"Der Brüller der Woche"

27.03.2012, 11:53 Uhr

© Mühling

Es läuft die 75. Spielminute: Die abstiegsbedrohte TSG Solnhofen liegt gegen den souveränen Bezirksliga-Spitzenreiter SV 73 Süd mit 1:2 in Rückstand. Plötzlich wird Solnhofens Torjäger Fabian Eberle im Strafraum nach einem hohen Ball umgerissen, Schiedsrichter Mario Hofmann zeigt sofort auf den Punkt. Da nimmt sich TSG-Torhüter Rico Langhof ein Herz, eilt aus seinem Gehäuse und schreitet zum Elfmeterpunkt.

„Bei uns schießt normalerweise Fabian Eberle die Elfmeter“, erklärt Langhof im Rückblick. Da der etatmäßige Schütze jedoch noch am Spielfeldrand behandelt wird, herrscht kurzfristig Verwirrung, wer den vorgesehenen Elfmeterschützen vertreten soll. Über eine festgelegte Reihenfolge der Strafstoßschützen verfügt die TSG nicht.

„Im Spiel entscheidet die Tagesform. Der Trainer hat zwei Spieler angesprochen, doch die trauten sich in dieser Situation nicht“, erläutert Langhof, der sich der heiklen Tabellensituation seiner Elf durchaus bewusst war: „Ich habe mich sicher gefühlt, also habe ich die Verantwortung übernommen.“

Wie einst Nürnbergs Andreas Köpke im Duell mit seinem Kölner Erzrivalen Bodo Illgner will Langhof das Torwartduell für sich entscheiden, um dem hohen Favoriten womöglich doch noch einen Zähler abzutrotzen und wertvollen Boden im Abstiegskampf gutzumachen – doch Langhof scheitert.

„Den Elfmeter habe ich sogar relativ gut platziert“, hadert der 35-Jährige mit seinem Fehlversuch, Süds Schlussmann Martin Tschinkel hatte die richtige Ecke jedoch geahnt und den möglichen Ausgleich eindrucksvoll verhindert.

Auch wenn Elfmeter schießende Torhüter sicherlich die Ausnahme darstellen, gibt es doch eine Reihe an Beispielen, die das weit verbreitete Vorurteil, Torhüter seien keine guten Fußballer, widerlegen. Während der bereits erwähnte ehemalige Welttorhüter Andreas Köpke 1992 gegen Köln und ein Jahr später auch gegen Dynamo Dresden vom Punkt traf, stellte Hans-Jörg Butt seine Torgefahr regelmäßig unter Beweis. Insgesamt 26-mal traf Butt in der Ersten Bundesliga für den HSV und Bayer Leverkusen.

 

Einmal musste der Schlussmann jedoch die bittere Erfahrung machen, dass sich zu ausgelassener Jubel schnell rächen kann.Bis Butt – 2004 in Diensten von Bayer 04 – nach seinem verwandelten Strafstoß in sein Tor zurückgekehrt war, sah er den Ball schon wieder im eigenen Netz zappeln. Schlitzohr Mike Hanke hatte aus dem Mittelkreis Maß genommen und den Ball direkt verwandelt – auch wenn er sich die Kugel zuvor regelwidrig selbst vorgelegt hatte.

Noch eindrucksvollere Belege für treffsichere Torhüter lassen sich im Ausland finden. Auf über 60 Tore im Profifußball brachte es der paraguayische Nationaltorwart José Luiz Chilavert, der seine Gegner auch mit zielgenauen Freistößen das Fürchten lehrte. Bei der WM 1998 verhinderte nur die Latte, dass sich Chilavert als erster Torhüter in die Toschützenliste einer Fußballweltmeisterschaft eintragen durfte.

Übertroffen wird der legendäre Chilavert nur noch vom Brasilianer Rogério Ceni, der für den FC São Paulo im vergangenen Jahr ausgerechnet im Derby gegen Corinthians durch einen Freistoß sein 100. Tor im Profigschäft erzielte.

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„Ich glaube nicht, dass es für den Torwart einen Unterschied macht, ob ein Spieler oder ein Torwart beim Elfemeter anläuft. Wenn gegen mich jedoch ein Torhüter schießen würde, wäre ich noch motivierter“, erklärt Solnhofens tragischer Held Rico Langhof.

Der 35-Jährige entscheidet zumeist spontan, in welche Ecke er hechtet. In der Kreisliga kannte Langhof viele Schützen und oftmals deren bevorzugte Ecke. „In der Bezirksliga kenne ich die meisten Spieler nicht. Da entscheide ich intuitiv oder lasse mir von meinen Mitspielern versteckte Zeichen geben“, sagt Langhof.

Ein spezielles Elfmetertraining finde bei der TSG Solnhofen nicht statt. Auch wenn Fabian Eberle in dieser Spielzeit einen Strafstoß vergeben hat (beim 3:3 gegen den FSV Bad Windsheim), ist er als Schütze unumstritten. Folglich ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass sich Rico Langhof den Ball so schnell erneut zurechtlegen wird. Bei der TSG setzen sie ihre Hoffnungen auch künftig auf Fabian Eberle.

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