Als die Panzer rollten

19.08.2008, 00:00 Uhr

Im Januar 1968 war der Moskau-treue Parteichef Karel Novotny abgesetzt worden. An seine Stelle trat ein bescheiden auftretender 46-jähriger Slowake. Alexander Dubcek sollte zum großen Hoffnungträger werden; besonders für jene, die damals noch an eine Liberalisierung des Sozialismus glaubten. Die neue Regierung und ihre Berater versprachen die Abschaffung der Zensur, Versammlungsfreiheit und Wirtschaftsreformen.

Die Folge: Die Zeitungen verdoppelten ihre Auflage, weil plötzlich offen und ehrlich berichtet wurde. Es gab Pressekonferenzen, bei denen nicht vorher abgesprochene Fragen gestellt werden durften. Eine heitere, unglaublich kreative Stimmung lag über dem Land.

Das wurde vor allem in der benachbarten DDR aufmerksam beobachtet. Man blickte nach Prag; nicht nach Westberlin, wo ein linker Studentenführer namens Rudi Dutschke das große Wort führte. Wie überhaupt die deutsche Stamokap-Linke den Einmarsch und seine Folgen nicht wahrnehmen wollte. So erzählt man sich noch immer, dass es deutsche Studenten waren, die am Tag des Einmarsches im Prager Bierlokal «U Flecku» Ho-Ho-Ho-Chi-Minh-Rufe gegrölt hätten.

Die Bevölkerung der Tschechoslowakei verfiel nach der Niederschlagung des «Prager Frühlings» in Resignation. Zwar entstand 1977 mit der Charta 77 unter Václav Havel eine mutige Bürgerrechtsbewegung, doch ihre Erfolge hielten sich in Grenzen. Erst Ende 1988 kam es zu politischen Aktionen. Im November 1989 wurde unter dem Eindruck des Reformprogramms von Michail Gorbatschow in der Sowjetunion die «Samtene Revolution» ausgerufen. Mit einer gewaltlosen Erhebung des Volkes endete das Regime der Kommunistischen Partei. Ende Dezember wurde schließlich der Dichter und Dissident Havel zum Staatspräsidenten gewählt.

Manchmal lohnt es sich eben doch, Rückgrat zu zeigen. Auch wenn es 21 Jahre dauert.

RAIMUND KIRCH

Keine Kommentare