Ein Besuch bei den Heiligen – nicht nur für Fromme
15.12.2017, 20:50 UhrUnser Rundgang beginnt in der Weißgerbergasse 26. Passen die Ockerfarbe des Fachwerks und der goldfarbene Umhang der Heiligenfigur nicht perfekt zusammen? Und doch sind Statue und Haus erst 1977 durch die Initiative der Altstadtfreunde eine Einheit geworden. Der Originalstandort der Figur – Dötschmannsplatz 13 – existiert seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das hochspringende Tier, eine junge Hirschkuh, lässt uns den Heiligen als Ägidius identifizieren. Der Einsiedler pflegte das verletzte Tier, fortan wurde es zu seinem Attribut.
Auch die Madonna am Haus Irrerstraße 13 ist durch die Altstadtfreunde wieder ins Stadtbild zurückgekehrt. Die Nachbildung wurde 1980 aufgestellt, das Original befand sich bis 1945 in der Theresienstraße 21 – eine Adresse, die es seit der Verbreiterung der Tetzelgasse auch nicht mehr gibt. Maria erscheint hier als eine Bürgersfrau. Die Mondsichel, auf der sie steht, ist schwer zu erkennen, da die gesamte Statue holzbraun getönt ist.
Lebten am Weinmarkt einst besonders fromme Nürnberger? Fast könnte man es meinen, tummeln sich doch hier insgesamt fünf Heilige auf engstem Raum. Zwei Madonnen stehen am Beginn der Treppe hoch zur Albrecht-Dürer-Straße. Früher war hier eine befahrbare Gasse. Wegen der Steigung soll es viele Unfälle gegeben haben – ein doppelter Marienschutz konnte also nicht schaden! Die linke Madonna stammt von 1370. Konsole und Baldachin in gotischem Maßwerk bilden den passenden Rahmen für die Darstellung Marias als Himmelskönigin mit Krone und Zepter. Sie ist von einem Strahlenkranz umgeben und steht auf einer Mondsichel. Das Jesuskind umfasst eine Weintraube – Symbol für den Wein beim Abendmahl und damit für das Blut, das am Kreuz für die Erlösung der Menschen vergossen wurde. Zwischen Kind und Mutter herrscht eine auffällige Distanz.
Ganz anders die 150 Jahre jüngere Madonna gegenüber, die wohl von Veit Stoß stammt: Der zappelige Jesusknabe zupft übermütig am Gewand der Mutter, die ihn fürsorglich mit beiden Händen hält. Das Kind ist völlig nackt, schräg gegenüber wird sein Unterkörper durch Marias Gewand verhüllt. Die Nacktheit zeigt, dass Gott in Jesus vollständig Mensch geworden ist. Der Apfel symbolisiert die Sünde, von der Jesus die Menschheit durch seinen Tod am Kreuz erlöst hat. Das bärtige Gesicht in der Mondsichel unter Maria wird unterschiedlich erklärt.
Der geflügelte Löwe mit Heiligenschein und Buch am Weinmarkt 10 ist das Symbol des Evangelisten Markus. Das Relief ist eine exakte Kopie des im Zweiten Weltkrieg beschädigten Originals aus dem 14. Jahrhundert; es wurde im Jahr 2004 von den Altstadtfreunden in Auftrag gegeben und angebracht.
Als Goethe einst das ehemalige Praun’sche Kunstkabinett, Weinmarkt 6, durch seinen Besuch adelte, verlor er kein Wort über das Relief an der Fassade, obwohl es von einem der größten Künstler Nürnbergs stammt, nämlich von Adam Kraft. War Goethe ein Kunstbanause? Nein, denn das Relief wurde erst vor 40 Jahren durch die Altstadtfreunde eingebaut. Hier herrschen dieselben Lichtverhältnisse wie am Haus Theresienstraße 23, wo das Original im Krieg zerstört wurde. Dargestellt ist der heilige Georg im Kampf gegen den Drachen. Rechts hinten erkennen wir die Prinzessin, die dem Ungeheuer geopfert werden sollte, durch Georgs Intervention jedoch überlebte.
Der "Popstar" unter den Heiligen
Ein Riese, den man übersieht? So ergeht es oft der nur 60 Zentimeter hohen Christophorus-Figur am Weinmarkt2 in der Nische neben dem Rokoko-Chörlein. Christophorus, gestützt auf einen Baumstamm, trägt das Jesuskind, das sich an seine Haare klammert. Obwohl es über Christophorus keine historischen Fakten gibt, ist er zu einer Art Popstar unter den Heiligen avanciert. Ein Gebet zu ihm schützte vor dem plötzlichen Tod im Zustand der Ungnade. Er ist oft in monumentaler Größe dargestellt, um möglichst weit sichtbar zu sein – so auch am Südturm der Sebalduskirche. Heutzutage sorgt Christophorus vor allem für Autofahrer: Er begleitet sie durch den tosenden Strom des Verkehrs.
Hand aufs Herz: Haben Sie schon einmal die Sandsteinmadonna am Haus Albrecht-Dürer-Platz 3 betrachtet? Sie stammt aus dem Jahr 1953. Die Literatur behandelt sie stiefmütterlich, obwohl sie ein interessantes Beispiel dafür ist, wie in der Wiederaufbauzeit ein offenbar geschichtsbewusster Bürger bereit war, Geld zu investieren, um an die lange Tradition von Nürnberger Bauelementen anzuknüpfen.
Sehr viel bekannter ist die Madonna gleich gegenüber, am Schürstabhaus. Das Wappen unter ihrer Konsole zeigt zwei gekreuzte Schürstäbe: ein Hinweis auf die gleichnamige Patrizierfamilie, die hier residierte. Die Statue mit ihrer goldfarbenen Krone, die im Abendlicht so herrlich glänzt, gehört zweifellos zu den schönsten Nürnberger Hausmadonnen. Und das, obwohl sie – anders als einst das Original – nicht farbig gefasst ist. Es stört auch nicht, dass Maria längst kein Zepter mehr in ihrer Rechten trägt.
Sankt Nikolaus ganz ungewohnt
Nicht jeder wird den Herrn am Hauseck Albrecht-Dürer-Platz 14 als Nikolaus erkennen, entspricht er doch so gar nicht der geläufigen Vorstellung vom Rauschebartträger im Kapuzenmantel, der obendrein immer mehr mit der Kunstfigur des Weihnachtsmanns verschmilzt. Viele Kinder halten ihn für einen Jongleur – hat er doch drei goldene Kugeln in der Hand. Der Legende nach hatte ein armer Kaufmann keine Mitgift für seine drei Töchter, so dass sie ins Bordell mussten. Nikolaus hörte davon und brachte heimlich drei Goldklumpen zu den Mädchen, die nun heiraten konnten. Diese Geschichte über den Heiligen ist wohl der Grund dafür, dass Nikolaus als Geber guter Gaben und Freund der Kinder gilt.
Die auf Initiative der Altstadtfreunde angefertigte Figur wurde am Nikolaustag 1977 eingeweiht, wodurch der nüchterne Nachkriegsbau ein reizvolles Schmuckstück erhalten hat. Das Original stand einst am Inneren Laufer Platz 13, heute befindet sich dort die Freifläche mit dem Grübelsbrunnen.
Der Engel Gabriel, Burgstraße 1, ist zwar kein Heiliger, aber doch Angehöriger himmlischer Sphären. Außerdem war er einst nicht solo, sondern sprach sein "Ave Maria" zur heiligen Muttergottes, deren Figur sich gegenüber am Haus Rathausplatz 7 befand. Als Verkündigungsengel steht er fast programmatisch am Haus der Evangelisch-Lutherischen Kirche, einem Neubau von 1997. Vermutlich hat er in seiner 600-jährigen Geschichte thematisch noch nie so gut hierher gepasst wie heutzutage. Das Original wurde bereits 1886 ans Germanische Nationalmuseum übergeben.
Bronzefigur am Wandbrunnen
Unser Rundgang endet im beeindruckenden Welserhof Theresienstraße 7. Er ist wochentags frei zugänglich. Beim Eintreten fällt der Blick sofort auf den kleinen Wandbrunnen. In einer Nische steht dort eine 60 Zentimeter hohe Bronzefigur des heiligen Mauritius. Das Original wurde von dem großen Nürnberger Erzgießer Peter Vischer für den Magdeburger Dom geschaffen, ein Zweitguss aus des Meisters Hand schmückte den Welserhof ab 1870. Er wurde 1914 durch eine Kopie ersetzt – zum Glück, denn diese wurde 2001 gestohlen. Eigenartigerweise wurde der Diebstahl damals wochenlang nicht bemerkt. Erst 2016 wurde der Brunnen wieder vervollständigt – durch eine perfekte Replik, die die Altstadtfreunde im Kunsthandel erwerben konnten. Ob der Diebstahl wohl jemals aufgeklärt wird?
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