Alles einsteigen! Nürnberg fährt Richtung Erfolg
02.08.2010, 00:00 Uhr
Es stand unter dem Motto „Railroad Songs“. Die Eisenbahnlieder waren die Begleitmusik zum 175.Jubiläum der ersten Fahrt des Adlers zwischen Nürnberg und Fürth. Die NZ hat sich ebenfalls auf eine Zugfahrt durch das Bardentreffen begeben. Bitte steigen Sie ein, die Türen schließen automatisch! Los geht’s!

Wir begrüßen alle zugestiegenen Fahrgäste an Bord des Bardenzuges, unser erster Halt ist –

Nürnberg Hauptbahnhof: Ob es eine gute Entscheidung war, die Bauarbeiten an den U-Bahnhöfen Maffeiplatz und Aufseßplatz ausgerechnet am Freitag – zum Start des Bardentreffens – zu beginnen, darf nach dem vergangenen Wochenende bezweifelt werden. Obwohl sich eine tapfere Mitarbeiterin der VAG am Bahnsteig mit Ansagen per Mikrophon gegen gegenteilige Auskünfte der automatischen Bandansage aus dem Off durchzusetzen versucht, wächst bei den Fahrgästen die Verwirrung. Ein neuer Sport ist geboren: Das In-die-U-Bahn-Rein-und-aus-der-U-Bahn-„Mist-das-ist-die-falsche-Richtung“-Rausspringen. Der Nervenkitzel erhöht sich übrigens immens, wenn man damit bis zum Abfahrtssignal wartet.

Sehr geehrte Fahrgäste, wir erreichen jetzt unseren nächsten Halt –

Lorenzkirche: Nach dem Wochenende steht es endgültig fest: Wer immer für das Wetter verantwortlich ist, er hat ein Herz für Musikfans. Schon bei Rock im Park war nach einem wochenlangen Tief die Sonne rausgekommen. Und auch beim Bardentreffen strahlt die Sonne über Nürnberg. Das kommt vor allem den zahlreich angereisten Straßenmusikern zugute, darunter auch eine Gruppe Kurzentschlossener: die Nürnberger Mädchenband „Wirbelstürme“. Eigentlich wollten die vier den 13.Geburtstag von Bandmitglied Sina auf einem Minigolfplatz feiern. Auf dem Weg dahin fanden sie sich plötzlich mitten im Bardentreffen wieder. Kurzerhand liehen sie sich eine Gitarre einer anderen Band und sangen „Pflaster“ von Ich&Ich – zur großen Begeisterung des Publikums. Seit Januar gibt es „Wirbelstürme“. An ihrer Schule traten sie bei „Sperber sucht den Superstar“ an und blieben auch nach dem Ausscheiden aus dem Wettbewerb zusammen. Malak und Celine, beide elf Jahre, singen. Tebin, elf, lernt jetzt E-Gitarre, Geburtstagskind Sina spielt den Bass. Schlagzeuger Felix, beim Bardentreffen nicht dabei, soll auch nicht vergessen werden. Das Repertoire der Band: Songs von Green Day und Ich&Ich, zweimal in der Woche proben sie. Das Ziel: „Wir wollen auf Tour gehen“, sagt Malak selbstbewusst. Ein paar Auftritte hatten sie schon, an der Uni und im Südpunkt. „Es ist ein schönes Gefühl, vor Leuten zu spielen, auch wenn man bei den ersten Takten noch Herzklopfen hat. Aber wir sind ’ne Powerband, wir rocken alles!“, ruft sie noch. Wer sich davon überzeugen will, wird im Internet bei youtube unter „Wirbelstürme“ fündig.
Wir setzen nun unsere Reise fort. Nächster Halt –
Plobenhofstraße: Die Instrumente der Frankfurter Combo „The art of fusion“ sehen aus wie zwei zusammengeschweißte Woks mit Dellen drin. An der Unterseite ist ein Loch. Sie heißen „Hang“, entwickelt wurden sie vor zehn Jahren in Bern von Felix Rohner und Sabine Schärer. Gespielt wird das Hang mit den Fingern und der Hand, daher auch der Name: Hang ist berndeutsch und bedeutet Hand. Nur die beiden Erfinder können sie bauen. Inzwischen sind die Instrumente so beliebt, dass man bis zu drei Jahre darauf warten muss. Den Klang zu beschreiben, ist schwierig – vielleicht ein wenig wie eine Steelpan. „The art of fusion“ ist zum ersten Mal beim Bardentreffen dabei. Ihre Musik beschreibt das Bandprojekt, in dem Musiker aus aller Welt in wechselnder Besetzung zusammenspielen, selbst als „Weltmusik der neuen Generation“ – auch, weil sie Einflüsse aus der Elektro-Sparte enthält. „The art of fusion“ ist eine der wenigen Gruppen, die Hangs in vier unterschiedlichen Klangfarben spielen. Sie stammen noch aus der Zeit, als die Hersteller experimentierten. Heute wird nur noch das Integrale Hang gebaut – eben das mit dem perfekten Klang.
Mit einer Verspätung von zehn Minuten erreichen wir nun –
den Trödelmarkt: Herausragend die Stimme, verzaubernd die Folksongs von Kirsty McGee – es ist eine Art Massenhypnose, die hier gerade stattfindet. Diejenigen, die in diesem Moment auf dem Trödelmarkt völlig gebannt sind, werden später sagen, das Konzert der britischen Sängerin und ihres Partners Mat Martin war eines der schönsten bei diesem Bardentreffen.
Achtung, Sicherheitshinweis: Lassen Sie ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt! Nächster Halt unseres Zuges –
St. Katharina: Das Nadelöhr des Festivals – irgendwie ist ständig Stau vor dem Eingang der Katharinenruine. Und dann bahnt sich auch noch ein Anwohner mit seinem Auto den Weg durch die Massen: „Ich wohne hier“, hat er auf ein Blatt Papier gedruckt und sich an die Frontscheibe geklebt. Zu Ärger kommt es bei diesem Bardentreffen nicht: „Absolut friedlich“, heißt es seitens der Polizei.
Wir erreichen nun –
Nürnberg Hauptmarkt: „Die kenner mer doch! Schau, die war mal Familienministerin!“ – Ganz hat Renate Schmidt (SPD) ihr Ziel – „Ich bin gerade dabei, wieder unbekannt zu werden“ – noch nicht erreicht. Sie lehnt zwar konsequent alle Anfragen des Fernsehens ab, ihren Nürnberger Mitbürgern bleibt sie dennoch präsent. Sie ist seit den Achtzigern zum ersten Mal beim Bardentreffen dabei – „Als ich noch im Amt war, haben wir zu dieser Zeit immer Urlaub gemacht.“ Es sei wunderschön, dass es diese Veranstaltung in Nürnberg gibt, sagt sie. Sie selbst verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen: „Ich habe heute morgen mein Gemüse gekauft, genieße jetzt etwas Musik und fahre dann zum Abendessen heim zu meinem Mann.“
Der nächste Halt unseres Zuges ist –
Sebalder Platz: „Die kannte ich noch gar nicht, die sind ja super!“ – Es ist einer der schönsten Effekte des Bardentreffens, sich einfach mal treiben zu lassen, mal stehenzubleiben und zu lauschen und immer wieder neue Bands zu entdecken. Dota Kehr ist allerdings schon Wiederholungstäterin. Als „Kleingeldprinzessin“ hatte die 30-jährige Berlinerin im Jahr 2006 ihr Debüt beim Bardentreffen gefeiert. Danach traf sie die „Stadtpiraten“. Auch in diesem Jahr verführt Dota das Publikum mit hintersinnigen Texten und musikalischen Elementen aus Bossa-Nova, Swing oder Ska.
Endstation, bitte alle aussteigen! Auf Gleis 2011 wartet folgender Anschlusszug –
Bardenzug nach Spanien, Abfahrt 29. Juli 2011, Ankunft 31. Juli 2011: Das Bardentreffen im kommenden Jahr wird den Länderschwerpunkt Spanien haben. Der Grund: Das Centro Español, ein Verein in Nürnberg lebender Spanier, feiert 2011 sein 50-jähriges Bestehen, so Organisator Charly Fischer. Na dann: Olé!
Bilder und Videos vom Bardentreffen gibt es unter www.nz-online.de. Bayern 2 überträgt Konzertmitschnitte am 8., 22., 29. August, jeweils 21.05 Uhr auf der Frequenz 92,3 Mhz. Die Kinderkonzerte laufen am 2., 9., 16. und 23. August, um 18.30 Uhr, ebenfalls auf B2. Es gibt eine Bardentreffen-CD, erhältlich in Plattenläden oder unter www.bardentreffen.de. Dort finden sich auch Infos zu den Bands.