Große Vorfreude und kleine Fluchten
02.06.2011, 10:00 Uhr
Zwei Tage vor Beginn des Musikspektakels watscheln die kanadischen Wildgänse etwas hilflos über einen der Parkplätze. Es hat geregnet, die Tropfen fallen von den Bäumen, über dem 800000 Quadratmeter großen Areal ist Vogelgezwitscher zu hören, nur selten unterbrochen vom Geräusch der Lieferfahrzeuge. Es ist die Ruhe vor dem Sturm – dem Ansturm. Mindestens 60000 Besucher werden ab heute bei „Rock im Park“ erwartet. 60000, die von Freitag bis Sonntag die Musik von rund 85 Bands genießen werden.
Es ist eine Kleinstadt, die für drei Tage am Dutzendteich errichtet wird. 450 Dixieklos werden aufgebaut, kilometerweise Kabel verlegt und riesige Bühnenkonstruktionen aus Stahlrohren errichtet. Rund 1000 Leute werden für das leibliche Wohl der Besucher sorgen. Dabei werden im Schnitt etwa 100000 Liter Bier, 50000 Liter alkoholfreie Getränke und 200 Tonnen Nahrungsmittel verkauft.

Renate, Verkäuferin am Imbissstand Dirnberger, wird wieder mit dabei sein. Der Imbissstand steht fast das ganze Jahr gegenüber der Zeppelintribüne, mit „Rock im Park“ macht er seinen größten Umsatz im Jahr. Renate ist 73 Jahre alt und seit sechs Jahren bei „Rock im Park“ dabei. „Als ich das erste Mal hier war – das war Wahnsinn!“, sagt sie. „So etwas hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen.“ Inzwischen hat sie sich an den dreitägigen Ausnahmezustand gewöhnt, sie mag die Festivalbesucher – „das hält jung.“ Auf die Jugend lässt sie nichts kommen: „Sie sind alle sehr höflich, ich kann nichts Schlechtes sagen. Gut, das mit dem Alkohol ist nicht so ganz doll, und ein paar nehmen ja auch Drogen, aber im Großen und Ganzen...“ Auch ein wenig ordentlicher könnten einige der Besucher sein: „Kommen Sie mal am Montag her, da finden Sie auf den Wiesen alles, was Sie an Garten- oder Balkonmöbeln brauchen“, sagt sie lachend.
„Die Müllhalden stören schon gewaltig“, sagt Rainer Schmidt. Er wohnt mit seiner Frau Roswitha fast direkt am Festivalgelände und unternimmt einen letzten Spaziergang am Dutzendteich, bevor alles gesperrt wird. „Bei den Besuchern gibt es aber solche und solche – manche sieht man mit Müllsäcken, andere lassen alles liegen. Aber es wird ja vom Veranstalter wieder weggeräumt, auch wenn das schon eine Woche dauert.“ Die Schmidts fliehen in diesem Jahr vor „Rock im Park“: „Wir wollten dem entgehen und gehen auf Kurzurlaub.“ Trotz ihrer Flucht haben die beiden Verständnis für die Parkrocker: „Wenn wir jünger wären, würden wir da sicher auch hingehen, unser Sohn war früher auch regelmäßig dort“, sagt Rainer Schmidt. Seiner Frau ist aufgefallen, dass sich in den vergangenen Jahren einiges verbessert hat. „Die Natur wird besser durch Zäune geschützt und die Beschallung ist nicht mehr so groß wie früher. Man hört viel weniger, nur wenn der Wind falsch steht, kommen ein paar Bässe bei uns an.“ „Da ist das Norisringrennen viel schlimmer“, stimmt ihr Mann zu. „Und ,Rock im Park‘ gehört einfach zu Nürnberg.“

Einige Meter weiter döst eine Entenfamilie vor der Gastwirtschaft „Gutmann“ am Ufer. Drinnen laufen die Vorbereitungen für das Wochenende. Michael Schmidt, Veranstaltungs- und Reservierungsleiter im „Gutmann“, freut sich auf die Rocker, statt um 10 Uhr macht das Gasthaus schon ab 8 Uhr den Biergarten auf. „Wir bieten ein ,Rock-im-Park‘-Frühstück“, sagt er. „Da gibt es dann einen Apfel dazu, damit die Jugend auch Vitamine bekommt“, sagt grinsend sein Kollege Marc Hammer. „Das Frühstück wird gut angenommen, aber manche schlafen über dem Teller ein.“ Einige Dinge sind immer gleich, so Schmidt: Proportional zur fortschreitenden Tageszeit sinkt der Radler- und steigt der Bierkonsum.
Am Finaltag, dem Sonntag, wächst die Nachfrage nach warmem Essen – Schnitzel belegen dabei Platz eins. Auch daran, dass die Toilettenanlagen im „Gutmann“ übermäßig besucht werden, hat sich Schmidt gewöhnt. „Nur wenn manche dann versuchen, sich morgens komplett an unseren Waschbecken zu waschen, müssen wir mal eingreifen.“ Auch Schmidt hat festgestellt, dass das optimierte Soundsystem an den Bühnen greift: „Der Lärmpegel ist gesunken.“ Mehr Müllprobleme als sonst habe man am „Gutmann“ durch die Rocker auch nicht. „Hier laufen bei den 17 Club-Heimspielen viele der 45000 Fans vorbei, da sind wir einiges gewöhnt.“
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