Biologische Waffe im Krieg gegen die Motten
27.6.2011, 16:36 UhrDamit neble ich die Motte ein. Wegen ihres gaukelnden Fluges käme ich ihr mit der Fliegenpatsche nur schlecht bei, aber dem Sprühnebel kann sie nicht entkommen.
Insekten haben keine Lunge. Sie atmen durch Löcher in ihrer Chitinhaut, den so genannten Tracheen. In die dringt der Alkohol ein. Die Motte taumelt zu Boden und haucht ihr Leben aus. Aus menschlicher Sicht ein angenehmer Tod! Besser jedenfalls, als sich in der Klebefalle zu Tode zu zappeln. Ja, Mitleid habe ich selbst mit Motten. Und die Pheromonfalle ist ohnehin kein probates Mittel, die Schädlinge zu bekämpfen. Sie kann höchstens die Dichte des Befalls anzeigen.
Außerdem fliegen ja nur die Männchen in die Falle. Die etwas größeren Weibchen sind schlechte Flieger und verbergen sich in dunklen Winkeln. Sie haben es nicht nötig, sich den Männchen zu zeigen, weil sie diese mit ihren Pheromonen anlocken. Das heißt, von zwei Mottenmännchen geht eines in die Falle, das andere findet sein Ziel. Nach vollzogener Paarung legt jedes Weibchen zwischen 100 und 250 Eier ab. Die daraus schlüpfenden Larven sind es, welche Löcher in alles fressen, was aus Wolle oder Seide ist. Nur das tierische Eiweiß Keratin, das in allen Tierhaaren enthalten ist, können sie verdauen. Reine Baumwolle, pflanzliches Eiweiß also, lassen sie in Ruhe. Mischgewebe fressen sie trotzdem. Und meine schönen alten Teppiche, keiner synthetisch, alle aus Wolle, die sind ein Festmahl für die Raupen.
Ach, was habe ich nicht alles ausprobiert! Zunächst einmal die chemische Keule: Mit Mottenpapier habe ich die Kleiderschränke, wegen der Pullover und Seidenkrawatten, regelrecht tapeziert. Unter jeden Teppich habe ich zehn Streifen Mottenpapier gelegt. Genützt hat es gar nichts.
Dann habe ich es auf die sanfte Tour versucht, mit naturgegebenen Mitteln: Würfel aus Zedernholz, Säckchen mit getrocknetem Lavendel oder, ganz exotisch, Patchoulikraut. Letztere ließen die Wohnung angenehm duften, aber: Genützt hat es gar nichts.
Schließlich und endlich machte ich mich schlau bei einem Nürnberger Insektenkundler und anschließend im Internet. Die Kleidermotten haben nämlich einen natürlichen Fressfeind: die Schlupfwespen. Diese Insekten verfügen über die grausamste Fortpflanzungsstrategie im gesamten Tierreich. Das Wespenweibchen sucht sich eine fette Raupe, lähmt diese mit seinem Giftstachel und legt dann seine Eier an oder in die Raupe. Wenn die Wespenlarven schlüpfen, fressen sie die Raupe bei lebendigem Leibe!
Ganz so grausam sind die so genannten Erzwespen oder Trichogrammen, die zu den Schlupfwespen gehören, nicht. Sie legen ihre Eier auf die der Motten, damit die Larven sich von den Eiern ernähren können, was aber im Endergebnis auch zum Ziel führt, und das Ziel heißt: Eine Wohnung ohne Motten! Diesem Ziel, glaube ich, bin ich einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
Ich habe mir also diese Fressfeinde im Internet bestellt, übrigens bei einer Firma in Wendelstein. Die Trichogrammen kamen per Brief und steckten zu Hunderten in kleinen Kärtchen, aus deren Seitenschlitzen sie herausmarschierten, sobald ich die Kärtchen in den dunkelsten und unzugänglichsten Winkeln der Wohnung platziert hatte. Nun laufen sie umher und suchen nach einem schönen Platz für ihren Nachwuchs...
In besagtem Brief lag ein Beipackzettel, der alles ganz genau erklärt. Auf diesem Zettel sah ich winzige Punkte, nicht größer als ein i-Tüpfelchen in diesem Text, und die bewegten sich. Ein Teil der Trichogrammen hatte also schon die Kärtchen verlassen. Ich schüttelte sie vorsichtig auf den Teppich und wünschte ihren Kindern einen gesegneten Appetit. Von ganzem Herzen!
Doch nichts ist ohne Nachteil. Hier ist es der Preis: 70 Euro kosten sechs mal vier Kärtchen. Wegen der unterschiedlichen Lebenszyklen von Motten und Schlupfwespen werden dem ersten Brief fünf weitere folgen, jeder mit vier Kärtchen, im Abstand von jeweils drei Wochen.
Nun fiel mir aber schon auf der Homepage der Firma sowie auf dem Beipackzettel auf, dass großer Wert darauf gelegt wird, die Kärtchen nur ja recht nahe an befallenen Stellen zu platzieren. Das klingt logisch, aber ich befürchte, dass sich hinter diesem Rat der Umstand verbirgt, dass die Trichogrammen keinen all zu großen Aktionsradius haben, sprich nicht sehr weit kommen. Wie sollten sie auch, die Winzlinge! Also habe ich jeweils acht statt vier Kärtchen bestellt, und das geht ins Geld. Vor allem, weil die Prozedur höchstwahrscheinlich Jahr für Jahr wiederholt werden muss.
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