Xavier Naidoo: Christlicher Missionar auf rechten Abwegen
11.10.2014, 11:53 UhrIn der Rolle des Missionars zeigte sich Xavier Naidoo schon immer gern. Doch jetzt scheint er zu weit gegangen zu sein. Für die Verkündung seiner "Wahrheit" hat sich der Sänger ein Publikum aus dem politischen Abseits ausgesucht: Vor den rechtspopulistischen sogenannten Reichsbürgern, die Deutschland nicht als souveränen Staat anerkennen, predigte er am Tag der Deutschen Einheit im Berliner Regierungsviertel über die von den USA besetzte Bundesrepublik und rief zum Widerstand auf.
Von seinen Zuschauern wurde er beklatscht - doch seither bekommt er viel Schelte. Er selbst wolle sich dazu nicht mehr äußern, sagt sein Management. Auch in Naidoos Heimatstadt Mannheim ist die Irritation groß.
"Wir distanzieren uns von den fragwürdigen und irritierenden politischen Äußerungen und dem Auftritt Xavier Naidoos", erklärt die Popakademie, deren Mitinitiator der Sänger ist. Die Gastdozententätigkeit des Sängers sei ausgesetzt, bis die Direktion mit ihm über die Angelegenheit gesprochen habe.
Lieblingsphrase: Das "besetzte" Land
Wer Naidoo kennt, den verwundern seine Berliner Thesen nicht. Schon 2011 sagte er etwa im ARD-Morgenmagazin: "Wir sind nicht frei. Wir sind immer noch ein besetztes Land." Kritik an der Politik der USA äußert er seit Jahren. Experten stößt jetzt aber das Forum bitter auf, das sich Naidoo für seine Rede gesucht hat. "Was verwundernd ist, dass er sich ganz bewusst auf die Bühne von Rechtspopulisten, Verschwörungstheoretikern und Verfassungsfeinden stellt", kritisiert Medienwissenschaftler Marcus S. Kleiner von der Hochschule Macromedia in Stuttgart.
Doch wie passen der christlich-religiöse Sänger und die Reichsbürger zusammen? Der Göttinger Demokratieforscher Jöran Klatt erläutert das so: "Was Herrn Naidoo und die Reichsbürger eint, ist die Empörung über eine angebliche Fremdbestimmung und die Wut auf ein diffuses Feindbild." Wie sehr sich der Mannheimer mit indischen und afrikanischen Wurzeln Veränderung wünscht, wird in seiner Rede sehr deutlich: "Ich möchte auf jeden Fall, dass wir irgendwie miteinander Ordnung schaffen in diesem Land", sagt er da – und beschwört die Kraft des Einzelnen. „Einer allein hat schon die Macht, das Ganze zum Sturz zu bringen. Und wenn wir uns vereinen, wenn jetzt sogar ein paar Hundert hier sind, dann muss es uns doch auf jeden Fall gelingen."
Lieblingsverschwörung: 9/11
Gegen wen genau sich dieser Aufruf zum Widerstand richte, bleibe unklar, sagt Politologe Klatt. "Das ist auch bei den Reichbürgern so." Aus Klatts Sicht verbreitet Naidoo vor allem eine altbekannte, hanebüchene Verschwörungstheorie. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 bezeichnet der Sänger als Warnschuss. "Wer das als Wahrheit hingenommen hat, was da erzählt wurde, der hat den Schleier vor den Augen, ganz einfach. Alles, was seitdem passiert ist, hat nur dazu beigetragen, dass wir uns weiter voneinander entfernt haben, dass noch mehr Blut geflossen ist und dass die Richtung, die wir eigentlich haben, absolut die falsche ist."
In der Region um Mannheim, wo viele US-Soldaten stationiert waren, habe er die "amerikanische Besatzung" immer ganz klar vor Augen gehabt. Medienwissenschaftler Kleiner sieht eine neue Dimension erreicht, indem Naidoo seine Thesen erstmals auf einer politischen Bühne präsentiere. "Auf einer Unterhaltungsbühne ist es auch nicht gerechtfertigt, aber es geht schneller unter", sagt er. "Jetzt geht es nicht mehr unter." Für eine spontane, unbedachte Aktion des Sängers hält Kleiner die Rede nicht: "Das war kein Zufall. Das war eine bewusste Inszenierung."
Ein "Systemkritiker" auf PR-Tour
Naidoo habe damit auch viel PR für die Reichsbürger gemacht. In einem Interview des Südwestrundfunks sagt der Sänger einige Tage nach der Rede: "Es sind alles Systemkritiker, so wie ich. Wir brauchen diese Meinungsfreiheit, um unsere doch nicht ganz massentaugliche Meinung zu sagen."
Er wolle auf alle Menschen zugehen, ob es nun Reichsbürger seien oder Mitglieder der NPD, betont er. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könne sich schließlich auch nicht aussuchen, vor wem sie spreche. Wenn ihm deshalb rechtes Gedankengut vorgeworfen werde, finde er das traurig, betont Naidoo. "Ich bin Künstler, ich nutze auch gern die Kunst als provokantes Mittel zu meiner Meinungsäußerung." Kleiner hält das für gefährlich. "Die falsche Verbindung von Ästhetik und Politik ist das Einfallstor für Rechtspopulismus."
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