Die Zustell-Zukunft hat in Nürnberg schon begonnen

24.11.2010, 14:36 Uhr
Die Zustell-Zukunft hat in Nürnberg schon begonnen

© Roland Fengler

Es trinkt nicht, stinkt nicht und liebt den leisen Auftritt. Unbemerkt bleibt das Elektrofahrzeug des Lieferdienstes UPS (United Parcel Service), das seit Februar überwiegend in der Sebalder Altstadt seinen Dienst versieht, dennoch nicht. »Wie weit kommt man damit denn?«, fragt ein älterer Herr vor einer Brauerei in der Bergstraße skeptisch.

»Ist da kein Motor drin?« oder »Sind Sie schon oft liegengeblieben?« sind weitere Fragen, die Gregor Ammon (44) fast täglich hört. Mit Engelsgeduld gibt der UPS-Mitarbeiter wieder und wieder die selben Antworten: »Das Fahrzeug kommt bei normaler Witterung so etwa 100 Kilometer weit, meine Tour umfasst aber nur etwa 60 Kilometer – das reicht ganz locker.« Über einen »Hilfsmotor« verfügt das Modell des britischen Herstellers Modec nicht – es hat Ammon aber auch noch kein einziges Mal im Stich gelassen. »Ich bin von der Zuverlässigkeit sehr positiv überrascht«, gibt Ammon zu, der immerhin den Großteil seiner 19 Dienstjahre in den herkömmlichen Dieselmodellen gefahren ist.

Sein Arbeitsalltag hat sich durch die »elektrische Revolution« allerdings kaum verändert: Er beginnt gegen halb neun im UPS-Stützpunkt im Nürnberger Hafen. Hier haben Teilzeitkräfte in den frühen Morgenstunden rund 40 der bekannten braunen Paketlieferwagen mit Sendungen beladen. Der Innenraum des Lieferwagens ist in vier Sektionen unterteilt, in deren einzelnen Bereichen die Pakete streng systematisch angeordnet werden – eben wie es die später zu fahrende Route verlangt. In die vordersten der rutschfesten Regalfächer kommen die Express-Sendungen, die am Morgen als erstes zugestellt werden müssen. Bevor der Fahrer die Tour beginnt, checkt er noch einmal die geladenen Sendungen durch – und los geht’s.

Zwei Dinge fallen an Bord des Modec sofort auf: Das Fahrzeug gleitet fast lautlos dahin – trotz des respektablen Gewichtes von fast vier Tonnen, zu dem alleine die Lithium-Ionen-Akkus rund eine Tonne beisteuern. Nur beim Anfahren gibt der 102 PS starke Elektromotor, der bei einem Drehmoment von 3000 Newtonmetern maximal 8000 Umdrehungen schafft, ein moderates Surren von sich. Das spartanisch ausgestattete Cockpit wird neben dem Tachometer – das Modec schafft bis zu 80 Stundenkilometer – von einer digitalen Ladeanzeige für die Batterien dominiert.

Drückt Ammon bei dem automatikgetriebenen Fahrzeug auf das Gaspedal, schnellt links von der Anzeige ein roter Balken nach oben – bremst er ab, wächst hingegen rechts ein blauer Balken. »Die rote Anzeige steht für die Energie, die beim Fahren verbraucht wird, die blaue zeigt die beim Bremsen zurückgewonnene Energie«, erläutert Ammon.

Als das Fahrzeug gegen neun Uhr die Altstadt erreicht, ist man von dem angenehmen Dahingleiten fast ein wenig eingelullt. Doch jetzt beginnt Ammon mit der Zustellung der Express-Sendungen – und da herrscht hohes Tempo. Mit traumwandlerischer Sicherheit weiß der erfahrene UPS-Mann, wo sich welches Paket im Fahrzeug befindet. Bei der Zustellung immer dabei: Der Scanner, ein etwa taschenbuchgroßer Computer, der den Strichcode auf dem Paket dem Empfänger zuordnen kann und gleichzeitig auch die Empfangsbestätigung aufnimmt. »Die Zentrale kann außerdem über Funkkontakt noch Adressen für eine Abholung rüberschicken«, erklärt Ammon. Und ist im nächsten Augenblick mit einem ausladenden Paket unter dem Arm verschwunden. Wie von Geisterhand verriegelt sich das Lieferfahrzeug selbst, wenn Ammon eine gewisse Entfernung überschreitet. Als er einige Augenblicke später wieder am Fahrzeug auftaucht, berührt er mit einem Armband am rechten Handgelenk einen Sensor außen am Fahrzeug – und die Tür entriegelt sich. »Mitten in der Fußgängerzone sind Expressdienste schon Opfer von Gelegenheitsdieben geworden«, erklärt Ammon kopfschüttelnd. Diese wirkungsvolle Schutzmaßnahme ist bei allen moderneren UPS-Fahrzeugen mittlerweile Standard.

Und schon geht es weiter zum nächsten Kunden. Zehn Zulieferstopps in weniger als einer halben Stunde - Ämter, die Uni, diverse Läden und Praxen, aber auch Privatpersonen erhalten ihre Ware von Ammon ausgehändigt. »Das unterscheidet sich von Tag zu Tag ziemlich. Mal ist viel Expressgut dabei, mal viele Privatsendungen, mal häufen sich Pakete per Nachnahme«, sagt Ammon. Bis nachmittags gegen halb drei hat er rund 110 Zulieferstopps absolviert. Danach kommen noch einmal zwischen 20 und 30 Abholungen dazu.

Für die Tour durch die Altstadt rund um die Burg mit ihren oft sehr engen Gassen ist das Modec neben seinen kompakten Maßen – knapp über sieben Meter Länge bei einer Breite von 2,2 Metern – noch aus einem weiteren Grund besonders qualifiziert: »Der Wendekreis beträgt nur elf Meter«, schmunzelt Ammon und kurbelt knapp um eine scharfe Ecke.

Einziges Manko des E-Fahrzeugs ist die derzeit noch geringe Kapazität an Zuladung: Rund 1,5 Tonnen auf 16 Kubikmeter – das ist für einige Touren definitiv zu wenig, weiß Ammon aus Erfahrung. Dennoch ruht sein Blick liebevoll auf dem futuristischen Gefährt: »Sobald die die Technik so weit haben, dass man im privaten Bereich so 300 Kilometer weit kommt, lege ich mir ein E-Auto zu.«

Und wie sieht es in den kommenden Jahren mit noch mehr E-Mobilen bei UPS aus? Lars Purkarthofer, bei UPS Deutschland für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, glaubt fest an die Zukunft der Technologie: »Wir haben in ganz Deutschland über 3500 Fahrzeuge – es gibt kaum einen alternativen Antrieb, der da nicht mit dabei ist,« sagt der Sprecher. Das Nürnberger E-Mobil ist eines von insgesamt sechs, die UPS in Deutschland im Arbeitsalltag testet. »Vor allem auch die Ladezeit von drei bis vier Stunden und die unproblematische Verfügbarkeit des ,Treibstoffs‘ sprechen für das Modec«, sagt Purkarthofer.

Problematisch ist im Augenblick noch der Preis, der mit 85 000 Euro rund das Doppelte eines normalen Dieselfahrzeugs beträgt. »Derzeit ist deswegen eine Ausweitung der Flotte mit E-Fahrzeugen auf breiter Ebene nicht wirtschaftlich«, bedauert Purkarthofer.

Allerdings rechnet er fest damit, dass sich die Kosten in den kommenden zehn Jahren mit zunehmendem Know-how in der Akkutechnik positiv entwickeln werden. Gut möglich also, dass die leisen braunen Mobile in naher Zukunft aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind.
 

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