Gerhard Schröder: "Putin ist ein lupenreiner Demokrat"
7.3.2012, 16:55 UhrIn einem am Mittwoch gesendeten Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Schröder, er sei sich bei manchen der Wahlbeobachter „nicht so ganz sicher, ob da nicht Vorurteile größer sind als Urteile“. Er halte an seiner Einschätzung fest, dass der designierte russische Präsident Wladimir Putin ein „lupenreiner Demokrat“ sei. „Ich habe daran nichts abzustreichen“, sagte Schröder.
Die Bundesregierung distanzierte sich von Schröders Äußerungen. Sie habe „überhaupt keine Anhaltspunkte, dass die Befunde der internationalen Wahlbeobachter durch Vorurteile gelenkt worden seien“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Deren Kritikpunkte müssten im Gegenteil „ernst genommen werden“. Die internationalen Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und andere Gruppen hatten erhebliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl am Sonntag kritisiert.
Mit seiner positiven Einschätzung Putins stand der Altkanzler in Berlin weitgehend allein da. „Gerhard Schröder ist Putins bestbezahlter Minnesänger“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zu „Spiegel Online“. „Für Gazprom-Gerd gilt offensichtlich die alte Regel: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Schröder ist Vorsitzender im Aufsichtsgremium der Ostsee-Pipeline Nord-Stream zwischen Russland und Deutschland. Mehrheitseigner ist der russische Gasriese Gazprom.
Auch in der SPD stießen Schröders Äußerungen auf Widerspruch. „Wenn die OSZE-Wahlbeobachter in Russland Fälschungen und Manipulation festgestellt haben, ist es nahezu eine Frechheit, ihnen Vorurteile zu unterstellen“, sagte der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt der „Welt“.
Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte: „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob bei der Einschätzung von manchen Putin-Spezeln aus Deutschland nicht die Wertschätzung für die eigenen Interessen größer ist als das Eintreten für die Interessen der Menschen in Russland.“ Schröder hatte in dem Interview namentlich die Grünen-Politikerin und Wahlbeobachterin Marieluise Beck kritisiert.
Trotz des Lobes von Gerhard Schröder: Im eigenen Land muss sich der künftige Präsident Putin nach wie vor mit Kritik an den Wahlen auseinandersetzen - auch die Art und Weise, wie er mit den Protesten umgeht, ist umstritten.
Putin verteidigt Polizei
Nach den gewaltsam aufgelösten Protesten gegen seinen Wahlsieg wies Putin die Vorwürfe gegen die Polizei zurück. Die Sicherheitskräfte hätten professionell gehandelt, sagte der Regierungschef am Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. „Sie haben niemanden geschlagen, keine Spezialmittel angewendet und die Leute nur entfernt, als sie zu stören begannen“, führte er aus. Dagegen hatten Teilnehmer der Kundgebung am Montag Polizeigewalt kritisiert. „Sie haben sich korrekt verhalten, obwohl es Bürger gab, die versucht haben, sie zu provozieren“, sagte Putin.
Der Politiker forderte die Opposition auf, auf den Willen der Wähler zu hören und das Ergebnis zu akzeptieren. Hinter den Straßenprotesten stehe weiter keine politische Kraft mit einem Programm. Erneut hielt Putin einzelne Wahlverstöße für möglich. „Wahrscheinlich hat es sie gegeben, aber sie können nur die Stellen hinter dem Komma beeinflussen, na ja, ein Prozent etwa könnte ich mir noch vorstellen. Aber nicht mehr“, sagte Putin. Die Wahlkommission hatte ihm 63,6 Prozent der Stimmen zuerkannt.
Das seien mehr als 45 Millionen Wähler, betonte Putin. Internationale Wahlbeobachter hatten die Abstimmung als unfair kritisiert und zahlreiche Verstöße bemängelt. Unabhängige russische Beobachter der von Intellektuellen geführten Liga der Wähler erkannten den Urnengang nicht an. Experten sprachen davon, dass Putin allenfalls knapp über 50 Prozent der Stimmen erhalten habe.
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