Mittagsmörder: War Klaus G. ein "Mann ohne Seele"?

27.06.2012, 07:43 Uhr
Mittagsmörder: War Klaus G. ein

© Friedl Ulrich

Möglicherweise begann die Mordserie bereits 1960. In Ochenbruck wurde am 22. April eine Frau in ihrem Haus überfallen. Sie rief um Hilfe, ein Untermieter und dessen Verlobte wollten ihr helfen – beide wurden von dem Eindringling erschossen. Weitere Zeugen tauchten auf, der Täter flüchtete. Diese Tat konnte die Polizei dem in Hersbruck lebenden Klaus G. noch nicht nachweisen.

Als sicher gilt, dass er am 10. September 1962 den Filialleiter der Sparkasse in Ochenbruck (Nürnberger Land) kaltblütig erschoss. Drei Kugeln trafen den Angestellten in Kopf und Brust. Klaus G. erbeutete damals 3060 Mark.

Elf Wochen später überfiel er die Sparkasse Neuhaus/Pegnitz. Den Kassier bat Klaus G. darum, einen 100-Mark-Schein zu wechseln. Als der Angestellte Hartgeldrollen holen wollte, zog G. eine Pistole, forderte den Mann auf, zurückzutreten, und fegte mit einer Hand Geldscheine zusammen – rund 5600 Mark. In diesem Moment machte ein Kunde, ein invalider Firmenbote, einen kapitalen Fehler: Er griff in seine Brusttasche nach seiner Brille – der Räuber schoss, der Kunde starb.

Im März 1963 erschoss Klaus G. Karola und Helmut Hannwacker in deren Waffengeschäft. Die Nürnberger Polizei hatte Helmuth Hannwacker am 27. März zum Verhör geladen; möglicherweise hatte der 23-Jährige illegale Waffengeschäfte mit Ware aus dem Laden seiner Mutter betrieben. Während der Vernehmung soll er den Beamten vorgeschlagen haben, ihn gegen einen „wichtigen Hinweis“ laufen zu lassen. Die Kripo setzte die Vernehmung aus. Zwei Tage später starben Helmuth Hannwacker und dessen Mutter Carola wenige Minuten nach 12 Uhr im Kugelhagel zweier Pistolen.

Mittagsmörder: War Klaus G. ein

© Friedl Ulrich

Die Polizei tappte im Dunkeln. Bei einem Überfall auf die Sparkasse Leinburg im Juli 1961 hatte der Filialleiter die Pistole als eine Walther Kaliber 7,65 erkannt. Mit diesem Typ war der Kassierer der Sparkasse Ochenbruck im September 1962 ermordet worden. Der Sparkassen-Kunde in Neuhaus starb durch drei Kugeln aus einer Walther Kaliber 9 Millimeter. Beim Doppelmord in dem Waffengeschäft benutzte der Täter schließlich zwei Walther-Pistolen der Kaliber 9 und 7,65 Millimeter. Die Ballistiker der Polizei erkannten die Spuren an den Projektilen wieder.

Doch aus den unterschiedlichen Zeugenaussagen ergab sich lediglich eine vage Beschreibung des „Mittagsmörders“: 20 bis 30 Jahre alt, 1,75 bis 1,80 Meter groß, schlank, schmales Gesicht, mittelblondes strähniges Haar, fränkischer Dialekt. Es entstand ein Phantombild, das von Printmedien in der halben Republik gedruckt wurde. Immer wieder setzten die Fahnder Belohnungen aus.

Eine Sonderkommission überprüfte annähernd 7000 Menschen. Dabei hoben die Beamten gleichsam nebenbei mehrere Einbrecherbanden aus, klärten mehrere Hundert Straftaten auf. Aber zum „Mittagsmörder“ ergab sich lange Zeit keine heiße Spur.

Dann kam der 1. Juni 1965. Im Kaufhaus C&A Brenninckmeyer am Weißen Turm entriss Klaus G. einer Kundin die Handtasche. Die Frau rief um Hilfe, Klaus G. rannte los. Einen Mann, der ihn stoppen wollte, schoss er nieder. Den Hausmeister des Bekleidungshauses tötete er mit zwei Schüssen ins Herz. Dann rannte Klaus G. auf die Straße und flüchtete in wilder Hatz durch die Breite Gasse.

Beim Versuch, sich den Fluchtweg freizuschießen, traf er den Unterleib eines 29-jährigen Maurers. Von Passanten, die ihn festhalten wollten, riss sich Klaus G. los. An der Ecke zur Färberstraße war die Flucht zu Ende. Zwei Streifenbeamte überwältigten den Flüchtenden. Es kam zu keinem Schusswechsel mehr, möglicherweise weil die Waffe Klaus G.s eine Ladehemmung hatte.

Zweieinhalb Monate hielt der damals 24-Jährige den Befragungen durch die Kriminalpolizei stand. Am 24. August 1965 endlich brach er unter der drückenden Last zahlreicher Beweise ein – und gestand die Morde. In der Hersbrucker Wohnung der Familie hatte die Polizei ein Versteck mit den Waffen des „Mittagsmörders“ entdeckt. Knapp zwei Jahre später, am 27. Juli 1967, wurde er für fünffachen Mord und dreifachen schweren Raub zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Bis heute sitzt Klaus G. in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Ausgang, Urlaub oder andere Lockerungen wurden dem heute 71-Jährigen immer verwehrt. In den 47 Jahren seiner Haft soll er im Gefängnis-Chor gesungen, Violine gespielt sowie ein Buch über das Mittelalter verfasst haben.

Die Presse hatte Klaus G. Mitte der 1960er Jahre als „Mann ohne Seele“ charakterisiert. Die Pistolen hätten ihm, der ein Doppelleben als braver Schüler bzw. Student geführt hatte, Überlegenheitsgefühle verliehen. Tatsächlich sei er äußerst gefühlskalt gewesen und habe ohne Gewissensbisse getötet.

Hat sich Klaus G. in der langen Haft gewandelt? Das Landgericht Regensburg meinte vor zwei Jahren, ja; das Oberlandesgericht Nürnberg, das von der Nürnberger Staatsanwaltschaft angerufen worden war, widersprach dem. Die OLG-Richter gaben erneut Gutachten und Stellungnahmen Sachverständiger in Auftrag. Auf deren Basis kam der 2. Strafsenat zu der Auffassung, Klaus G., sei nach wie vor gefährlich, er könne auch heute noch schwere Verbrechen begehen – und lehnte den Antrag auf Strafaussetzung zur Bewährung ab. Heuer hätte der inzwischen 71-Jährige die Möglichkeit, einen neuen Anlauf zu unternehmen.
 

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