Tinnitus: Ein Hinweis auf andere Krankheiten

22.04.2009, 00:00 Uhr
Tinnitus: Ein Hinweis auf andere Krankheiten

© Orgeldinger

Im alten Rom galten Menschen mit «Ohrenklingeln» als auserwählt, heute gelten sie oft als ausgebrannt. Tinnitus aurium ist zu einer Volkskrankheit geworden, unter der mindestens zehn Prozent der Bevölkerung leiden. Die Betroffenen nehmen Geräusche wahr, denen keine äußere Schallquelle zugrunde liegt.

Der Patient hört etwas, was andere nicht hören. Ursache dieser Störung des Gehörorgans kann eine Mittelohrentzündung sein oder eine Borreliose, ein Tumor, ein Knalltrauma, ein Tauchunfall, eine Gefäßmissbildung und vieles mehr. Tinnitus ist also keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr das Symptom, das Anzeichen einer anderen.

Da die medizinische Ursache häufig gar nicht diagnostiziert werden kann und das Leiden verstärkt bei Stress und Überforderung auftritt, wird Tinnitus jedoch oft wie eine eigenständige Krankheit behandelt.

«Etwa 60 Prozent der Lehrer haben Tinnitus», schätzt Grundschullehrer Frank-Udo Nowotny aus Dietersheim. 30 Prozent der Ursachen lägen im medizinischen Bereich, 70 Prozent seien psychosomatisch bedingt. «Tinnitus ist vor allem unter Menschen mit Helfersyndrom verbreitet, unter Leuten, die viel um die Ohren haben.»

Nowotny war von 1996 bis 2006 Mitglied der Deutschen Tinnitus Liga (DTL) und lange Jahre Regionalbeauftragter. In dieser Zeit hat er Selbsthilfegruppen in Roth, Neumarkt, Erlangen, Neustadt/Aisch, Ingolstadt und Nürnberg ins Leben gerufen, betreut oder geleitet. Wegen Unstimmigkeiten zwischen dem Vorstand und den Regionalbeauftragten kam es 2006 zum Bruch mit der DTL. Hierarchische Strukturen seien für eine Selbsthilfevereinigung schädlich, sagt Nowotny.

Zusammen mit sechs anderen ehemaligen Tinnitus- und Hörberatern der DTL gründete er im März 2008 die Tinnitus-Selbsthilfe-Arbeitsgemeinschaft (TiSAg). Die Vereinigung arbeitet an einer offenen Internetplattform, mit der die Selbsthilfe besser vernetzt werden soll. In der TiSAg sei jedes Mitglied gleichrangig, die Entscheidungsfindung offen und eine kooperative Konfliktlösung verpflichtend, betont der TiSAg-Sprecher und zweite Vorsitzende Nowotny: «Wir haben uns eine entsprechende Charta gegeben, die Teil unserer Satzung ist.» Zielgruppe der neuen Arbeitsgemeinschaft sind die zirka 100 Selbsthilfegruppen für Menschen mit Tinnitus und Morbus Menière, aber auch einzelne Betroffene. «Wir möchten einen deutschlandweiten Erfahrungsaustausch ermöglichen», sagt Nowotny.

In einer hierarchisch gegliederten Organisation würde der Informationsfluss gelegentlich als Machtinstrument missbraucht. «TiSAg soll einen horizontalen Informationsaustausch zwischen den Betroffenen ermöglichen.»

Die Homepage wird außerdem Tipps zur Gründung einer Selbsthilfegruppe enthalten, ein Tinnitus-Lexikon, Fragen zur Prävention, zu neuen Therapieformen und zum Arbeitsrecht beantworten. Die fachliche Qualität der Informationen solle durch gemeinsame redaktionelle Arbeit nach dem Wikipedia-Prinzip gewährleistet sein. Betroffene könnten ihre Erfahrung weitergeben und neue Themenbereiche ansprechen.

Frank-Udo Nowotny leidet schon seit 1994 an Tinnitus. «Was ich zur Zeit im Ohr habe, klingt wie eine Kreissäge mit einer Frequenz von 7000 bis 8000 Hertz», erklärt er und fügt bedauernd hinzu: «Die Pille gegen Tinnitus gibt es noch nicht.» Man könne nur versuchen, dem Lärm und den Belastungen des Alltags auszuweichen. Nowotny bekämpft seinen Berufsstress mit Yoga, Schwimmen und Saunagängen.

Tinnitus-Selbsthilfe-Arbeitsgemeinschaft e.V. (TiSAg),

www.tisag.de, Frank-Udo Nowotny, 01 78/5 53 63 55,

E-Mail: tinni-udo@gmx.de

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