„Frauen ticken einfach anders“

18.03.2011, 17:36 Uhr
„Frauen ticken einfach anders“

© Wolfgang Zink

Diejenigen, die den Sport betreiben, sehen das erfahrungsgemäß anders. Seit 23 Jahren kämpfen die Mädchen und Frauen des 1.FC Nürnberg gegen solche und noch viele andere Vorurteile. Und damit, dass sie in ihrer Liga so verhasst sind wie der FC Bayern in der Männer-Bundesliga. „Frauen ticken anders“, gibt Peter Wießmeier, Trainer der ersten Mannschaft, unumwunden zu. Schon deswegen hat man zwar den Geburtstag der einzelnen Spielerinnen auf der Internetseite vermerkt, die Jahrgänge aber mit einem X versehen. Dem einen suggeriert es: Frauen sind eitel. Den anderen: Beim Frauenfußball gibt es kein Verfallsdatum. Sie spielen immer gut.

„Die Traineransprachen müssen sensibler sein. Frauen vergessen nicht so schnell, was man ihnen vorwirft“, führt Wießmeier weiter aus. Wenn ein Trainer seiner Männer-Mannschaft in der Halbzeitpause den Marsch bläst, vergessen die Spieler ihren Groll, sobald sie wieder auf dem Platz stehen oder spätestens beim Abpfiff – Frauen nicht. Sie sind auf ihren Trainer unter Umständen noch Wochen später sauer. Wießmeier muss es wissen. Zwölf Jahre hat er Jungen- und Männermannschaften beim VfR Moorenbrunn trainiert, bevor er vergangenes Jahr zum FCN wechselte.

Der 45-Jährige muss nicht lange überlegen, warum er lieber Frauen trainiert: „Frauen sind belastbarer und williger, dazu zu lernen. Außerdem ist ihr Spiel technisch schöner anzusehen. Jeder Spielzug ist durchdacht.“ Wießmeier kommt ins Schwärmen, wenn er von seinen „Haseles“ aus der Regionalliga spricht. Nie mehr würde er wieder Männer trainieren wollen. Jedem, der ihn dafür belächelt, entgegnet er: „Schau sie dir einmal an, wenn sie spielen. Dann reden wir weiter.“ Erfahrungsgemäß fällt das Urteil danach positiv aus – aber trotzdem gehen die meisten beim nächsten Mal lieber wieder ins Stadion zum Männerfußball.

Frauenfußball hat es auch nach dem WM-Titeln 2003 und 2007 nicht aus der Sparte der belächelten Randsportarten herausgeschafft. Für die Heim-WM diesen Sommer sind die Prognosen durchwachsen. Erfolgstrainer Bernd Schröder vom dreifachen deutschen Meister Turbine Potsdam hält den Frauenfußball in Deutschland für „ausgereizt“ und glaubt auch „nicht an einen großen Boom“ durch die WM im eigenen Land. DFB-Boss Theo Zwanziger warnt frühzeitig vor einem Sommermärchen-Vergleich mit der Heim-WM der Männer 2006.

„Es ist schon ein bestimmtes Klientel, das zum Frauenfußball geht“, sagt Andreas Hufnagl, Co-Trainer und Herz des FCN-Frauenfußballs. „Viele Frauen, wenig Männer und eine Gruppe Senioren, die uns seit Jahren die Treue hält.“

Tanja Lehnes stört das nicht. Die 21-jährige Mittelfeldspielerin ärgert sich vielmehr über die pauschalen Vorurteile, denen sie und ihre Mitspielerinnen oft begegnen: „Wir sind keine Truppe aus stämmigen Kampflesben, die sich beweisen müssen“, wird sie direkt. „Viele kennen Frauenfußball nur aus ihrem Heimatverein. Die spielen auf einem ganz anderen Niveau als wir.“ Die derzeit 19 Frauen des FCN trainieren viermal die Woche. Krafttraining, Ausdauer, Taktik. Dazu kommen die Spieltage am Wochenende.

„Frauen ticken einfach anders“

Die 17-jährige Mittelfeldspielerin Christina Hermann wird beispielsweise beinahe jeden Tag aus dem oberpfälzischen Etzenricht nach Nürnberg gefahren – 114 Kilometer sind das einfach. Ihr Vater wartet während des Trainings im Auto. Wer in die eingeschworene Truppe passt, entscheidet sich schnell. Aber die, die es geschafft haben, bleiben. Und kommen sogar verletzt zum Training. So wie Tanja Lehnes, die ihren linken Knöchel wegen einer Sehnenreizung dick eingetaped hat. „Die Mannschaft ist wie eine kleine Familie“, schwärmt Hufnagl. Lehnes nennt er gerne die „Mama der Kompanie“, weil sie für jeden ein offenes Ohr hat und die Couch in ihrer Wohnung jedem zur Verfügung steht. Die 21-Jährige hört den Begriff nicht gern. „Ich bin ein Mitglied der Mannschaft“, entgegnet sie diplomatisch.

Trotz des derzeit achten Platzes in der Regionalliga – zwei Punkte vor dem ersten Abstiegsrang – sind die Frauen zwischen 16 und 41 Jahren hochmotiviert, in der nächsten Saison wieder den Aufstieg in die zweite Liga zu schaffen. Schlimmer als momentan kann es sowieso nicht werden – zumindest aus Sicht von Andreas Hufnagl.

Von einem Tag auf den anderen ist im November Andreas Bößl als Vorstand zurückgetreten. Auch der sportliche Leiter Peter Jendorff legte sein Amt nieder. Hufnagl stand vor einem Scherbenhaufen. Geld fehlte an allen Ecken und Enden, Sponsoren ebenso. Nun hat Bürgermeister Klemens Gsell das Ruder bei den FCN-Frauen übernommen, Hufnagl ist sein Stellvertreter. Gsell will den finanziellen Abstiegskurs beenden (siehe Interview). Genauso, wie Wießmeier seine Mannschaft in der Liga wieder nach oben bringen will.

Aber auch in der Regionalliga bläst den Frauen ein starker Wind entgegen. Bei einem Hallenturnier in Weinberg im Januar 2010 wurden die FCN-Frauen von den Zuschauern bei jedem Tor, Vorstoß oder Tackling ausgebuht. Als der Sprecher in der Halbzeit die Führung der FCN-Männer gegen Werder Bremen durchgab, ging ein lauter Jubel durch die Halle. Fußballfans verfolgen ihre eigenen Gesetze. Eines davon heißt: Die FCN-Frauen sind die Bayern der Männer-Bundesliga. Doch die Mannschaft hat gelernt, damit zu leben. Genauso wie mit den vielen Vorurteilen.

Weitere Infos auf der Homepage des 1. FCN Frauen- und Mädchenfußball.

Keine Kommentare