Lorenzer Laden feiert 30. Geburtstag
11.1.2011, 23:06 UhrEs ist eines der letzten Vorurteile über den fairen Welthandel. Hertha Steinmaier und Helga Reinholtz wissen nicht, ob sie lachen oder weinen sollen, wenn ihnen doch wieder irgendjemand mitteilt, dass er „diesen Kaffee da“ nicht trinke, weil der so bitter schmeckt. Ja, der erste Nicaragua-Kaffee aus dem Gründungsjahr 1981 sei bis zur Ungenießbarkeit geröstet gewesen. Aber schon lange stelle niemand mehr die hervorragende Qualität der Ware infrage, wiederholen beide seufzend. Das dröge Image „fairer“ Produkte – es ist passé wie der Begriff „Dritte Welt“.
Pfarrerin Steinmaier und ihre Kollegin, die zusammen seit mehr als zehn Jahren den Lorenzer Laden (LoLa) leiten, beobachten erfreut die wachsende Beliebtheit des ethisch motivierten Einkaufens in allen Gesellschaftsschichten. „Der große Pluspunkt des fairen Handels bei den Kunden ist laut Studien seine Glaubwürdigkeit und Transparenz“, sagt Reinholtz. Die Umsätze des Lorenzer Weltladens steigen; er ist einer der stärksten in Bayern, obwohl die Supermärkte mit Bio- und „Fairtrade“-Sparten nachziehen.
Das Schaufenster am Lorenzer Platz verrät es nicht mehr: Der LoLa entstand nicht als Boutique für Handtaschen und Alpaka-Stricksachen, sondern als revolutionär offene Form von Kirche, als Abspaltung der evangelischen Gemeinde St. Lorenz in Form eines Vereins. Nur nebenbei wurden anfangs etwas Kaffee, Tee oder Bananen verkauft. Vor allem ging es um Diskussionslust, Glaubenssuche und soziales Engagement. Um „einen Ort der Begegnung mit niedriger Schwelle“, für die „Straßenmission“ und gleichzeitig die „Weltmission“, wie der erste Ladenpfarrer Andreas Ebert in seinen Erinnerungen schreibt.
Die Kirche von ihren Mauern befreien
Ebert berichtet, dass dem Lorenzer Pfarrer Christian Schmidt 1980 die Idee dazu kam, als er vor seiner Kirche einem Prediger auf einem Mülleimer zusah. Der „Prophet“ und die Zuhörer schienen frustriert von der Amtskirche zu sein. Schmidt wollte die Kirche aus den Kirchenmauern holen, erzählt Hertha Steinmaier. Er gründete mit Dekan Herbert Bauer und Gemeindemitgliedern den LoLa-Verein und beauftragte den jungen Pfarrer Ebert mit der Praxis.
Ebert lebte unkonventionell in einer Wohngemeinschaft, umgab sich mit Studenten und Schülern. „Wir sahen ziemlich wild aus, mit Parkas, Palästinensertüchern und Rauschebärten“, so beschreibt er, wie die Laden-Leute als vermeintliche Störer einmal beinahe nicht in die Lorenzkirche eingelassen wurden.
Die Mitstreiter veranstalteten Glaubenskurse, Straßentheater, Freizeitreisen und begründeten Mitte der 80er ein Partnerschaftsprojekt mit Slum-Kindern in Bolivien. Vieles lief im „Kirchenladen“ einst so improvisiert wie im „Kinderladen“, auch finanziell.
Der LoLa trägt sich aus dem Ladenerlös, Spenden, Zuschüssen von Dekanat und Landeskirche – hauptsächlich aber durch die Arbeit der Ehrenamtlichen, dem größten Teil der 70 Mitarbeiter. Die Zukunftsaussicht ist recht solide: Der beengte Laden, den die Gemeinde mietfrei beherbergt, soll beim kommenden Umbau des Lorenzer Gemeindehauses mehr Fläche bekommen.
Das Café steht bis heute – ähnlich wie das später gegründete katholische „Fenster zur Stadt“ – auf Spendenbasis Gästen offen, die in anderen Innenstadtlokalen schief angeschaut würden: Obdachlose, Kranke, Aussteiger. „Bei uns findet jeder einen Platz und wird mit Respekt gegrüßt“, sagt Steinmaier. „Hier helfen alle irgendwie zusammen. Glaube, Solidarität und Gerechtigkeit sind hier eng verbunden.
Ihre ökumenische Basisgemeinde, wie sich die spirituell interessierten LoLa-Stammbesucher nennen, trifft sich jeden Freitagabend zum Gottesdienst im winzigen Kapellen-Zimmer. Darunter sind Christen wie auch Atheisten. Die Offenheit ist Prinzip geblieben. Neben politischen Gruppen nutzen beispielsweise auch Bankangestellte die Räume zum Mittagsgebet.
Der LoLa feiert sein Jubiläum am Samstag, 22. Januar, mit einem Fest im Haus Eckstein (Burgstraße 1–3), Beginn 14 Uhr, Gottesdienst 17 Uhr. Anmeldung wird erbeten unter 24469970 oder unter lola@lorenzerladen.de per E-Mail.
Am Donnerstag, 27. Januar, findet um 17 Uhr ein Erzähl-Café mit Beteiligten aus drei Jahrzehnten im Laden (Lorenzer Platz 8) statt.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen