Der Glanz des alten Adels schimmert noch immer

26.12.2011, 12:46 Uhr
Der Glanz des alten Adels schimmert noch immer

© Hermann Rusam

Von Norden kommend fließt ein Bächlein, der Tiefgraben, durch Erlenstegen der Pegnitz zu. Die einzige Stelle, an der diese Reichsstraße den Tiefgraben überqueren konnte, lag genau dort, wo auch die heutige B14 über das inzwischen kanalisierte Bächlein führt. Unmittelbar nördlich dieser Stelle, die zur Überwachung der Reichsstraße bestens geeignet war, entstand ein staufischer Reichsdienstmannensitz.

Auch wenn ein urkundlicher Beleg fehlt, spricht doch alles dafür, dass hier die so genannte Ministerialenburg jenes scultetus (=Reichsschultheiß) Giselherus de Erlinstegen zu suchen ist, der am 18. August 1216 als Zeuge in einer Schenkungsurkunde genannt wurde. Giselher war als Reichsschultheiß ein hoher Beamter des staufischen Königshauses. Er vertrat den König in dessen Funktion als Stadt- und Gerichtsherr von Nürnberg. Die Urkunde von 1216 ist ortsgeschichtlich von größter Bedeutung, wurde doch erstmals der Name von Erlenstegen genannt.

Doch nach dem Jahr 1216 schweigen die Quellen rund drei Jahrhunderte. Die vage Angabe von Daniel Paul Groland aus der Zeit kurz nach 1700, sein Geschlecht habe von unvordenklichen Jahren an den Sitz in ruhigem Posseß (=Besitz) gehabt, hilft kaum weiter. Alle uns bekannten Angaben, welche Besitzer des Schlosses für das 14. und 15. Jahrhundert belegen sollen, haben sich als unhaltbar erwiesen. Sicher ist nur, dass Jakob Groland der Ältere, gestorben 1515, der nächste bekannte Besitzer dieses heute Groland-Scheurlsches Schlösschen genannten Herrensitzes in der Erlenstegenstraße 111 war.

Die Groland, denen dann bis zum Aussterben ihres Geschlechts im Jahr 1720 der Sitz in Erlenstegen gehörte, entstammten eine angesehenen ratsfähigen Patrizierfamilie. Sie hatten sich im Fernhandel, als Goldschmiede und als Amtsleute der Münzschau hervorgetan. Nachdem sie einen weiteren Herrensitz erworben hatten, nannten sie sich auch Groland von Oedenberg auf Erlenstegen.

Der Glanz des alten Adels schimmert noch immer

© Hermann Rusam

Wie der älteste Herrensitz aussah, wissen wir leider nicht – außer dass er in einem runden, vom Tiefgraben gespeisten Weiher stand. Doch wohl noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bekam der Sitz ein neues Aussehen. Ein an den Schlossweiher angrenzender Zwinger mit Ecktürmchen umgab nun das auf einer Insel stehende Herrenhaus. Auf das Fachwerkobergeschoss wurden vier Nürnberger Eck-Erkerchen, auch Scharwachttürmchen genannt, aufgesetzt.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts standen die Groland „im Mannesstammt auf schwachen Beinen“. Die am Sitz nötigen Renovierungsarbeiten wurden unterlassen. Das Herrenhaus kam herunter, die Quaderstücke der Zwingermauer wurden anderweitig verwendet. Schließlich war auch der Schlossweiher „völlig eingegangen“.

„Der letzte seines edlen Geschlechtes“

Am 4. April 1720 starb Gabriel Paul Groland von Oedenberg auf Erlenstegen als „der letzte seines edlen Geschlechtes“. Nach alter Tradition wurde bei der Beisetzung in Mögeldorf der Wappenschild der Groland zerbrochen. Es erschallte der Ruf: „Heute Groland und nimmermehr!“ Dann wurde auch der Helm zerbrochen, und abermals erschallte der Ruf, wobei die Insignien „in das

finstere Grab“ geworfen wurden. Mit diesem Totenzeremoniell war für das einst namhafte reichsstädtische Patriziergeschlecht das Ende für immer gekommen.

Im Jahr 1720 acquirirete (=erwarb) der reichsstädtische Losungsrat Philipp Jacob Scheurl von Defersdorf auf Erlenstegen (1648 - 1725) den HerrenSitz Erlenstegen. Im Laufe der Zeit bürgerte sich bei der Bevölkerung der neue Name Scheurlschloss ein. Durch seinen Sohn, den reichsstädtischen Losungsrat Johann Karl von Scheurl, erhielt der „Reichslehenbahre HerrnSiz“ 1729/30, dem Stil der neuen Zeit entsprechend, eine barocke Umgestaltung. Scheurl ließ das Fachwerkobergeschoss mit den Nürnberger EckErkerchen abtragen und solches mit Steinen gar aufführen.

Der Glanz des alten Adels schimmert noch immer

© Hermann Rusam

Der Sitz erhielt ein Mansardendach mit zwei steinernen Erkern auf der Nord- und auf der Südseite. Die Anordnung der Fenster erfolgte völlig gleichmäßig. Im obersten Geschoss ließ Scheurl einen repräsentativen „Saal mit einem Camin machen“. Der ehemalige Schlossweiher wurde verfüllt und in einen Barockgarten umgewandelt. Von den steinernen Figuren dieses Barockgartens verschwand die letzte erst im 20. Jahrhundert. Am 13. September 1860 ging der Sitz dann in bürgerliche Hände über.

Der Herrensitz hat sein Erscheinungsbild weitgehend so in die Gegenwart herüber gerettet, wie er durch die Barockisierung von 1729/30 umgestaltet wurde. Die Lage inmitten des großen annähernd runden Gartes lässt noch immer das Bild des früheren Weiherhauses erahnen. Das Schlösschen ist nach wie vor eine Zierde des alten Ortsbildes von Erlenstegen. Zu Recht hat der Bürgerverein Jobst-Erlenstegen gerade das Bild dieses alten Herrensitzes – neben der Kirche Sankt Jobst – in sein Emblem aufgenommen, den schon der Nürnberger Annalist Johannes Müllner als den „vornehmbsten und ältisten“ bezeichnet hat.

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