«Es geht um die Sache, nicht um Mandate»

29.02.2008, 00:00 Uhr
«Es geht um die Sache, nicht um Mandate»

Victor Strogies (27) wiederum hat sich bei der Nominierungsversammlung der SPD um Rang neun bemüht, aber gegen «Urgestein» Arno Hamburger verloren. Jetzt tritt er auf dem wohl aussichtslosen Platz 57 an. Aber schon seine Bewerbung für Rang neun war eher symbolisch gemeint: «Ich wollte ein Zeichen setzen für St. Leonhard und Schweinau.» Diese Stadtteile, die als soziale Brennpunkte gelten, vertrete nämlich kein anderer SPD-Stadtratskandidat. Deshalb, meint der Politologe und Rechtsreferendar, sei es wichtig, dass er auf der Liste stehe - und sei es auch nur weit hinten.

Der Gedanke, eine unterrepräsentierte Gruppe zu vertreten, treibt auch CSU-Mann Markus Tischner (35) um. Der Metzgermeister findet, dass es zu wenig Handwerker in der Politik gibt. «Die SPD hat viele Funktionäre, und bei uns sind viele Rechtsanwälte. Es sind ingesamt zu viele Theoretiker.» Mit Platz 47 steht er besser da als Strogies und Böck, aber dennoch sind seine Chancen wohl eher gering. Genau wie Strogies findet er jedoch: «Es geht um die Sache, nicht um Mandate.»

Ähnlich denkt Malte Christiansen (28), die Nummer 68 bei der SPD. «Ich wurde von den Genossen gefragt, ob ich kandidiere, weil ich mich an Diskussionen immer sehr beteilige. Ich strebe jetzt nicht wirklich an, in den Stadtrat reinzukommen.» Weil er als Arbeitsvermittler beruflich eingespannt sei, habe er sich im Wahlkampf auch nicht so intensiv engagieren können.

Ganz anders Julia Kempken (47) - sie hat in der Innenstadt mit Stepptanzaktionen Wahlwerbung gemacht. «Damit bin ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt», sagt die Chefin der «Tanzfabrik» und des Kleinkunsttheaters «Rote Bühne», die als Straßenkünstlerin angefangen hat. Ihr Listenplatz 21 wäre bei SPD und CSU ziemlich aussichtsreich - Kempken aber kandidiert für die Grünen. Und auch in dieser Beziehung ist ihr Engagement eine Reise in die Vergangenheit, denn die Ex-Hausbesetzerin gehörte 1979 zu den Gründungsmitgliedern des Nürnberger Kreisverbandes der Grünen. «Damals waren wir Exoten, weil wir den Umweltschutzgedanken vehement vertreten haben. Heute hat sich vieles durchgesetzt.» Kempken war politisch lange nicht mehr aktiv, nun aber «will ich mit meiner Popularität den Grünen helfen».

Sein Bekanntheitsgrad in der Stadt könnte auch Helmut Beer, Autor und Herausgeber zahlreicher Werke zur Stadtgeschichte, bei den Guten einige Plätze nach oben katapultieren. Er kandidiert auf Rang 17; mittlerweile bereut er es ein wenig, dass er sich nicht um einen besseren Platz bemüht hat. «Viele denken, ich meine das nicht so ernst mit der Kandidatur. Aber wenn ich etwas mache, dann richtig.» Früher war der 61-Jährige in der SPD. Dort ist er 1998 aus Protest gegen «Auto-Schröder» ausgetreten. An den Guten hat ihm vor allem Stadtrat Stephan Grosse-Grollmann und dessen Arbeit im Filmhauskino überzeugt. Unabhängig davon, ob es klappt mit dem Einzug in den Stadtrat - der Politik will Beer, der im Stadtarchiv arbeitet und 2009 in Rente geht, «auf seine alten Tage» erhalten bleiben.

Ihren Abschied nimmt dagegen Hiltrud Gödelmann, die für die Grünen 24 Jahre lang im Stadtrat saß. Sie hat sich noch einmal aufstellen lassen, diesmal aber nur auf dem aussichtslosen Rang 49. «Eigentlich wollte ich die 52, weil ich 52 Jahre alt bin. Aber die geraden Zahlen gehen bei uns an die Männer.» Ihre Nominierung sei eine reine «Unterstützungskandidatur» für die Spitzenkandidaten und die Partei. Die Bibliothekarin, die vor allem die Arbeit im Stadtplanungsausschuss und in der Integrationskommission vermissen wird, glaubt nicht, dass die Wähler sie als Abschiedsgeschenk noch weit nach vorne wählen. «Ich weiß gar nicht, ob die Leute die lange Liste lesen. Außerdem wird da immer sehr nach Berufen gegangen. Bei uns machen immer die Biobauern die größten Sprünge.»

Den größten Sprung in den Stadtrat hinein machte 2002 Theodoros Agathagelidis (SPD), der von 43 auf 24 vorgewählt wurde. Tischner (von 61 auf 59) und Strogies (von 62 auf 61) waren damals auch schon dabei und machten ebenfalls Plätze gut. «Ich war der jüngste Kandidat der SPD und konnte mich als einziger von den unter-35-Jährigen Nicht-Stadträten verbessern», erinnert sich Strogies. Aber auf diesen hinteren Plätzen, meint er, sei dies ja «eher ein Spiel». Wenn es sensationell doch klappen sollte mit dem Stadtrat, haben die Kandidaten indes sehr konkrete Vorstellungen: Kempken und Christiansen würden sich für Integration einsetzen, Tischner für den Ausbau des Nahverkehrs, Strogies für mehr Bürgernähe, Beer für die Kultur, Böck für Nürnberg als Sporthochburg. Am Sonntag aber werden sie wohl mehr für ihre Parteien fiebern als für sich selbst. «Ich hab’ ja den Vorteil, dass mich niemand überholen kann», sagt Böck lachend. So gesehen kann auch ein letzter Platz komfortabel sein.

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