Hier tobte das Nachtleben
Die Luitpoldstraße: Nürnbergs sündige Meile der 50er Jahre
9.10.2014, 17:03 UhrGing die Sonne unter in Nürnberg, damals, in den frühen 50er Jahren, dann schillerte und leuchtete es unverhofft in der Stadt, die der Weltkrieg einst in ein Trümmerfeld verwandelt hatte: die Luitpoldstraße, "die Glitzerstraße, wo bunte Neonlichter sich im frischen Asphalt spiegeln", schrieb Egon Fein über das damalige Zentrum des Nürnberger Nachtlebens.
1928 geboren, war Fein als junger Lokaljournalist in seiner Heimatstadt unterwegs, in den Wirtschaftswunderjahren, und er erinnert sich daran später in seinem Buch "Nürnberg in den 50ern": "Abseits aller Alltagssorgen sucht der Mensch ... jetzt verstärkt nach Lustbarkeit und lockerer Kurzweil", und er fand sie im "Sündenbabel" – das war durchaus anerkennend gemeint – Luitpoldstraße.
Da gab es die "Königin-Bar" mit ihrem betressten Türsteher und, ein paar Treppen tiefer, das "Gärtla": "runde Tanzfläche und einschmeichelnde Musik, zu gewissen Zeiten sogar ein echter Stehgeiger", notierte Egon Fein. Während sich in diesen Bars vornehmlich "Herren der gehobenen Preisklasse aus Nürnbergs Industrie und Handel" die Zeit vertreiben, bei Champagner und "ausgesuchten Bardamen", war das "Trocadero" im ersten Stock günstiger – sowohl zum Trinken als auch zum Anbandeln.
"Jeden Abend spielt dort ... eine ausgewachsene Vier- bis Sechs-Mann-Band echte Live-Musik, deutschen und amerikanischen Sound ... die Tanzfläche ist meist stark frequentiert, und hier wird eng geschwoft“, schreibt Egon Fein. Sein Urteil: "Ein klinisch sauberer Laden, dezent abgedunkelt und deshalb gut geeignet zum 'Aufreißen', denn Mädchen kommen auch ohne Begleitung, zu zweit oder zu dritt."
"Auf der Suche nach einem Girl"
Ein paar Häuser weiter, Richtung Sterngasse, vergnügen sich im "Fliegenden Holländer" vor allem GIs. Fein: "Die Mädchen sind zahlreich, willig und in der Mehrzahl billig, die Musik ist heiß bis wild, live natürlich." Die jungen amerikanischen Soldaten seien "immer auf der Suche nach einem frischen Drink und einem nicht mehr ganz so frischen Girl".
Zwei Ecken weiter, in der heutzutage wieder sehr beliebten Klaragasse, residiert die noble Bar "Rigoletto" - "klein, aber fein und teuer" -, schräg gegenüber die "Wacht am Rhein": "eine Art Wohnzimmer für Kellner, Barfrauen, Tänzerinnen, Musiker, Journalisten und ähnliche Nachteulen." Diese wollen gerne unter sich bleiben, weshalb alle Gäste eine Gesichts-Kontrolle bestehen müssen: "Erstmals läutest Du, denn die Tür ist verschlossen. Dann öffnet sich ein Fensterchen in der Eingangstür, das ... Gesicht des Wirts erscheint." Nur Stammgäste erhalten Eintritt.
Nach der Polizei- und Schlussstunde um fünf Uhr in der Früh verkürzte sich Fein "mit einigen kurzen Stehbieren aus der Flasche" die Zeit, bis der "Letzte Tropfen" in der Pillenreuther Straße aufmacht: "ein Lokal wie ein Ladengeschäft, hineingepfercht in einen hässlichen ... Notbau, ein echter ,Lumpensammler’. Die Sitten sind rauh". Wirtin Fanny dulde keine renitenten Gäste, sie schlage zu und wisse, "wo Männer empfindlich sind". Das Nachtleben wohnt nun, mehr als 60 Jahre später, an vielen Plätzen in Nürnberg. Und: Auf Gastlichkeit wird nun sehr viel mehr Wert gelegt.
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