man sich die Zeit, die N2, die seit 1945 durchgehend geteert ist, mit dem Fahrrad zu bereisen, dauert das vom pinienbewachsenen Norden bis zum sandigen Süden rund zwei Wochen.

Über längere Abschnitte gibt es bereits einen attraktiven Radweg parallel zum neuen Asphalt. Schon Napoleon machte sich Anfang des 19. Jahrhunderts übrigens die Wegführung der N2 zunutze – wenngleich nicht aufgrund landschaftlicher Reize.

Aus heimischem Granit gebaut bieten Städte des Centro wie Viseu mit seiner Kathedrale oder Abrantes mit seiner Festung über dem Tejo Herbergen in historischem Ambiente. Weiter gen Süden, in der Region Alentejo, wird die Gegend ebener. Hier verläuft das "Tal der Korkeichen", hier erstreckt sich der aufgestaute Fluss Mora bei Montargil. Vor Faro ist eine letzte Hügelstrecke zu bezwingen, wo 365 Kurven lauern. Wie es heißt: für jeden Tag des Jahres eine.

Wer vorher schon die Glocken läuten hört, nähert sich bestimmt Alcáçovas mit seiner Kuhglockenmanufaktur. Die aus Dung und Messing in Handarbeit gefertigten Klangschalen zählen zum immateriellen Kulturerbe der Unesco. "Es gibt immer jemanden, der so etwas braucht", verrät Schlosser Nuno Grosso. Der 30-Jährige beherrscht die altüberlieferte Kunst noch.

Um das "Tuning" kümmert sich ein Musiker unter den Handwerkern, damit jede Herde ihren individuellen Klingelton erhält. Neben Kuhglocken werden auch Klöppelgehäuse für Rinder, Ziegen, Truthähne und sogar Hühner gemacht. Diese Straße kam schon mancher wilde Vogel runter...

Mehr Informationen:

Olimar Reisen

www.olimar.de,

die diese Reise unterstützt haben.

Anreise:

Flug mit tap – Air Portugal ab München oder Frankfurt

zum Beispiel nach Porto über Lissabon

www.flytap.com

oder mit Ryanair

ab Nürnberg nach Porto

www.ryanair.com

Günstig wohnen:

Herberge in Porto

"The House of Sandeman"

thehouseofsandeman.pt

Luxuriös wohnen:

Hotel Pousada de Viseu

im historischen Gemäuer des ehemaligen Hospitals von Viseu

www.pousadadeviseu.com

Beste Reisezeit:

Juni bis September

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