Moby & Co. vor dem Umzug in die Lagune
18.6.2011, 14:52 UhrEmpfand man es anfangs noch als "Kick", die vorher in europäischen Zoos kaum gezeigten Meeressäuger präsentieren zu können, steht nun das Leben dieser Tiere unter großzügigeren Bedingungen und im Gruppenverband im Mittelpunkt des Interesses.
Der Duisburger Zoo hatte 1962 mit dem ersten Delfinarium Deutschlands die Vorreiterrolle übernommen. Etwa zur gleichen Zeit begann auch in mehreren europäischen Zoos die Delfinhaltung. Die weltweit erste Meerwasseranlage für Delfine konnte St. Augustin (Florida) schon im Jahr 1938 für sich reklamieren. Nürnberg verdankt sein Delfinarium dem Ehrenbürger Max Hintermayr, der mit einer zweckgebundenen Spende von 1,25 Millionen Mark alles ins Rollen brachte; die Stadt und der Verein der Tiergartenfreunde legten drei Millionen drauf, um die Einrichtung zu realisieren.
In Nürnberg startete man mit fünf männlichen Großen Tümmlern – alles Wildfänge aus den Küstengewässern bei Florida, wie damals üblich. Einer davon war Moby, der heute noch im Tiergarten lebt – mit seinen 51 Jahren ist er der älteste Delfin Europas. Doch Moby bildet eine Ausnahme: In den ersten Jahren kamen im Delfinarium sieben Tiere durch Infektionskrankheiten ums Leben, vor allem infolge von Lungenentzündungen. „Man hatte einfach noch zu wenig Erfahrung in der Haltung der Tiere“, meint der stellvertretende Zoodirektor Helmut Mägdefrau.
Mit Impfungen gegen Pneumokokken hatten die Tierärzte schließlich Erfolg im Kampf gegen die Infektionen; es kam zu keinen weiteren Erkrankungen mehr. Mittlerweile hat man die Impfungen durch eine Behandlung ersetzt, die das Immunsystem der Tümmler stärkt – das Mittel bekommen die Tiere stressfrei zusammen mit dem Futter verabreicht.
Zucht mit Rückschlägen
In der Delfinzucht musste der Tiergarten ebenfalls erst jahrelang herbe Rückschläge einstecken – wie andere Zoos auch. Es gab drei Totgeburten, drei weitere Delfinbabys starben wenige Tage oder Wochen nach der Geburt. Damals wurde die erste Kritik an der Haltung der Tiere in Delfinarien laut. „Aber man weiß inzwischen, dass auch bei wildlebenden Delfinen die ersten Babys oft nicht überleben“, sagt Tiergartendirektor Dag Encke.
Das Blatt wendete sich 1986, als Nemo, der Sohn von Eva und Moby, das Licht der Welt erblickte; er lebt heute im Delfinarium Harderwijk (Niederlande). In den nächsten Jahren ging es mit weiteren kräftigen Babys aufwärts: Nando, Noah, Neike und Naomi. „Bis 1998 klappte die Nachzucht hervorragend“, so Helmut Mägdefrau. Doch seit 2004 musste der Tiergarten wieder zwei Totgeburten und fünf Jungtiere verzeichnen, die nur wenige Tage alt wurden. Das Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin untersuchte die Todesfälle, konnte aber keine Zusammenhänge feststellen.
„Es gab in der Geschichte der Tierhaltung bei verschiedenen Tierarten immer wieder solche Rückschläge“, sagt Mägdefrau und führt als Beispiel die Jungtiersterblichkeit bei den Kalifornischen Seelöwen in Nürnberg an. Auch die machte den Zoomitarbeitern jahrelang Sorgen; mittlerweile entwickeln sich aber fast alle Seelöwenbabys zu gesunden erwachsenen Tieren. Zoochef Encke und sein Stellvertreter schauen deshalb beide „mit Optimismus in die Zukunft der Delfinhaltung in der Lagune“.
Nach den Pfingstferien ziehen die sechs derzeit am Schmausenbuck lebenden Delfine in ihr neues Zuhause, um sich bis zur offiziellen Eröffnung einzugewöhnen: Moby, Jenny, Noah, Sunny, Joker und Arni. Nur Moby und Jenny sind noch Wildfänge, die anderen kamen in Nürnberg und im Heide-Park Soltau zur Welt.
Mit der Lagune bestehen laut Tiergartendirektor Encke durch die fünf verschiedenen Becken ganz andere Möglichkeiten für den sozialen Verbund in der Gruppe als im bisherigen Delfinarium. Künftig können einzelne Delfine bestimmte Räume besetzen oder sich zurückziehen, wenn sie das Bedürfnis danach haben. Selbst wenn es zu Streitigkeiten komme, bestehe die Chance, dass die Tümmler sie bis zu einem gewissen Grad ausleben: „Wir können die Schieber zeitweise dichtmachen, bis die Tiere sich beruhigt haben, und dann wieder öffnen. So lassen sich Streithähne schrittweise wieder zusammenführen“, erläutert Encke.
Er hofft, dass Sunny nach dem Umzug in die Lagune bald trächtig wird. Sie hat schon einmal – im Jahr 2007 – ein Junges bekommen und sich gut darum gekümmert – das Baby war aber nicht in der Lage, die Milch beim Säugen aufzunehmen. Die anderen Tümmler können in der Lagune das Mutter-Kind-Verhalten beobachten und miteinander kommunizieren, weil sie nur durch Netzschieber von Müttern mit Babys getrennt sind. So könne sich soziales Lernen entwickeln. „Wir müssen den Mut haben, das auszuprobieren“, ist Encke überzeugt.
Als positives Beispiel, wo solche Lernprozesse klappen, nennt er das Delfinarium Harderwijk. In der Anlage, die in vielen Punkten Vorbild für die Nürnberger Lagune war, leben 26 Große Tümmler – darunter auch Nemo, Anke, Nynke und Naomi aus Nürnberg. Nynke hat dort im vergangenen Sommer Nachwuchs bekommen und zieht ihn mit viel Fürsorge groß, nachdem sie in Nürnberg 2004 und 2006 zwei Junge nicht angenommen hatte. Naomi dagegen hat ihr Baby in Harderwijk umgebracht – ein Verhalten, das allerdings bei Erstgebärenden auch in der Natur häufig zu beobachten ist.
In Harderwijk haben die Mitarbeiter über lange Zeit Erfahrung in der Delfinhaltung gesammelt. Ihr Wissen über das Verhalten der Delfine reicht so weit, dass sie auch wildlebende verletzte Tiere vorübergehend im Delfinarium aufnehmen und wieder auswildern, wenn sie genesen sind. „Dieses Know-how kann man nur unter kontrollierten Bedingungen erwerben, deshalb bin ich zum glühenden Verfechter von Delfinarien geworden“, betont Dag Encke.
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