Ganz große Pläne für das Atrium-Kino
21.1.2012, 09:50 UhrEs ist eisig kalt in dem Vorführraum. Die graugrünen Samtsessel, in denen die Zuschauer saßen, sind verräumt, stapeln sich im Keller und auf der Loge. Braune Holzstühle haben ihren Platz eingenommen. Auf der Bühne vor der Leinwand steht ein Keyboard, daneben ein Mikrofon. Eine Fahne in Schwarz, Rot, Grün liegt auf dem Instrument, es sind die Farben Afghanistans – „unser Kulturverein hatte hier schon ein Konzert“, erklärt Abdulghafur Karimzadah.
Der 32-Jährige, sein Vater Abdulkhliqu Karimzadah und Cousin Ahmad Nassir Bakhshi sind die neuen Eigentümer des Atrium-Kinos in der Wölckernstraße. Im Mai 2011 hatten sie es erworben, zusammen mit den fünf Büroräumen und zwei großen Wohnungen in den darüberliegenden Stockwerken. Wie viel sie dafür gezahlt haben, möchten sie nicht sagen. Was sie die Renovierungen gekostet haben, schon: Rund 70000 Euro hätten sie bisher reingesteckt, erklären Karimzadah und Bakhshi.
„Die Decke hatte zehn verschiedene Farben, weil es hineinregnete“, erinnert sich der 32-Jährige, der in Nürnberg mehrere Telekommunikationsläden betreibt. Als er vor Jahren in diesem Kino einen Film sehen wollte, habe man die Wassertropfen in Eimern aufgefangen. Die neuen Eigentümer dichteten unter anderem das Dach ab, richteten die Dekoration der Decke wieder her und strichen die Hausfassade in einem satten Orangeton.
Derzeit ruhen die Arbeiten. Im wärmeren März sollen sie weitergehen. Denn die drei Männer, die aus Afhganistan stammen und seit vielen Jahren in Nürnberg leben, haben Großes mit dem Atrium-Kino vor.
Tagsüber wird das Gebäude der Stadt zur Verfügung stehen, zum Beispiel für Vernissagen und Theatervorführungen, Tagungen und Tanzveranstaltungen. „Das ist zum Vorteil der Südstadt“, betont der 64 Jahre alte Abdulkhliqu Karimzadah. Gespräche über die Nutzungsbedingungen stehen an, ein Termin mit dem städtischen Kulturreferat ist in die Wege geleitet.
Abends soll das Atrium wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen. Doch die alten Samtsessel bleiben ausgemustert, die drei Eigentümer liebäugeln mit der Anschaffung von Sesseln und Tischchen, an denen während der Filmvorführung gespeist werden kann. Daher soll ein mobiles Podest die leichte Neigung des Bodens im Zuschauerraum ausgleichen. Tagsüber werde es im Keller oder im Außenbereich aufbewahrt, planen die Männer.
Damit das Atrium als Kino gegen die Konkurrenz bestehen kann, hoffen sie auf Hilfe von Franz Ach. Mit dem Betreiber des Rio-Kinos in der Fürther Straße könne man sich zusammentun, um beim Verleih an „tolle Filme“ zu gelangen. „Das würde Wolfram Weber vom Hocker hauen!“, sagt Abdulkhliqu Karimzadah voll Freude.
Den Betreiber des Multiplexkinos Cinecittà haben die neuen Eigentümer übereinstimmend als „Vernichter“ des Atriums ausgemacht. Weber hatte 1984 das Kino in der Wölckernstraße von Alfred Ach gepachtet. Dieser stammt wie sein Bruder Franz Ach aus einer alten Kinofamilie, die schon in der dritten Generation Lichtspielhäuser betreibt. Der Großvater der Gebrüder Ach hatte das Südstadtkino 1950 bauen lassen.
Als der Pachtvertrag 2009 auslief, wollte Wolfram Weber diesen nicht verlängern. Das Atrium war aber schon vorher in einem traurigen Zustand, so der Vorwurf. „Aus den Licht-Buchstaben am Eingang wuchsen Pflanzen“, erzählt Abdulghafur Karimzadah kopfschüttelnd.
Ergänzend zu den Aktivitäten im Kinogebäude möchte der 32-Jährige aus den darüberliegenden Büros eine Begegnungsstätte machen. In der Wölckernstraße 78, so der Plan, sollen Geschäftsleute aus dem afghanischen Kabul und dem fränkischen Nürnberg zusammenkommen. Jeden Sonntag zwischen 13 und 17 Uhr möchte Karimzadah in diesen Büros für seine Landsleute außerdem kostenlos Briefe übersetzen.
Die neuen Eigentümer sind überzeugt: „Nur so kann das Atrium am Leben erhalten werden.“
7 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen