Die Freude ist riesig und ein Spiel dauert 30 Minuten
01.09.2009, 00:00 Uhr
Benni und die anderen Fußballer aus der Werkstatt für Behinderte der Stadt Nürnberg (WfB) sind nervös, auch wenn sie es nicht zugeben. Übermorgen steigen sie in zwei Kleinbusse und fahren nach Duisburg. Am Freitag und Samstag treten sie dort bei der Deutschen Fußballmeisterschaft der Behindertenwerkstätten an. Zum ersten Mal, und als einzige Bayern unter 16 Teams. Jedes Bundesland schickt nur eine Mannschaft in den Wettbewerb – immerhin 600 Mannschaften gibt es in Deutschland. Titelverteidiger ist die Reha-Werkstatt Oberrad aus Frankfurt.
Fußball ist an der WfB, mit 500 Beschäftigten eine der größten deutschen Werkstätten, neben Schwimmen und Bildungszentrums-Kursen offizieller Betriebssport. 1983 formierte sich die erste Mannschaft. Während seither auch weltweit das Selbstbewusstsein im Behindertensport wuchs, schnitten die Nürnberger in den Turnieren der bayerischen Lebenshilfe in den letzten Jahren immer besser ab. Jetzt sind sie Landessieger und damit für die Meisterschaft qualifiziert, die die Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes mit drei Verbänden seit neun Jahren veranstaltet.
An die 25 Männer und eine Frau aus allen Betriebszweigen der Werkstatt kommen derzeit regelmäßig zum zweistündigen Training am Freitag. Sie sind unterschiedlich stark geistig behindert, leben selbstständig mit loser Alltagsbetreuung oder in Wohngruppen. Ein Spieler überwindet beim Sport sogar eine spastische Lähmung. Die zwölf Stärksten, die jetzt nach Duisburg reisen, 17 bis 48 Jahre alt, sind vor allem durch Lernbehinderung und psychische Erkrankungen beeinträchtigt.
Neben Torwart Benni zählt dazu etwa der 19-jährige Druckereimitarbeiter Ferhat, der als Stürmer so fit ist, dass er in der Bayernauswahl für die Behinderten-Nationalmannschaft spielt. Der 25-jährige Martin, Hausmeisterhelfer, ist patent in der Abwehr. Und Ersatztorwart Georg, mit 48 der Senior, leidenschaftlicher Club-Fan, schwärmt noch immer davon, wie er mit der WfB-Mannschaft einmal im Frankenstadion Nürnberger Stadträte im Freundschaftsspiel besiegte.
Wer sie auf dem Stadionnebenplatz fünf gegen fünf kicken sieht, bemerkt zunächst keinen Unterschied zu nichtbehinderten Hobbyspielern. «Bei der Kondition hängen sie uns oft ab», sagt Martin Sextl, Arbeitsgruppenleiter in der Werkstatt und nebenbei mit seinem Kollegen Andreas Auerbacher Trainer. Wenn, dann hapert es am Reaktionsvermögen: Es kommt vor, dass ein Spieler einfach stehenbleibt, ratlos, was das Gegenüber von ihm will. «Sie müssen lernen, dass sie miteinander spielen und nicht jeder für sich», sagt Auerbacher. Doch seine Allerbesten, meint er, würden in einem Kreisklassenverein gar nicht auffallen. «Leider ist da aber die Akzeptanz zu klein.» Und die offiziell integrativen Sportvereine bestehen meist wieder fast nur aus Behinderten.
Deren Turnierregeln sind besondere. Sechs Mann und ein Torwart je Mannschaft spielen auf einem Kleinfeld. Eine Partie dauert zwei mal 15 Minuten. Es gibt kein Abseits, die Rückpassregel für den Torwart gilt allerdings. Der Hauptunterschied aber: Die Begeisterung ist größer als sonst im Fußball, beobachten Sextl und Auerbacher. In ihrer Truppe geht es gefühlsmäßig jede Woche um die Meisterschaft.
«Hauptsache, wir werden nicht Letzter», sagt Martin. «Klar gewinnen wir, Mann!», gibt sich Ferhat überzeugt. Unter die ersten zehn zu kommen, müsste drin sein, meinen die beiden Trainer. Ihr ehrenamtlicher Torwarttrainer aus einem Nürnberger Sportmodehaus hat der Mannschaft nagelneue Garnituren in Rot-Schwarz und Orange-Schwarz gestiftet. Einige Mitarbeiter der Werkstatt fahren den Spielern übermorgen hinterher, wie das Fans eben so tun.
Internet:
www.fussball-wfbm.de
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