Wie viel Hilfe erlaubt der Profit?

03.03.2006, 00:00 Uhr
Wie viel Hilfe erlaubt der Profit?

Arbeitsplatzabbau, Lohndruck, Umweltbelastungen werden mit dem Begriff Globalisierung assoziiert. Die Akademie für politische BIldung in Tutzing hat diesem Thema eine Tagung gewidmet. Die NZ stellt die wichtigsten Tendenzen vor. Heute: Entwicklungshilfe und Globalisierung.

«Wenn wir keine Sicherheit für die vielen Armen schaffen können, gibt es auch keine Sicherheit für die wenigen, die reich sind.“ Dieser Satz John F. Kennedys ist in Zeiten des Terrorismus, der von Armut und mangelnder Bildung profitiert, erschreckend aktuell.

Die Welthungerhilfe berichtet, dass vor 20 Jahren 1,5 Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar am Tag gelebt haben, damals waren das 40 Prozent der Weltbevölkerung. Heute leben 1,1 Milliarden Menschen in extremer Armut, was 21 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Besonders gut haben sich die Staaten in Asien entwickelt — allen voran China.

Was aber nützen diese Zahlen, wenn der genauere Blick neue Probleme aufwirft? So gelangen Menschen in den Sonderwirtschaftszonen Chinas durchaus zu einem geregelten Einkommen — wenn auch unter härtesten Bedingungen —, während die Landbevölkerung immer mehr verelendet.

Sind die Global Player Ausbeuter, wenn sie in Schwellen- und Entwicklungländern investieren und den Industriestaaten billige Produkte offerieren können? «Privatwirtschaftliches Engagement ist unabdingbar für die Bewältigung der globalen Entwicklungsprobleme“, ist sich Professor Michael Bohnet, Ministerialdirektor a. D. im Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, sicher.

Besonders wichtig seien die Direktinvestitionen: Im Jahr 2004 seien Auslandsinvestionen von 650 Milliarden Dollar weltweit getätigt worden, davon sei ein Drittel in Entwicklungsländer gegangen, erklärt Bohnet. Das Volumen der Direktinvestitionen sei damit drei mal so hoch gewesen wie öffentliche Entwicklungsgelder.

Bohnet weiß aber auch, dass Entwicklungspolitik und Privatwirtschaft andere Interessen verfolgten. Trotzdem ist er der Ansicht: «Weltwirtschaft und Weltsozialordnung sind kein Widerspruch.“ Der Chefvolkswirt der Siemens AG, Heiko Hünsch, weiß, dass «Unternehmen gesellschaftliche Akzeptanz“ bräuchten — und die mehre sich mit sozialem Engagement.

«Wo der Staat kein System schafft, springen Unternehmen ein“, erklärt er und nennt einige Beispiele von Siemens: In China beispielsweise biete Siemens das zweigliedrige Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild an, um die Qualität der Mitarbeiter zu erhöhen, in Südafrika seien schon zu Zeiten der Apartheid schwarze Jugendliche ausgebildet worden.

Soziales Engagement ohne öffentliche Aufmerksamkeit

Derartige Projekte gingen oft an der Öffentlichkeit vorbei, die Unternehmen legten keinen Wert darauf, sich mit den jeweiligen Regierungen anzulegen, kommentiert ein Unternehmensvertreter vertraulich — gerade in China würden Unternehmen mehr für die Entwicklung der Menschenrechte leisten als sie öffentlich zugeben.

Diese positive Sicht teilt der frühere Chefvolkswirt von BMW, Helmut Becker, nicht: Er sieht «ganz klar einen Zielkonflikt zwischen Gewinnstreben und ethischen Anforderungen“. Die Globalisierung verschärfe diesen Konflikt, weil immer mehr Unternehmen an den «Fleischtopf“ wollten. Becker unterstützt damit Brigitte Hamm vom Institut für Entwicklung und Frieden, die in den umfangreichen Direktinvestitionen nur einen Teil der Entwicklungshilfe sehen will. Allein die Verteilung dieser Investitionen widerspreche entwicklungspolitischen Ansätzen, denn der geringste Teil gehe nach Afrika, das meiste nach Asien und Lateinamerika.

Als besonders problematisch sieht Hamm die Sonderwirtschaftszonen (SWZ) an, von denen es weltweit mittlerweile mehr als 5000 gibt, 2000 davon liegen allein in China. «Das sind im Grunde extraterritoriale Gebiete, aus denen sich der Staat zurückgezogen hat“, sagt die Entwicklungs-Expertin. Jeder Besucher Schanghais oder des indischen Bangalore kann berichten, wie nah an den Rändern der SWZ aufstrebendes Wachstum und absolute Armut liegen.

Hamm bestreitet nicht, dass sich viele Unternehmen in Niedriglohnländern sozial engagieren, andererseits schafften sie oft neue Probleme, wie durch so genannte «Host Government Agreements“. Die beinhalten Abmachungen wie beim Pipelinebau in der Türkei: Dort dürfen keine Umweltgesetze erlassen werden, die die Baukosten erhöhen, sonst ist das Projekt gestorben.

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