30 Jahre lang hatte sein Wort Gewicht
28.02.2009, 00:00 Uhr
Andreas Urschlechter hat zwischen 1957 und 1987 als OB die Geschicke der Stadt entscheidend gelenkt. Mit dem Ausbau des Hafens, dem Beginn des U-Bahn-Baus, der Verlagerung der Messe nach Langwasser und der Entwicklung Nürnbergs zur Messestadt sowie der Entscheidung für den Bau der Frankenhalle wurden unter seiner Regie grundsätzliche Weichenstellungen vorgenommen, von denen die Stadt noch heute profitiert. Er knüpfte die Städtepartnerschaft mit Krakau und galt schon in seiner Amtszeit als «kommunalpolitisches Denkmal». Urschlechter steht für den geglückten Wiederaufbau Nürnbergs und zugleich für die Modernisierung der städtischen Infrastruktur: Wegweisend war für die Stadtentwicklung die Planung von Langwasser mit viel Grün und guter Verkehrsanbindung.
Der Jurist Urschlechter, Sohn eines Studienprofessors, nach dem Zweiten Weltkrieg Wiederaufbaureferent in der Stadtverwaltung, wurde von der SPD 1957 als OB-Kandidat völlig kurzfristig nominiert, weil der damalige OB Otto Bärnreuther überraschend mit 49 Jahren gestorben war. Der dem liberalen SPD-Flügel zuzurechnende Urschlechter war mit seinem bisweilen barocken Auftreten populär bei der Bevölkerung, aber gegenüber den Medien blieb er auf Distanz. Bei seinem Amtsantritt war der gebürtige Nürnberger mit 38 Jahren der jüngste Oberbürgermeister in Deutschland, und er war am Ende seiner Dienstzeit der am längsten dienende OB einer Großstadt. Fünfmal gewann er, zum Teil mit deutlichem Abstand zu seinen politischen Gegnern, die OB-Wahl, zuletzt 1981.
Völlig überraschend trat Urschlechter dann am 8. Juli 1982 aus der SPD aus, der er 30 Jahre lang angehört hatte. Seine Begründung: «Mit Besorgnis musste ich in den vergangenen sechs Monaten feststellen, dass sich der Unterbezirk Nürnberg immer mehr von einer bürgernahen Volkspartei wegentwickelt und klassenkämpferische Tendenzen für einige Gruppen der SPD vertritt.» Drei Monate vor der Landtagswahl eine Provokation für die Partei, die ihn in den OB-Wahlkämpfen unterstützt hatte.
Danach brachen turbulente Zeiten im Stadtrat an, weil Urschlechter keine Mehrheit mehr hatte. Dass Urschlechter sich von den Genossen absetzte, hatte aber noch andere Gründe. Er reagierte gekränkt auf eine früh einsetzende Nachfolgedebatte über seine Person. Schließlich hatte Urschlechter in seiner Amtszeit stets versucht, wichtige Entscheidungen mit großer Mehrheit im Stadtrat zu treffen – was aber in der aufgeheizten Phase zu Beginn der achtziger Jahre mit ihren ideologischen Kämpfen immer weniger möglich schien.
Auf Schmusekurs mit Franz Josef Strauß
Die Nürnberger SPD hat ihm diesen Schritt eigentlich bis heute nicht verziehen. Vielleicht auch deshalb, weil Urschlechter die Genossen mehrfach reizte: Er ging auf Schmusekurs mit dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß, besuchte demonstrativ Unionsbälle und empfahl 1987, den CSU-Kandidaten Günther Beckstein als Oberbürgermeister zu wählen. Der spätere Ministerpräsident holte sich aber gegen Peter Schönlein von der SPD eine deutliche Abfuhr.
Die CSU revanchierte sich und trug Urschlechter die Ehrenbürgerwürde an. Welche Dimension der politische Seitenwechsel damals hatte, wird an dem folgenden Wahlslogan deutlich, mit dem die CSU gegen Urschlechter antrat, als dieser noch in der SPD war: «Schlecht, schlechter, Urschlechter.»
Wer sich heute bei seinen alten Wegbegleitern umhört, erfährt sehr wenig über den Menschen Urschlechter. Er galt als einer, der Dienstreisen genießen konnte und dem ein kleiner, aber intensiver Freundeskreis nahe stand. Urschlechter gehörte als gewiefter Taktiker offenbar zu jenen Politikern, die sehr früh wissen, wo sich Mehrheiten abzeichnen, und entschied dann schnell. Wenn es gefährlich für einen Politiker werden konnte, dann delegierte er rasch Aufgaben. Ingrid Mielenz, selber erst kurz als Sozialreferentin im Amt, musste etwa die Gasexplosion in der Schlüsselfelder Straße betreuen.
Legendär ist auch Urschlechters abendliches Besuchsprogramm. «Bei vier Terminen am Abend blieb er jeweils nur zehn Minuten und verabschiedete sich dann auf französisch», erinnert sich der heutige SPD-Fraktionschef Gebhard Schönfelder. Mit «französisch» meint Schönfelder, dass Urschlechter ging, ohne sich zu verabschieden, weil er vorgab, nicht stören zu wollen. Leer blieb sein Platz auch oft in der Meistersingerhalle – nach der Pause von Konzerten.
«Bürgerversammlungen hat Urschlechter souverän geleitet und instinktiv den Schwächeren Schutz geboten», sagt Schönlein. Etwa bei der Auseinandersetzung über das Nürnberger Frauenhaus. «Er hat aber auch immer deutlich gemacht, dass er der Erste ist.» André Fischer
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