Alte Brauerei weicht 600 Wohnungen

5.5.2011, 07:10 Uhr
Alte Brauerei weicht 600 Wohnungen

© Hagen Gerullis

Die Anwohner rund um die Rollner-, Schiller- und Friedenstraße hören es schon seit dem Jahreswechsel am Lärm: Das Tucher-Areal ist im Umbruch. Noch bis November beseitigen die Abrissbagger die Bier-Werkhallen, die die Tucher-Bräu 2007 im Zuge ihrer Umsiedlung an die Nürnberg-Fürther Stadtgrenze endgültig verließ. Ab Anfang 2012 soll hier in Maxfeld dann auf 35000 Quadratmetern Fläche das aktuell größte Wohnbauprojekt der Stadt wachsen.

„In den Nordstadtgärten“, so sein Name, sieht rund 600 Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen vor. Sowohl Eigentums- als auch Mietobjekte, sowohl in mehrgeschossigen Häusern als auch in Form von Stadtvillen, Lofts und reihenhausähnlichen Abschnitten. „Es wird ein möglichst breiter Mix werden“, sagt Projektleiter Norbert Grund. Eine Kindertagesstätte, einzelne Läden und Büros sind geplant, dazwischen Grünflächen „in für innerstädtische Verhältnisse überdurchschnittlichem Anteil“.

Hinter dem Riesen-Unterfangen steht die Nürnberger KIB-Gruppe. Das Immobilienunternehmen ist Mutter einiger prominenter junger Wohnanlagen in der Stadt, gestaltete etwa den „Hesperidenpark“ und „Seepark Mögeldorf“ für Senioren oder die Wohnparks in Neulichtenhof. Von KIB stammen auch das Verwaltungsgebäude des 1. FCN sowie Businessparks in Langwasser und an der Frankenstraße.

Alte Brauerei weicht 600 Wohnungen

© KIB-Gruppe

Als Glücksfall wertet Geschäftsführer Grund, dass seine Firma im vergangenen August der Münchner Inselkammer-Gruppe das Grundstück an der Schillerstraße abkaufen konnte. Die ummauerte, zuletzt nur noch an Zwischennutzer vermietete Industriebrache sei zum Fremdkörper im Viertel geworden. „Hier gilt es eine Stadtteilidentität zu schaffen.“

Die ersten Backsteingebäude auf dem Brauereigelände entstanden ab 1880, damals am völlig unbebauten nördlichen Stadtrand. Zunächst produzierte hier die Brauhaus AG, bevor 1966 Tucher einstieg. Die historische Atmosphäre soll in den „Nordstadtgärten“ erhalten bleiben: Das denkmalgeschützte Sud- und Malzhaus bleibt stehen, außerdem auf Wunsch der Anwohner der von Weitem sichtbare Lagerturm. Ins Sudhaus soll Gastronomie einziehen, der Turm erhält extravagante Wohnungen.

Nach Entwürfen aus fünf Architekturbüros erteilte KIB der Münchner Gesellschaft Hilmer&Sattler und Albrecht den Zuschlag. Die Fassaden sollen modern wirken, ohne herauszustechen, erklärt Grund. Man schöpfe den Bebauungsplan absichtlich nicht voll aus und errichte weniger Wohnungen als möglich, um die Fläche aufzulockern. Im Sommer beginnt der Verkauf für den ersten von sechs Bauabschnitten. Für die Vollendung des Areals rechnet KIB-Chef Richard Minartz sechs bis acht Jahre ein.

Bereits 1998 gab es an dieser Adresse ein ähnlich großes Wohnbau-Vorhaben für einen „Schillerpark“. Es scheiterte 2004 am Mangel an Investoren, obwohl die Gegend westlich des Stadtparks als beliebte, teure Wohnlage gilt. Dem neuen Bauherren gibt nun der starke Trend zum Wohnen in der Stadt Hoffnung; die Verkehrslage hat sich inzwischen durch die Anbindung an die U-Bahn verbessert. Von Pessimismus herrscht auch beim Nürnberger Baureferenten keine Spur. Wolfgang Baumann begrüßt, dass hier nicht eine beliebige Siedlung, sondern „ein Stadtteil wieder entsteht, der ein weißer Fleck war“. Die Pläne mit dem klaren Grünzug in der Geländemitte lobt er als qualitätvoll.

Angenehmer Nebeneffekt: Die Stadtverwaltung und das Bauunternehmen gestalten im Rahmen des Großprojekts den angrenzenden Schillerplatz neu. Er besteht heute nur aus Parkplätzen und einer Bauminsel. Künftig soll er durch Einbezug des Tucher-Geländes eine deutlich größere Grünfläche und seinen ursprünglichen Zuschnitt aus den 1920er Jahren zurückbekommen.

Die Anlieger bekamen zwar Wurfpost, mussten jedoch bis jetzt über die genauen Pläne rätseln. Dennoch äußert sich der Vorsitzende des Vorstadtvereins Nürnberg-Nord, Tobias Schmidt, erfreut über den Dialog des Unternehmens mit den Nachbarn und über die Öffnung des Areals. Wenn dann noch das Nordbahnhofgelände bebaut werde, wandele die Nordstadt in den nächsten Jahren deutlich ihr Gesicht. „Und wir werden 2000 bis 3000 neue Bewohner begrüßen.“

Heute um 18.30 Uhr stellt der Bauherr auf Einladung des Vorstadtvereins das Bauprojekt auf dem Gelände (Eingang Schillerstraße 14) vor.



 

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