Der Fall Gustl Mollath: Eine Chronik der Ereignisse
30 Bilder 14.6.2019, 11:31 UhrEnde 2011 bekommt der Fall von Gustl Mollath erstmals durch die Nürnberger Nachrichten mediale Aufmerksamkeit. Zu diesem Zeitpunkt sitzt Ferdl. G, wie ihn die NN zum Schutz von Angehörigen nennen, seit fünf Jahren zwangsweise in verschiedenen psychiatrischen Krankenhäusern. Er soll in dem Wahn leben, Opfer des Bankensystems zu sein. Zudem habe er seine Frau verprügelt - hier kommt es aber zu keiner Verurteilung. Durch seine "Erkrankung" sei Mollath nicht schuldfähig. Seine Unterstützer vermuten einen Komplott der Nürnberger HypoVereinsbank und der Justiz hinter Mollaths Unterbringung. © dpa
Mollath habe verschiedene Informationen über mögliche Schwarzgeldgeschäfte, so sagte es der gelernte Ingenieur selbst. Doch dem geht die Justiz nicht nach. Vielmehr wird sie aktiv, als Mollaths Frau ihn wegen Körperverletzung anzeigt. Sie arbeitete zu diesem Zeitpunkt auch bei der HypoVereinsbank in Nürnberg, die angeblichen Schwarzgeldgeschäfte sind immer wieder Streitthema zwischen den Eheleuten. Mollath soll sie geschlagen, gebissen und gewürgt haben. Lange Zeit schweigt sie, gibt keine Interviews und zieht sich zurück. © dpa
Ende Januar 2012 steht fest: Das Bundesverfassungsgericht wird sich mit der Unterbringung Gustl Mollaths befassen. Auch Steuerfahnder schalten sich ein. Im März sieht eine Mehrheit der Abgeordneten im Verfassungsausschuss des Landtags keinen Handlungsbedarf im Fall Mollath. Vorwürfe gegen die bayerische Justizministerin Merk werden laut. © David Ebener/dpa
Bereits im November 2011 war durch die NN-Berichterstattung bekannt geworden, dass die HypoVereinsbank die von Mollath genannten Schwarzgeldvorwürfen nachging – ein Jahr später taucht ein Revisionsbericht auf, der Mollath im Kern recht gibt. In einer Pressekonferenz spricht Merk davon, dass die Unterbringung Mollaths in einer psychiatrischen Einrichtung nichts mit dem angeblichen Schwarzgeld zu tun habe, sondern damit, dass er "krank und für die Allgemeinheit gefährlich" ist. Auch Horst Seehofer meldet sich zu Wort. Der bayerische Ministerpräsident regt eine rasche Überprüfung des Falls an. © dpa
Mitte Dezember spricht Mollaths Pflichtverteidiger, Thomas Dolmány, beim damaligen Prozess, in der Nürnberger Zeitung davon, dass sich Mollath schon während der damaligen Verhandlung äußerst ungeschickt angestellt habe. Als der Anwalt den Angeklagten zum ersten Mal im Sitzungssaal traf, hatte Mollath eine Zahnbürste in der Brusttasche seines Sakkos. Auf die Frage, was das solle, antwortete er: "Ich komme ja sowieso ins Gefängnis." Das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandaten wird immer schwieriger. Dolmány sorgte sich zwischenzeitlich sogar um seine eigene Sicherheit. © REUTERS/Michaela Rehle
Mit einer Anzeige gegen den Chef der Forensischen Psychatrie in Bayreuth und dem Nürnberger Richter will Mollaths neuer Verteidiger im Januar 2013 die Umstände klären, die im damaligen Verfahren zum Urteil führten. Einen Monat später wird bekannt, dass es kein neues Gutachten geben wird. Dies entschied die Strafvollstreckungskammer Bayreuth. Auch die Augsburger Staatsanwaltschaft leitet kein Ermittlungsverfahren gegen den Chef der Bayreuther Klinik und den Nürnberger Richter ein. © dpa
Ende April wird routinemäßig erneut geprüft, ob Mollath weiter in der Klinik bleiben muss - dies geschieht einmal jährlich, um zu klären, ob der Freiheitsentzug weiter notwendig ist. Der Chefarzt sieht Mollath als Gefahr für die Allgemeinheit - er bleibt weiter in der Klinik. Was eine Beurteilung schwer macht: Mollath spricht mit den Ärzten seit seiner Einweisung nicht. Jegliche Kooperation verweigert er. Ende April entscheiden auch die Richter: Mollath muss weiter in der Psychatrie bleiben. © Kasperowitsch
Mitte April beschließt der Bayerische Landtag, dass es einen Untersuchungsausschuss für den Fall Mollath geben wird. Der Fragenkatalog orientiert sich im Kern an der NN-Berichterstattung. Bis zu den Landtagswahlen am 15. September muss dieser seine Arbeit beendet haben. Doch schon schnell kommen pikante Dinge an die Öffentlichkeit. © dpa
Richter Otto Brixner, der Mollaths Urteil sprach, gab etwa an, dass er eine Verteidigungsschrift von Mollath überhaupt nicht gelesen hat. "Ich lese doch keine 110 Seiten", so seine Antwort. An anderer Stelle sagte er, dass er dieses Werk nicht kenne. Als Mollath selbst vor dem Untersuchungsausschuss aussagt, wird er mit Applaus empfangen. Er erzählt erneut seine Version der Geschehnisse und der Schwarzgeldaffäre. © dpa
Am 3. Juni strahlt die ARD eine Dokumentation über den Fall Mollath aus, die noch einmal für eine große öffentliche Aufmerksamkeit sorgt. In dem Beitrag sprechen ehemalige Freunde des Paares und bestätigen Mollaths Version der Sachlage. Auch seine Frau hat das Team in Nürnberg ausfindig gemacht. Sie will sich vor laufenden Kameras allerdings nicht äußern. © dpa
Einen Tag später wird bekannt, dass erneut Steuerfahnder im Zusammenhang mit der "Affäre Mollath" im April tätig wurden. Sie durchsuchten zwei Banken - die Bethmann Bank in Frankfurt und die HypoVereinsbank in München. © SWR
Unterstützer von Mollath bemühen sich darum, dass auch US-Schauspielerin Sandra Bullock auf den Fall aufmerksam wird. Sie ist mit Mollath gemeinsam zur Rudolf-Steiner-Schule in Nürnberg gegangen. © dpa
Mitte Juni bricht die Ex-Frau von Mollath erstmals ihr Schweigen. Sie habe lange Jahre unter der häuslichen Gewalt gelitten. Den Vorwurf, dass ihr neuer Freund und der Richter während des Verfahrens Kontakt hatten, weist sie von sich. © dpa
Verschiedene Ungereimheiten im Fall sind weiterhin nicht geklärt. Wegen des schwebenden Verfahrens äußert sich Mollaths Ex-Frau nicht zu den Schwarzgeldvorwürfen. Auch der Gutachter aus dem Prozess, der Mollath angeblich nicht einmal richtig untersucht haben soll, äußert sich zu diesem Vorwurf nicht. Aber auch Mollath kooperiert nicht mit den Ärzten, die sich so seit Jahren nur auf Beobachtungen und öffentliche Äußerungen Mollaths beziehen können. © dpa
In der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses am 9. Juli verkünden CSU und FDP, sie können keine Fehler seitens der Politik sowie der Ermittlungsbehörden sehen. Gleichzeitig verkündet Justizministerin Beate Merk, dass in ihrem Auftrag und gemeinsam mit dem Bezirkskrankenhaus in Bayreuth Möglichkeiten geprüft werden sollen, den Aufenthalt Mollaths in der Psychiatrie zu lockern, damit er wieder ein soziales Umfeld aufbauen könne. © Kneffel/dpa
Am 16. Juli erringt Gustl Mollath einen Teilerfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hebt einen Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 10. Juni auf, der die Fortdauer der psychiatrischen Unterbringung Mollaths angeordnet hatte, und verlangt ein weiteres Gutachten. Vor dem Justizgebäude demonstriert ein Mann seine Unterstützung für Mollath. © dpa
Auch eine Woche später ist Gustl Mollath guter Dinge. Bei der Vorstellung des Buches "Wahn und Willkür" von Wilhelm Schlötterer in Bayreuth, sagt er: "Ich hoffe bei der möglichen Wiederaufnahme meines Falls vollständig vor Gericht rehabilitiert zu werden." © dpa
Die Hoffnung bleibt unerfüllt. Einen Tag später, am 24. Juli, verwirft das Landgericht Regensburg die beiden Wiederaufnahmeanträge von Mollath und von der Staatsanwaltschaft Regensburg. Justizministerin Beate Merk (CSU) kündigte sofort nach Bekanntgabe der Entscheidung Beschwerde beim Oberlandesgericht Nürnberg an. © Daniel Karmann/dpa
Dann am 06. August die Wende: Das Oberlandesgericht beschließt die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Mollath. Der 56-Jährige sei sofort frei, teilte das Gericht mit. © mik
Als Mollath das Krankenhaus am 6. August verlässt, stehen die Journalisten schon Schlange. Vorerst kommt er, der so gut wie alles verloren hat, bei Freunden unter. In der Neuauflage des Prozesses hofft er auf eine vollständige Rehabilitierung. © David Ebener/dpa
Im Dezember 2013 steht fest: Über Gustl Mollath wird es ein neues psychiatrisches Gutachten geben. Als Gutachter ist der renommierte Münchner Professor Norbert Nedopil vorgesehen. Mit dem Ergebnis wird sich das Regensburger Landgericht beschäftigen, wo der Fall ab 7. Juli 2014 neu verhandelt wird. © dpa
Das Verfahren gegen Mollaths Ex-Frau stellt die Staatsanwaltschaft am 10. Januar 2014 ein. Gegen sie liefen bis dahin Ermittlungen wegen Unterschlagung und Prozessbetrug. Mollath zeigt sich wenig verwundert über diese Entwicklung. © SWR
Ende April 2014 legt Mollath erneut eine Verfassungsbeschwerde ein. Er will dadurch vom Landesgericht Bamberg erfahren, wie lange er zu Unrecht in der Psychiatrie einsaß. © dpa
Knapp ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie steht Gustl Mollath erneut vor Gericht: Das Wiederaufnahmeverfahren begann am 7. Juli in Regensburg. 17 Verhandlungstage sind angesetzt, Dutzende Zeugen geladen. © dpa
Während der Verhandlungen erhärtet sich der Verdacht, dass Mollath der gefährliche Reifenstecher war, der 2005 sein Unwesen trieb. Der 57-Jährige stand einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge auch auf einer Täterliste der NSU-Mordserie. © Armin Weigel (dpa)
Überraschung am Mittwoch, 23. Juli 2014: Die Wahlverteidiger Gerhard Strate (links) und Johannes Rauwald (nicht im Bild) geben ihr Amt auf, da der Angeklagte kein Vertrauen mehr in sie habe. Mollath reagiert überrascht. Das Gericht bestellt beide Rechtsanwälte als Pflichtverteidiger und setzt die Verhandlung fort. © dpa
Am 14. August dann die Gewissheit für Mollath: Er ist ein freier Mann. Obwohl das Landgericht ihn für schuldig befand. Mollath konnte in seinem Wiederaufnahmeverfahren nicht schlechter gestellt werden als in seinem ersten Prozess, bei dem er wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wurde. © dpa
Knapp dreieinhalb Jahre nach seiner Freilassung ließ Mollath im März 2018 über seinen Anwalt mitteilen, eine Schadensersatzklage beim Münchner Landgericht einreichen zu wollen. Das Justizopfer fordert vom Freistaat Bayern zwei Millionen Euro Entschädigung. Zuvor bot ihm die Staatsregierung 170.000 Euro an. Dabei beruft er sich unter anderem auf Verdienstausfall und Schmerzensgeld. © Alexander Heinl/dpa
Im Streit um Schadenersatz in Millionenhöhe für Gustl Mollath scheiterten die Verhandlungen zwischen dem bayerischen Justizministerium und Mollaths Anwalt im Juni 2019. Im März hatten die Verhandlungen begonnen. "Wir haben uns nicht geeinigt. Der Prozess geht weiter", teilte Rechtsanwalt Hildebrecht Braun mit. Mollath hatte 1,8 Millionen Euro gefordert. © Peter Kneffel, dpa
Im November 2019 dann endlich die gütliche Einigung: Der Freistaat verpflichtete sich dazu, "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" einen weiteren Betrag in Höhe von 600.000 Euro zu zahlen. Damit seien alle Ansprüche abgegolten und der Rechtsstreit beendet. © Lino Mirgeler/dpa