Baut nebenan ein neues Nürnberg!
27.09.2008, 00:00 Uhr Ungeachtet der mangelhaften offiziellen Würdigung scheint der «geistige Global Player» Georg Philipp Harsdörffer doch im Gedächtnis vieler Nürnberger fest verankert zu sein. Der Rätselnuss-Autor ist einigen Bekannten begegnet, die ihm strahlend «Harsdörffer» zugerufen haben. Unter ihnen (sofern sie ihre Erkenntnis auch der Nürnberger Zeitung mitgeteilt haben) wurden drei Buchpreise verlost. Sie gingen an Mechthild Krüpe, Ursula Leisse und Grete Wagner.
Heute soll uns ein Schriftsteller beschäftigen, der vor genau sechzig Jahren, am 12. Oktober 1948, in Hamburg gestorben ist. Mit Nürnberg hat er fast nichts zu tun. Beziehungsweise hatte. Denn die Leistungen der Nürnberger und Fürther Theater waren für ihn nicht der Rede wert. Er kam 1867 in Breslau auf die Welt, wurde zum einflussreichsten Theaterkritiker Berlins, emigrierte im Februar 1933 in die Tschechoslowakei, war dann in der Schweiz, in Frankreich und in England. Nach dem Krieg arbeitete er für die «Neue Zeitung», die in München erscheinende «amerikanische Zeitung für Deutschland». In deren Auftrag schrieb er 1947 einen Bericht über das zerstörte Nürnberg, der zu einem vielzitierten Dokument wurde. Darin heißt es:
«Die Lorenzkirche steht noch. Auch ihr Gegenstück, die mit dem wundervollen Sebaldusgrab. - Der Weg zwischen beiden bleibt eine Seelenfolter. - Du siehst kaum anderes als Geröll. Irreführend wäre das Wort ,Ruinen‘, denn da denkt man immerhin an gewesene Behausungen. Dies aber ist dem Staub näher als der billigen Vorstellung zerrissener Wände, so dass im gegenwärtigen Augenblick der Gedanke nicht abwegig scheint: dieses Trümmertal seinem Zustand zu überlassen und ein neues Nürnberg nebenan zu erbauen. Das alte Nürnberg wäre dann eine Sehenswürdigkeit wie Pompeji . . .»
Ob er den Gedanken, die Trümmer Nürnbergs zu konservieren und eine neue Stadt zu bauen, als erster ausgesprochen hat, mag offen bleiben. Jedenfalls wurde ein solcher Plan ernsthaft erwogen, bevor der planmäßige Wiederaufbau unter weitgehender Berücksichtigung des alten Stadtgrundrisses unter Heinz Schmeißner begann.
Unser Mann wagte sich nicht mit seinem Namen an die Öffentlichkeit. Denn der war von seiner Tante ins Lächerliche gezogen worden. Diese, mit Vornamen Friederike, versuchte sich nämlich als Dichterin. Ihr erster Gedichtband wurde 1873 in der Zeitschrift «Gegenwart» von Paul Lindau in einem von Ironie triefenden Artikel mit vielen Zitaten gelobt, und wer lesen konnte, wusste: Das ist Poesie, über deren unfreiwillige Komik sich jeder scheckig lachen kann.
Das Pseudonym wurde gelüftet, und unser Theaterkritiker wehrte sich mit derselben unfreiwilligen Komik:
«Nächtlich über dem Gebeinfeld
Hört ich manchmal I-a schrein:
Wenn dem Esel sonst nichts einfällt,
Fällt ihm meine Tante ein!»
Er war ein großer Analytiker, ein kühner Stilist - und ein schier unerträglicher Rechthaber. «Beschlossen und verkündet», schrieb er unter seine Einleitung zu «Faust II». Über seinen Beruf und dessen Wirkung hatte er eine hohe Meinung: «Ein elender Kritiker, der nicht Menschen erzittern oder kreischen macht mit Worten, Weisungen, Klängen, woran die (vorwiegend so unbedeutenden) Dichteriche keinen Teil haben. Kritiken bleiben Vorwände. Über das Theater hinaus.»
Wie heißt der Mann, der Nürnbergs Trümmer konservieren wollte? Bitte schreiben Sie seinen Namen auf eine Postkarte und senden Sie diese bis zum 18. Oktober an die Nürnberger Zeitung, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg, oder schicken Sie eine E-Mail an nz-themen@pressenetz.de. Es werden wie immer drei Buchpreise verlost.
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