Der Spaß, mit Jungs zu spielen
07.06.2005, 00:00 Uhr
NZ: Guten Morgen Jeanette, wie lange arbeitest Du heute schon?
Hoyer: Seit sechs Uhr. Wir sind erst um Mitternacht aus Berlin angekommen, weil wir während des Festivals nicht in Nürnberg waren.
NZ: Und wie lang wird Dein Arbeitstag heute sein?
Hoyer: Bis die Centerstage abgebaut ist. Das wird so bis Mitternacht dauern. Eine Mittagspause haben wir, glaube ich. Aber die Zeit hängt man dann hinten dran. Da wir heute Nacht kein Hotel haben, müssen wir anschließend auch noch zurückfahren.
NZ: Was schleppst Du bis dahin an Gewicht herum?
Hoyer: Das hat mal irgendjemand ausgerechnet. Das war pro Person irgendwie ’ne Lkw-Ladung, so ein Siebeneinhalb-Tonner an Metall und Holz, was man da durch die Gegend trägt.
NZ: Wie geht es Deinem Rücken dabei?
Hoyer: Gut. Ich bin trainiert.
NZ: Bekommst Du noch Muskelkater?
Hoyer: Naja, nach vier Tagen Aufbau hat man schon Muskelkater. Aber es ist ein gutes Gefühl, wieder Muskeln kennen zu lernen, von denen man gar nicht dachte, dass man sie hat (lacht).
NZ: Was ist besonders anstrengend?
Hoyer: Im Gerüst zu hängen, auf zwölf Metern, und irgendwelche zentnerschweren Stahlträger einzuschlagen zum Beispiel. Das ist anstrengend, weil man eingehängt ist und sich schlecht abstützen kann.
NZ: Bühnenbau ist ein hartes Geschäft mit harten Jungs. Wie kommst Du mit denen klar?
Hoyer: Kommt drauf an . . . wenn man seine Arbeit macht (lacht). Also, ich hab nicht viele Freundinnen, die den selben Job machen könnten, aber ich komme damit ziemlich gut klar. Wenn man sich nicht so benimmt wie ein blödes Mädchen, dann wird man auch nicht so behandelt. Und die Gefahr laufen die Männer hier auch. Aber der Umgangston ist sehr gut.
NZ: Aber einen T-Stahlträger wirst Du nicht alleine schleppen können.
Hoyer: Es gibt überhaupt keine Teile, die man alleine wegtragen sollte, es sei denn, man hat zwei Teile, die man links und rechts nimmt. Aber ansonsten ist das Teamwork. Und so einen riesigen T-Träger trägt auch keiner von den Jungs alleine weg, das wär’ albern.
NZ: Wie wirst Du bezahlt?
Hoyer: Es gibt Tagespauschalen.
NZ: Davon kann man leben?
Hoyer: Nö.
NZ: Warum machst Du den Job dann?
Hoyer: Weil es Spaß macht (lacht). Weil’s ein guter Ausgleich ist. Normalerweise mach’ ich Comic-Animationen und -Illustrationen, ich arbeite noch in einem Tattoo-Shop und mach’ Messebau. Und ich mache meine Tauchlehrer-Ausbildung grade fertig. Dafür ist auch dieser Bühnen-Job, das sind genau die 600 Euro, die ich noch brauche für meinen Tauchlehrer-Schein.
NZ: Wie bist Du zu dieser Art von Arbeit gekommen?
Hoyer: Ich bin, glaub’ ich, schon so aufgewachsen. Bis ich sieben war, haben wir auf dem Land gelebt. Mein Vater hat Deutsche Doggen gezüchtet, wir hatten Pferde, wir sind von Klein auf immer draußen gewesen. Und ich bin schon immer jemand gewesen, der eher selbst auftsteht als zu warten bis jemand kommt, um die Arbeit zu erledigen.
NZ: Was reizt Dich daran?
Hoyer: Sagen wir mal so: Wenn man als einzige Frau zwischen vierzig attraktiven Bühnenbauern arbeiten kann, ist das doch toll. Der Umgangston ist sehr nett. Man arbeitet was zusammen, man ist entsprechend gleichmäßig müde, und man hat auch so ’ne Gemeinschaft, es ist ein Teamwork-Job.
NZ: Lernst Du die Männer hier anders kennen als sonst?
Hoyer: Bestimmt. Die lernen mich ja auch anders kennen als die Freundinnen zu Hause, die sich die Fingernägel lackieren. Mir macht es einfach Spaß, mit den Jungs zu spielen. Ich bin in Hannover aufgewachsen. Die Bühnenfirma in Hannover, das sind sozusagen die Jungs, mit denen ich aufgewachsen bin. Früher war ich mit denen in der Halfpipe und bin mit ihnen Mountainbike durch die Berge gefahren. Heute bau’ ich mit denen Bühnen auf und ab. Die Spiele sind einfach andere geworden. Das ist eine Herausforderung. Andere würden vielleicht in ein Abenteuer-Camp gehen.
NZ: Ist das Deine Lebensaufgabe?
Hoyer: Nein. Es gibt wenige, die mit 50 noch im Bühnenbau arbeiten. Meine Perspektive ist Tauchlehrerin. Ich möchte Industrietauchen machen. Da hört man auch mit 40 auf, aber dann hat man im besten Falle sein kleines Häuschen am Meer. Das möchte ich, wenn ich 70 bin, vorher würde ich das nicht aushalten — lieber unterwegs sein. Gespräch: Tilmann Grewe
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