Jubiläum

75 Jahre Adidas: Wie aus drei Riemen ein Weltkonzern wurde

Katrin Meistring, dpa

16.8.2024, 10:48 Uhr
Adi Dassler mit seinem Lebenswerk.

© Archiv Adi Dassler mit seinem Lebenswerk.

An dem Wunder von Bern 1954, als die deutsche Fußballnationalmannschaft Weltmeister wurde, war Adi Dassler nur indirekt beteiligt. Und doch markiert der WM-Sieg für den damals 54-Jährigen den endgültigen Durchbruch in der weltweiten Sportszene. Fritz Walter, Max Morlock und Co. kickten mit seinen Schuhen, maßgefertigt und mit auswechselbaren Schraubstollen. Seine Modelle waren gefragt. Bei Fußballern, Leichtathleten, Tennisspielern und später auch bei Boxern. Auch der frisch gekürte schnellste Mann der Welt, Noah Lyles, der am 4. August in Paris zu Olympia-Gold rannte, trug Schuhe mit den bekannten drei Streifen. Das erste Mal seit 1996, dass ein Athlet mit Adidas Schuhen ein 100 Meter Sprint-Finale gewinnt. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem der fränkische Sportartikel-Riese sein 75-jähriges Bestehen feiert.

Die Philosophie von Adi Dassler war von Anfang an, den Schuh bestmöglich an die Bedürfnisse des Sportlers anzupassen. Seine ersten Schuhe aus Leinen, 1920 mühsam in der Waschküche seiner Mutter gefertigt, waren der Anfang seiner Schuhmacherkarriere. Mitte der 30er Jahre produzierte er bereits mit 100 Mitarbeitern 30 verschiedene Modelle für elf Sportarten. Zusammen mit seinem Bruder Rudolf, einem versierten Geschäftsmann, wurde die gemeinsam geführte Schuhfabrik der Gebrüder Dassler in Herzogenaurach auf Kurs gebracht.

Die Rolle der beiden Brüder während des Zweiten Weltkrieges ist nicht ganz unumstritten. Beide waren ab 1933 Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und verbrachten nach dem Krieg ein Jahr in US-Gefangenschaft. Während dieser Zeit kam es vermutlich zum großen Bruch zwischen den Brüdern. Beide bezichtigten sich gegenseitig, vom anderen denunziert worden zu sein. Der Streit zwischen den Brüdern führte 1948 zur Aufspaltung des Herzogenaurachers Sportschuhemperiums. Rudolf gründete Puma, Adolf Adidas.

Adidas nahm einen kometenhaften Aufstieg. Heute beschäftigt das Unternehmen 59.000 Menschen auf allen fünf Kontinenten und setzte im vergangenen Jahr weit über 21 Milliarden Euro um. Viele Zufälle halfen. Dass die drei Riemen an der Seite, die der gelernte Bäcker und spätere Schuster Dassler seinen Schuhen zur seitlichen Stabilisierung des Fußes verpasste, später zu einem ikonischen Markensymbol reifen würden, hatte er wohl nicht ahnen können.

Wie kaum ein anderer Hersteller hat es Adidas geschafft, Produkte hervorzubringen, die den Zeitgeist ganzer Generationen mitprägten. Freddie Mercury trug beim legendären Band-Aid-Konzert in London Wrestling-Schuhe mit den drei Streifen. Madonna trat in Adidas-Stiefeln auf. Schuhe wie der «Handball Spezial» oder der auf der Retro-Welle wiedergeborene "Stan Smith" sprengten die Grenzen der ihnen eigentlich zugedachten Sportarten. Heute sind es Schuhmodelle wie "Samba" oder "Gazelle", die die Mode weit über den Sport hinaus mitprägen.

1970 wurde zum ersten Mal ein von Adidas entwickelter Fußball offizieller Spielball bei einer Fußball-WM. Der "Telstar" war der erste weiß-schwarze Fußball in der Geschichte überhaupt. Denn die WM in Mexiko war die erste Weltmeisterschaft, die im Fernsehen live übertragen wurde. Dazu musste der Ball ein neues Design erhalten, damit ihn die Zuschauer im Schwarzweiß-Fernsehen gut erkennen konnten. Seit "Telstar" wurden bei allen wichtigen Fußballspielen Adidas-Bälle eingesetzt, die immer weiter entwickelt wurden.

Adidas erweiterte in den 70er Jahren außerdem sein Sortiment unter anderem mit Tennisschlägern, Golfschuhen und - und Skilanglaufbindungen. 1978 stirbt Adi Dassler schließlich im Alter von 78 Jahren. Die Geschäfte des Weltmarktführers übernehmen sein Sohn Horst und seine Frau Käthe.

In den 80er Jahren gerät das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage. 1990 verkauft die Familie Dassler 80 Prozent ihrer Firmenanteile an französischen Unternehmer Bernard Tapie. Nach dessen Insolvenz wird Adidas wiederum an den Unternehmer Robert Louis-Dreyfus veräußert. 1993 wird Adidas zu einer AG umfirmiert und 1995 an die Börse gebracht. Erst da ging es wieder stetig bergauf.

Ein erneuter Rückschlag ist die Entscheidung des Deutschen Fußball-Bund. Obwohl die Nationalmannschaft sich für die EM 2024 noch ausrüsten ließ und auf dem "Home Ground" in Herzogenaurach noch ihr EM-Quartier bezog, folgte der DFB dem Lockruf der US-Dollars und heuerte den Konkurrenten Nike als Ausrüster an - eine jahrzehntelange Verbindung wird damit zu Ende gehen.

Trotz allem ist Adidas zu einem Weltkonzern geworden. Größer ist heute nur noch das Unternehmen Nike. 2009 vermeldete Adidas unter dem Vorstand Herbert Hainer einen Umsatz von 10,4 Milliarden Euro und einen Gewinn von 358 Millionen Euro. Der erste Schuh von Adi Dassler 1920 kosteten damals "nur" zwei Reichsmark - heute unvorstellbar.

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