Nürnbergs Spielzeugläden kämpfen ums Überleben

06.12.2013, 12:05 Uhr
Inhabergeführte Spielzeuggeschäfte sind rar geworden — Viele Kunden nutzen die Beratung und bestellen dann billiger im Internet.

© Roland Fengler Inhabergeführte Spielzeuggeschäfte sind rar geworden — Viele Kunden nutzen die Beratung und bestellen dann billiger im Internet.

"Die Spielzeugkiste" am Trödelmarkt misst gerade mal 70 Quadratmeter. Und sie quillt schier über von allem, was Kinderaugen leuchten lässt. Besitzerin Ursula Motsch hat den 1945 von einer Kindergärtnerin eröffneten Laden im Sommer 2000 übernommen und führt, wie sie sagt, den pädagogischen Ansatz fort. Spielzeug ist aus ihrer Sicht geschmacksbildend und prägend, kein Luxusgegenstand also, sondern etwas, womit Kinder lernen können.

Deshalb achte sie beim Einkauf auf Schönheit, sprich gutes Design, was ihrer Ansicht nach besonders die Klassiker auszeichnet. Zudem müssten die Dinge zeitlos und stabil sein — "zum Vererben". Sie sind aus Plüsch, Holz oder anderen Naturmaterialien, überwiegend in Deutschland hergestellt. Aber auch im europäischen Ausland — nicht in Asien, sagt Motsch. "Ich kenne alle Besitzer der Herstellerfirmen; ein Großteil sind Familienbetriebe."

Spielsachen haben hier Tradition: Nürnberg hatte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Spielwaren- und Modelleisenbahnindustrie entwickelt.

Spielsachen haben hier Tradition: Nürnberg hatte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Spielwaren- und Modelleisenbahnindustrie entwickelt. © Stefan Hippel

Gut beraten, anderswo kaufen

Sowohl für sie als auch für ihre Mitbewerber ist der Besuch der internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg obligatorisch. Hier informieren sie sich über die Neuheiten am Markt, hier knüpfen und pflegen sie geschäftliche Kontakte. Objektiv gesehen haben es die Kleinen der Branche nicht leicht.

Doch Motsch liebt sichtlich, was sie tut, auch wenn wirtschaftlich nicht unbedingt viel dabei herumkommt, wie sie freimütig zugibt. Doch selbst der Ärger verfliegt schnell über Kunden, die sich ausführlich beraten lassen, um dann im Internet zu eruieren, in welchem Geschäft sie das Produkt ihrer Wahl am billigsten herkriegen können. "Die Rabatte der Großen machen den Kleinen zu schaffen und ziehen Kaufkraft von ihnen ab", sagt Motsch.

Das gleiche gilt auch für den Einkauf direkt über das Internet. Gut 27 Prozent aller Spielwaren werden in Deutschland Studien zufolge bereits über das Netz vertrieben. Dabei sind die kleinen Händler nicht unbedingt teurer, betont Motsch, sie werben nur nicht mit gewaltigen Preisnachlässen. Ihre Chance sieht sie in der Nische, nicht in der Masse. In die kleinen Geschäfte kommen laut Motsch vor allem Kunden, die gerne die Ware befühlen wollen, die nach Herzenslust stöbern und entdecken möchten. Es sind außerdem diejenigen, die sich nicht auf die Altersangaben auf den Verpackungen verlassen, sondern Wert auf Beratung legen, damit das Kind das bekommt, was seinen Bedürfnissen entspricht und womit es mit Freude umgeht.

Nürnbergs Spielzeugläden kämpfen ums Überleben

© Stefan Hippel

Vor allem Stammkunden

Die kleinen Geschäfte leben von ihren Stammkunden. Tanja Ciesielski schätzt, dass es bei ihr um die 95 Prozent sind. Vor zwei Jahren hat sie den seit drei Jahrzehnten bestehenden Spielwaren-Lindwurm in der Johannisstraße übernommen, im Laufe der Zeit viel Geld für Inventar und Ware hineingepumpt und sich von Beginn an auf den beratungsintensiven Verkauf von Waldorf-Material spezialisiert. Außerdem gibt es bei ihr unter anderem klassische Holzspielwaren, Drachen, Bastelbedarf und Ausstattung für Säuglinge wie Puppen aus mit Pflanzenfarben gefärbter Bio-Baumwolle. "Wir können uns nicht beschweren", sagt sie über die Entwicklung ihres Geschäfts. In dem rund 170 Quadratmeter großen Laden können Kinder im Sandkasten buddeln und vor Ort testen, ob Autos, Teddybär, Kaufladen und Co. Kinderhände aushalten. "Das schafft Freiraum für Eltern und Großeltern", findet Ciesielski.

Das sieht Sigrid Liebermann genauso. Sie hat ihr Geschäft "Pfiffikus — Richtig gutes Spielzeug" in der Ludwigstraße vor 25 Jahren gegründet und es ebenfalls zu einem Paradies für Kinder gemacht, in dem gespielt werden darf was das Zeug hält.

Tanja, Cieleski führt den Spielwaren-Lindwurm in Johannis seit zwei Jahren.

Tanja, Cieleski führt den Spielwaren-Lindwurm in Johannis seit zwei Jahren. © Stefan Hippel

Hier darf angefasst werden

"Und wenn mal was kaputt geht, ist das auch kein Drama", sagt die Geschäftsfrau. "Wir sind ein Kinderladen und kein Porzellangeschäft." Auch dank der Leute, die immer wieder dort kaufen. 20 Prozent der Kunden brächten 80 Prozent des Umsatzes, rechnet die Inhaberin vor. Es sei eine sehr gut informierte und aufgeschlossene Kundschaft. "Und die merkt einfach, wie begeistert wir selbst von unseren Spielwaren sind und dass wir gerne mit Kindern umgehen."

Die Hersteller räumen kleinen Spielwarengeschäften kaum Sonderkonditionen ein. Liebermann aber bekommt sie über ihre Mitgliedschaft beim "Arbeitskreis richtiges Spielzeug" (ARS). Das ist eine Genossenschaft mit 130 Händlern in Deutschland, die gemeinsam einkauft und somit wie die Großen höhere Rabattstaffeln erhält.

In Ulla Regers Holzspielzeug Werkstattladen in der Hans-Sachs-Gasse sucht man ebenso vergeblich nach Plastikspielzeug wie bei Motsch. Die formschönen, sorgfältig gestalteten Kasperle, die Spiele, die Puppenwagen, die Autos, die Kindermöbel: So gut wie alles ist aus heimischen Hölzern. Hergestellt werden sie in Behindertenwerkstätten. "Mit unserem Sortiment für Spielanfänger besetzen wir eine Nische", sagt Rieger. In diesem Jahr habe sie bisher jedoch weniger Umsatz erzielt als je zuvor — das Geschäft hat sie seit 1998. "Ich muss sehr sparsam sein, um davon leben zu können, aber aufgeben will ich keinesfalls — aus Idealismus." Jetzt hofft sie auf ein gutes Weihnachtsgeschäft.

Fast nur ein Zubrot

Obwohl sie von früh bis abends in ihrem Lädchen in der Großgründlacher Hauptstraße steht, verdient auch Claudia Pfeifer eigenen Angaben nach lediglich ein Zubrot. Vor 13 Jahren hat sie ein etwa 40 Quadratmeter kleines idyllisches Austragshäuschen aus dem 17. Jahrhundert zu einer "Rappelkiste" umfunktioniert. Hier finden sich unter anderem Spiele von Autoren aus der Region: Horst Pöppel aus Kalchreuth — er produziert selbst — und Steffen Bendorf aus Lauf.

Pfeifer wählt bevorzugt Spiele aus, mit denen sich die Kinder alleine beschäftigen können. "Weil viele Eltern berufstätig sind." In der "Rappelkiste" kann man die Spiele ausprobieren und muss nicht die Katze im Sack kaufen. Und damit Kinder auch bekommen, was sie sich wünschen, gibt es die sogenannten "Geburtstagstüten"; da packen die Kinder, ähnlich wie Brautpaare beim Hochzeitstisch, hinein, was sie sich zu ihrem Fest wünschen. In solch kleinen Läden erschließt sich für Klein und Groß eine wahre Wunderwelt des Spielzeugs.

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