Dem Krieg entronnen, zu Hause ermordet
15.2.2014, 17:05 UhrDas 1,32 Meter hohe Steinkreuz (Breite 1,02 Meter, Tiefe 0,40 Meter) ist betont schlicht gehalten. Auf der ungeglätteten Oberfläche sind deutlich die Spuren der Bearbeitung mit dem Meißel zu sehen. Bewusst hat man das Erinnerungsdenkmal in Anlehnung an die altfränkischen Sühnekreuze geschaffen, auch wenn das Studentenkreuz einem Mordopfer gesetzt wurde und nicht als Sühnekreuz vom Totschläger zum Zweck der kirchlichen Buße errichtet wurde.
Nur die Vorderseite ist verziert. Sie zeigt den Zirkel der 1836 gegründeten Erlanger Studentenverbindung Uttenruthia, welcher der ermordete Pfarrersohn Zacharias Friedrich Schmidt, von den Freunden kurz „Zach“ genannt, seit dem Wintersemester 1918/19 angehörte. Schmidt stammte aus Zeilitzheim bei Gerolzhofen in Unterfranken. Die Uttenruthia war es auch (nicht die Eltern, wie fälschlicherweise immer wieder behauptet wurde), die das Studentenkreuz setzen ließ. So sollte das Gedenken an ihr Mitglied, den Germanistikstudenten Schmidt wachgehalten werden, der erst kurz zuvor aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrt war.
Er kam niemals an
Die näheren Umstände der Bluttat ließen sich bis zum heutigen Tag nicht aufklären. Das Verbrechen hat sich jedenfalls am 20. März 1919 ereignet. An diesem Tag wollte Schmidt mit mehreren Bundesbrüdern von Erlangen nach Nürnberg fahren, um an der Aufführung von Franz Schuberts „Stabat mater“ im Herkules-Saalbau teilzunehmen. Der Zug hatte wegen des damals häufigen Mangels an Kohlen für die Dampflokomotive Verspätung. Schmidt, der sich einstweilen in ein Café gesetzt hatte, wurde von der dann doch erfolgenden Abfahrt überrascht und verpasste seinen Zug. Also machte er sich einfach zu Fuß auf den Weg nach Nürnberg – aber dort kam er niemals an. Vergeblich warteten seine Freunde auf ihn.
Der Vater erstattete schließlich Anzeige bei der Nürnberger Kriminalpolizei. Es wurde zu einer Suche aufgerufen, an der etwa vierzig Mann teilnahmen. Man durchsuchte den Reichswald südlich von Erlangen. Obwohl man zu beiden Seiten der Straße nach Tennenlohe „jeden Reisighaufen umwendete“ oder sogar „manche verdächtigen Stellen“ aufgrub, blieb die Suche ergebnislos.
Nach zwei Wochen voller wilder Gerüchte hieß es, Kinder hätten Schmidts Leiche beim Schlüsselblumensuchen gefunden. Sie hätten jedoch gedacht, dass er nur schliefe. Wirklich gefunden wurde die Leiche aber erst am 13. April 1919 – von dem zuständigen Forstamtsassessor. Die Bundesbrüder unterzogen sich dann der traurigen Aufgabe, in der Leichenhalle den Toten zu identifizieren.
Schuss in den Rücken
Die Sektion der Leiche ergab, dass Schmidt einen Schuss in den Rücken erhalten hatte. Die Kugel war ihm ins Herz gedrungen. Der Mörder hatte Schmidts Geld, seine Uhr, den Überzieher, ein Täschchen und weitere Kleinigkeiten geraubt. Die Weste war halb heruntergezogen. Es handelte sich eindeutig um einen Raubmord. Die Tat erregte bei der Bevölkerung großes Aufsehen. Am 16. April 1919 stand im Erlanger Tagblatt: „Es ist schauderhaft, wohin wir gelangt sind. Also wegen eines Überziehers und einer Uhr hat so eine Bestie von Menschengestalt ein junges Menschenleben ohne weiteres niedergeschossen. Hoffentlich gelingt es noch, den ruchlosen Täter ausfindig zu machen und seiner verdienten Strafe entgegenzuführen.“
Fahndung ohne Erfolg
Die Nachforschungen erwiesen sich wegen der politisch unruhigen Verhältnisse als recht schwierig. Der Polizei gelang es nicht, „den ruchlosen Täter ausfindig zu machen“. Völlig ungeklärt blieb auch, wie Schmidt überhaupt in das entlegene Waldgebiet gelangt war. Dass, wie in den „Uttenreuther Blättern“ vermutet wurde, „sich jemand unterwegs Schmidt zugesellte und ihn unter der Vorspiegelung, einen näheren Fußweg zu wissen, dorthin gelockt und dann ermordet hat“, erscheint einleuchtend, lässt sich aber leider nicht beweisen.
Am 18. April 1919, es war der Karfreitag, wurde der Pfarrersohn Zacharias Friedrich Schmidt in seinem Heimatort Zeilitzheim unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am frühen Nachmittag zu Grabe getragen. Über zwanzig Uttenreuther standen an seinem Grab, über dem sich die schwarz-gold-schwarze Fahne der Studentenverbindung senkte.
Der spätere Kirchenrat Valentin Söllner sprach am Grab: „Ihm, der die Musik so liebte, mögen Klang und Harmonie durch die Seele gegangen sein, als ihn auf dem Wege zum Konzert die Kugel des Mörders traf. Königlich war die Stätte seines Todes: Ein stiller lichtvoller Eichenhain und darin grünende Tannen – die deutsche knorrige Eichen für den Krieger, den gereiften Mann, das junge Grün für den fröhlichen, frühvollendeten Jüngling. Und die Vögel sangen ihm ihre frohen Lieder, denen er so gerne lauschte, und Frühlingsblumen blühten um den Toten, der hier im Walde lag – in seinem Walde, wo er sonst gerne einsam ging. Schlafe sanft, du unser Freund und Bruder.“
Von einer Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg abgesehen wird alljährlich von der Uttenruthia am Totensonntag bei einer Gedenkfeier das Kreuz mit einem Kranz geschmückt. 1969 war der 50. Todestag. Damals gedachten sowohl die „alten Herren“ als auch junge Aktive der Uttenruthia an dem Steinkreuz ihres ermordeten Bundesbruders. Gemeinsam sangen sie, einander die Hände reichend: „Nun reicht mir eure Hände, ihr Brüder alle, fern und nah.“ Der ehemalige Kirchenrat Heinrich Fechter aus Münchberg hielt die Gedenkrede.
Abseits aller Wege
Den Weg zum Studentenkreuz zu finden, das ist nicht ganz einfach. So sollte man sich keinesfalls ohne festes Schuhwerk auf den Weg begeben. Am besten verlässt man den Irrhain beim nordöstlichen Ausgang. Dann geht es rechts auf dem Weg etwa 200 Meter parallel zum Kothbrunngraben, bis man auf einen Querweg stößt. Nun biegt man mit der Wegmarkierung Grünstrich links ab. Nach etwa 60 Metern kommt man zu einem klein Wasserlauf, der im heißen Sommer allerdings manchmal kein Wasser führt. Dann wird es abenteuerlich: Südlich des Grabens arbeitet man sich durch das Gestrüpp, bis man nach etwa 90 Metern völlig unvermittelt rund acht Meter nördlich des Grabens das Studentenkreuz einsam und verlassen im Wald stehen sieht.
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