Viel mehr als Bürsten und Besen
24.02.2006, 00:00 Uhr
Rund zwei Milliarden € setzen diese Einrichtungen pro Jahr um. 85 Prozent davon als Zulieferer für die Industrie und — mit steigender Tendenz — im Dienstleistungsbereich. So betreiben behinderte Menschen Cafès und Restaurants oder arbeiten in der Altenpflege. Auch im Party-Service, in der Landschaftspflege oder als Dienstleister rund um das Kraftfahrzeug sind die W erkstatt-Mitarbeiter aktiv.
Nur noch 15 Prozent des Umsatzes werden mit der Herstellung und dem Vertrieb von eigenen Produkten erwirtschaftet, sagt Burkhard Roepke, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen. «Das Wäscheklammern- und Wurzelbürsten-Image ist passé“, meint auch Friedhelm Lenz, Leiter des CCN Nürnberg. Er billigt der neuen Veranstaltung der NürnbergMesse großes Potenzial zu: Rund 7000 Interessierte kamen zuletzt zur Veranstaltung nach Offenbach. Weil es dort zu eng wurde, wird die Werkstätten-Messe künftig in jedem Jahr in Nürnberg stattfinden.
Rund 10 000 Besucher werden an den vier Messetagen erwartet. Darunter sind etwa 2000 Fachbesucher wie Werkstattleiter oder Firmenvertreter. Denen ist die Veranstaltung heute noch alleine vorbehalten. Am Samstag und Sonntag steht die Halle 12 dann allen Besuchern offen — am Samstag von 9 bis 18 Uhr, am Sonntag bis 16 Uhr. Auf «Nürnbergs Einkaufsmeile“werden sich dann die Kunden drängen, hoffen die Veranstalter.
Schicke Designobjekte aus Glas und Metall finden die Besucher beispielsweise am lichten Stand der Fairwerk Inntal-Werkstätten aus Wasserburg. Auch die modische Haustür-Überdachung aus Glas und Stahl, die verspricht: «Wir lassen sie nicht im Regen stehen“, stammt aus einer beschützenden Werkstätte.
Am Gemeinschaftsstand der Camphill-Werkstätten hängen gewebte Tücher in schicken Farben aus der Nürnberger Camphill-Werkstatt am Goldbach. Auch gefilzten Schmuck, der derzeit voll im Trend liegt, und bunte Sofakissen präsentieren die Nürnberger. Die Schwester-Einrichtung Hausenhof nahe Neustadt/Aisch ist mit den Produkten ihrer Kerzenzieherei vertreten. «Die Messe ist auch eine wunderbare Möglichkeit, in Kontakt mit Vertretern aus anderen Einrichtungen zu kommen und zu sehen, was behinderte Menschen in anderen Werkstätten leisten“, sagt Erich Schötta, der die Kerzenzieherei der Dorfgemeinschaft Hausenhof leitet.
Wer es rustikal liebt, kann auf den Park- und Gartenbänken der Werkstatt Himmelkron aus dem Verbund der Diakonie Neuendettelsau Platz nehmen. So wie die bayerische Sozialministerin Christa Stewens bei ihrem Messerundgang. Der Ministerin liegt die Messe am Herzen. «Ich kann die Unternehmen und die Verbraucher nur ermutigen, verstärkt nach den Dienstleistungen und Produkten aus den Behinderten-Werkstätten zu greifen“, sagt Stewens. Sie weiß, dass der Druck auf die Werkstätten wächst. «Der Konkurrenzkampf ist hart.“
Das kann Volker Stäbler von der Gemeinnützigen Werkstätten & Wohnstätten GmbH in Sindelfingen bestätigen. Als Zulieferer für Daimler-Benz «haben wir stark gespürt, dass dort weniger produziert wird“. Statt die Gummis an die Daimler-Seitenscheiben zu montieren, sind die 250 Mitarbeiter jetzt immer öfter damit beschäftigt, Metall-Windräder herzustellen und bunt zu bemalen. Auf der Messe gibt es sie zum Sonderpreis und sie passen auch hervorragend zu den Biertisch-Garnituren, die die Sindelfinger seit Jahren in bester Qualität liefern.
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