Fossile Schatzgrube

29.8.2009, 00:00 Uhr
Fossile Schatzgrube

© Orgeldinger

«Wir haben in Wattendorf völlig neue Arten und sogar Gattungen von Urzeittieren entdeckt», schwärmt Museumsleiter Matthias Mäuser. Dazu gehören neben Lebensspuren und versteinertem Kot zahlreiche wirbellose Tiere, Hunderte von Fischen, zwei Brückenechsen, zwei Schildkröten, Krokodilreste, mehrere Engelhaie und Quastenflosser. Darunter sogar einer, der mit über einem Meter Länge der größte Quastenflosser sein dürfte, der jemals in einem Plattenkalk dieses Erdzeitalters gefunden wurde.

Zwar gab es schon früher Hinweise auf Plattenkalkvorkommen in der Nördlichen Frankenalb. Ihre wissenschaftliche Bedeutung wurde jedoch erst 2002 erkannt, als Thomas Bechmann, Präparator des Naturkunde-Museums, in einem Steinbruch auf Reste von Krebsen und kleinen Knochenfischen stieß.

Der Steinbruchinhaber erteilte eine Grabungsgenehmigung und half sogar, die Fundschichten mit Baggern freizuschaufeln. Obwohl pro Jahr nur eine Fläche von etwa 80 Quadratmetern geöffnet wurde, konnte das Museumsteam bis jetzt schon rund 5000 Fossilien bergen.

Kalkstein ist ein wichtiger Rohstoff. Und Deutschland profitiert davon, dass die Meeresbewohner vergangener Erdzeitalter so fleißige Gerüstbauer waren. Ob Korallen, Muscheln, Schwämme, Schnecken oder Ammoniten: Da ihre Skelette nicht verwest sind, türmten sie sich im Laufe von Jahrmillionen zu dicken Schichten auf. Unter dem Druck neuer Ablagerungen entstand Kalkstein. Aus dem Boden des ehemaligen Jura-Meeres entwickelten sich Schwäbische und Fränkische Alb.

Im Wattendorfer Steinbruch, nordöstlich von Bamberg, wird eine besonders reine Form von Kalk und Magnesiumkalk (Dolomit) abgebaut, der im Oberen Jura durch riffbildende Mikroben und Schwämme entstanden ist.

Im Norden der Grube erkennt man das versteinerte Riff. Im Süden sind die Ablagerungen der ehemaligen Lagune zu sehen, der so genannte Wattendorfer Kalk. An einigen Stellen im Steinbruch ist der Kalk ungleich durchmischt, birgt aber außergewöhnlich viele Fossilien.

«Solnhofen ist die berühmteste Fossillagerstätte der Welt, weil dort unter anderem der Urvogel Archaeopteryx gefunden wurde», sagt Museumsleiter Mäuser.

Er hofft, dass der Glanz der Solnhofener Schichten, die in der Südlichen Frankenalb zwischen Solnhofen und Kelheim vorkommen, auch auf die in Wattendorf fällt. Denn beide Sedimente sind auf die gleiche Weise entstanden und bergen exzellent erhaltene Fossilien.

Die Fossildichte von Wattendorf dürfte allerdings noch viel größer sein. Mäuser und sein Team haben bisher gerade einmal 56 Kubikmeter Gestein untersucht und dabei über 100 verschiedene Tier- und Pflanzenarten gefunden. Das Solnhofener Ökosystem umfasst etwa 550 Arten. Allerdings: In der Gegend um Solnhofen wird der Plattenkalk seit dem 15. Jahrhundert in großem Stil abgebaut. Wo in Wattendorf nun Fossilien aus der Erde gegraben werden, lag einst ein subtropisches Flachmeer mit 26 Grad Durchschnittstemperatur: Fische, Kopffüßler, Schildkröten und Schwimmkrebse tummelten sich im Wasser. Doch schon 20 bis 50 Meter unter der Wasseroberfläche begann die Todeszone. Denn das Bodenwasser der Lagunen war salzhaltig und weitgehend sauerstofffrei. Wer so tief sank, hatte nur noch wenige Sekunden zu leben.

Da die Riffe den Zustrom von frischem Meerwasser blockierten, blieben die Senken für längere Zeit lebensfeindlich. Kein Aasfresser zerfledderte die Leichen, keine Strömung veränderte ihre Lage. Die kegelförmige Schnecke Bathrotomaria finden wir noch heute so, wie sie auf dem Meeresboden landete.

Es gab auch keine nennenswerte Zersetzung durch Mikroorganismen. Vielmehr wurden die Kadaver von Mikroben überwuchert, die wie ein Schutzfilm wirkten. Feiner Kalkschlamm legte sich wie ein weiches Vlies über die Grabesgemeinschaft. Die Tierwelt wurde so behutsam eingebettet, dass man nach vielen Millionen Jahren noch die mineralisierten Reste von Weichteilen, Hautabdrücken und den Mageninhalt erkennt.

Es gibt keine andere Fundstelle vergleichbarer Qualität wie die in Wattendorf, glauben viele Forscher. Die Funde aus der Wattendorfer Lagune sind sogar bis zu 500 000 Jahre älter als die Solnhofen-Formationen. Das belegt ein kleiner Ammonit, der in der Solnhofen-Formation schon ausgestorben, in Wattendorf aber noch zu finden ist.

Archäologen freuen sich, wenn sie Abfallgruben und Gräber finden, denn diese erzählen vom Leben. Bei Paläontologen ist dies nicht anders. Wattendorf ist ein Friedhof. Hier liegen die abgesunkenen Reste von Fischmahlzeiten neben Tieren, die in der Todeszone erstickt sind.

Hier liegt ein marines Krokodil neben Riffbewohnern, die ein Sturm entwurzelt hat. Fast jede Kalkplatte, die man aufschlägt, birgt Überraschungen. Selbst Landtiere, die auf den umliegenden Inseln lebten, wurden in die Lagunen gespült und versanken dort.

Die Fossilien aus der Wattendorfer Lagune sind das Ergebnis einer langen Reihe von Glücksfällen für die Wissenschaft: Die Existenz der Todeszone, die schützenden Mikrobenmatten, der feine Kalkschlamm, die lokal begrenzte Tektonik, die Entdeckung 2002 und die Grabungsgenehmigung.

Die Ausstellung «Frankenland am Jurastrand. Versteinerte Schätze aus der Wattendorfer Lagune» im Naturkunde-Museum Bamberg ist bis zum 30. September zu sehen, und zwar in der Fleischstr. 2, 96047 Bamberg,

Tel.: (09 51) 8 63 12 49, www.naturkundemuseum-bamberg.de