«Politikversagen erster Güte»

18.3.2009, 00:00 Uhr
«Politikversagen erster Güte»

© Gerullis

Im Dezember 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht das Modell der insgesamt 349 Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagenturen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, weil dieses keine Mischverwaltung von Bund und Kommunen zulasse. Dem Bundesgesetzgeber setzten die Karlsruher Richter eine Frist bis Ende 2010, um für Abhilfe zu sorgen.

Erlangen hatte sich, wie 68 andere kreisfreie Städte und Landkreise, entschieden, die 2005 in Kraft getretene Hartz-IV-Reform und die damit verbundene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht einer zentralen Bundesagentur zu überlassen sondern dies selbst zu managen. «Wir in der Kommunalpolitik sind tatsächlich näher am Menschen», erklärt Balleis unter Zuhilfenahme eines Wahlspruchs seiner Partei. Und unterstreicht, dass Erlangen nach wie vor mit die niedrigste Arbeitslosigkeit unter den deutschen Großstädten habe.

Der Atomkonzern Areva baue weiter Beschäftigung auf «wie wild», auch Siemens mache nach wie vor gute Geschäfte. Doch Balleis bekennt, dass man sich auch in Erlangen wegen der weltweiten Wirtschaftskrise «warm anziehen» müsse. «Kurzarbeit ist die Arbeitslosigkeit von morgen.»

Bisher aber hat sich die Bundesregierung nicht auf eine Reform der Hartz-IV-Reform einigen können, obwohl unter einer Großen Koalition eine Grundgesetzänderung theoretisch leichter möglich wäre. So droht am Ende die Rückabwicklung eines an sich erfolgreichen Verwaltungsmodells. Darüber kann sich Siegfried Balleis regelrecht echauffieren. «Das ist Politikversagen erster Güte», urteilt der Erlanger OB - auch wenn er grundsätzlich Verständnis dafür hat, dass die Bundespolitik mit Grundgesetzänderungen sehr zurückhaltend umgeht. Sollten die Argen aber tatsächlich rückabgewickelt werden müssen, wäre das «geradezu eine Vernichtung von Volksvermögen».

Gestern nun ist ein Reformvorschlag, den Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in langwierigen Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU) abgestimmt hatte, gescheitert. Nach eigener Darstellung hatte Scholz auch die Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel für seinen Reformansatz. Dieser sah eine Grundgesetzänderung vor, um aus den für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen zuständigen Jobcentern eigene Körperschaften öffentlichen Rechts zu machen.

Doch Unionsfraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen erklärte, auch diese Reform wäre «eindeutig verfassungswidrig». Die Bürokratie würde damit in beispielloser Weise ausgeweitet, so Röttgen. Auf einen Schlag müssten 370 neue Behörden gegründet werden

Erst nach der Bundestagswahl, so Röttgen, werde man deshalb die Reform der Jobcenter wieder auf den Tisch holen. Dann aber wird es höchste Zeit, meint der Erlanger OB Balleis. «Das muss das erste sein, was der neue Bundestag angeht.»

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