Wie sicher ist Babymilch?
23.09.2008, 00:00 Uhr Was genau ist Melamin?
Dabei handelt es sich um ein stickstoffhaltiges Molekül, das an sich ungiftig ist. Es wird meist zu Kunst- und Klebharzen verarbeitet. Wenn es in Nahrungsmittel gelangt, wirkt es in bestimmten Mengen als Nierengift.
Wie kam das Melamin ins
Milchpulver?
Es ist davon auszugehen, dass es in krimineller Absicht hinzugegeben wurde. Denn durch Zugabe in Babymilch oder auch Tiernahrung lässt sich bei der Analyse ein höherer Proteingehalt feststellen. Bereits 2006 gab es einen Melamin-Skandal: Damals wurde in China hergestelltes und in die USA exportiertes Tierfutter mit Melamin versetzt, das zu Nierenversagen bei Haustieren führte.
Die deutschen Hersteller behaupten,
in Deutschland und Europa
erhältliche Babymilch sei frei von
Melamin, Produkte aus China dürfen
gar nicht erst eingeführt werden.
Stimmt das?
In der EU ist der Import von Milch und Molkereiprodukten aus China von den Behörden nicht zugelassen. Umgekehrt wird in Deutschland und Europa hergestellte Babynahrung nach China exportiert. Selbst die kritische Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch, die Konflikte mit der Lebensmittelindustrie nicht scheut, geht aufgrund des Importverbots für chinesische Milchprodukte davon aus, dass es in Deutschland keinen Skandal durch Melamin-verseuchte Babymilch gibt. In Deutschland gelten sehr hohe Qualitätsstandards für die Produktion von Babymilch. Das hat historische Gründe. Da es in den 1920er Jahren Probleme mit Milch in Deutschland gab, ist dieses Lebensmittel zu einem der am besten kontrollierten Produkte geworden. Die Hersteller machen eigene Eingangskontrollen für ihre Rohstoffe und abschließende Qualitätskontrollen des fertigen Produkts. Babynahrung ist besonders sensibel, da bei Säuglingen der Stoffwechsel noch nicht ganz ausgereift ist.
Gibt es dennoch versteckte
Gefahren?
Wir leben in einer Welt mit globalen Warenströmen. Die Eingangskontrollen für Produkte, die in die EU kommen, sind nicht zu 100 Prozent perfekt. Denn der Zoll macht jeweils in dem Land Kontrollen, auf dessen Boden eingeführte Produkte zuerst in die EU gelangen. In Ländern, in die diese Waren von dort aus gelangen, kontrolliert der Zoll nur noch, ob die Produkte von einem in der EU zugelassenen Händler stammen. Skepsis ist laut Foodwatch in Osteuropa - etwa in Rumänien - angebracht, wo die Korruption noch nicht vollständig bekämpft ist. Hinzu kommt, dass in osteuropäischen Ländern der Verbraucherschutz nicht den gleichen Stellenwert hat wie im übrigen Europa.
Kann der Verbraucher im
Supermarkt an der Packung
erkennen, ob das Produkt aus einem
Drittland eingeführt wurde?
Das lässt sich nicht erkennen.
Werden Babymilch und andere
Milchprodukte später noch einmal
getestet?
Die Lebensmittelüberwachungsbehörden untersuchen regelmäßig Stichproben. Zuständig sind die Kommunen. Als Reaktion auf den jüngsten Skandal in China untersucht die bayerische Lebensmittelüberwachung Babynahrung im Handel nun verstärkt. Verbraucherschutzminister Otmar Bernhard sagte gestern, die zuständigen Behörden seien «als reine Vorsichtsmaßnahme» aufgefordert worden, den Markt auf milchhaltige Produkte aus China hin genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn theoretisch könnten trotz Importverbots in bestimmten Waren Milchpulver nach Deutschland gelangen. Gut möglich ist das etwa bei Keksen, in denen Milchpulver bereits verarbeitet ist. Stichproben bedeuten keine Komplettüberwachung. In Baden-Württemberg sind bei Untersuchungen der Lebensmittelkontrolleure keine Rückstände von Melamin in deutscher Babynahrung gefunden worden.
Könnte man das Kontrollsystem
sicherer machen?
Foodwatch meint ja und sieht die Probleme in Missständen im Haftungsrecht. Zurzeit haftet der Hersteller einer Ware dafür, dass keine gesundheitlichen Gefahren von dem Produkt ausgehen. Wenn man also pestizidverseuchte Paprikas aus der Türkei erworben hat, müsste man gegen den dortigen Hersteller vorgehen - was unpraktikabel ist. Einfacher wäre es aus Verbrauchersicht, wenn die Haftung beim Importeur oder Einzelhändler läge. Foodwatch meint, in einem solchen Fall wäre das Sicherheitsniveau der Produkte auf dem europäischen Markt sehr viel höher.
Gibt es auf dem deutschen Markt
andere Produkte, in denen Melamin
versteckt sein könnte
und dies zur Gefahr
werden kann?
Melamin kann auch in Kunststoffprodukten stecken. Kritisch kann das werden, wenn es sich dabei um Essgeschirr handelt - also um Einwegteller und -besteck, aber auch um Plastiktassen oder -becher, die man immer wieder benutzt. Selbst in Schöpflöffeln aus Plastik sei schon Melamin gefunden worden. Foodwatch rät, sicherheitshalber die Finger von Produkten zu lassen, die in China hergestellt wurden. Augen auf heißt es besonders in Niedrigpreis-Läden.
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