Helmut Rahner über Taktik, Spielwitz und Jogi Löw

16.08.2013, 10:00 Uhr
Helmut Rahner über Taktik, Spielwitz und Jogi Löw

© Huber



Hallo Herr Rahner, ich sehe, es gefällt Ihnen im Knoblauchsland.

Helmut Rahner: Das ist super, legendär. Da muss ich mich jetzt ein wenig umstellen, als Profi musste man natürlich anders leben.

Warum überhaupt der Schritt zurück in den Amateurfußball?

Helmut Rahner: Ich hatte drei Jahre Vertrag beim Club, den hat man gemeint kündigen zu müssen, am letzten Tag, an meinem Geburtstag. Ich war ohne Job, habe dann ein Jahr Scouting für Sturm Graz gemacht, das war aber nicht so mein Fall, ich wollte wieder Trainer machen. Dann habe ich irgendwann mit dem TSV Buch gesprochen, da hatte ich gleich das Gefühl, das es passt. Ich kann zudem mit dem Fahrrad ins Training fahren und muss nicht wieder umziehen, wie ich das jahrelang machen musste.

Aber Fußball ist zum ersten Mal seit Jahrzehnten nur noch ein Nebenjob.

Helmut Rahner: Ja, das wollte ich auch mal ausprobieren. Jetzt bin ich hauptberuflich Projektleiter in der Autoindustrie und Fußball ist mein Nebenjob.

Ein großer Einschnitt im Leben von Helmut Rahner.

Helmut Rahner: Ja, das ist es. Es ist ein wenig wie damals, mit 18. Ich probier’ da jetzt mal etwas aus, mit allen Vor- und Nachteilen.

Haben Sie es auch schon mal von der Arbeit nicht rechtzeitig ins Training geschafft?

Helmut Rahner: Das kommt auch vor, ja. Dafür hab ich ja jetzt den Jörg Litz, den ich dann anrufe und sag’, mach’ mal das und das, bis ich da bin.

Sie sind politisch engagiert?

Helmut Rahner: Ja, das hab’ ich ja auch mal gemacht: die blaue Revolution, hab ich das genannt. Immerhin gab es 36 Prozent für mich und die CSU. Das war schon witzig.

„Obama vom Walberla“ hat man sie genannt, als Sie in Ihrer Heimatgemeinde Weingarts als Bürgermeister bei der Wahl antraten...

Helmut Rahner: Ich brauche immer mal wieder Herausforderungen, sonst wird das Leben doch langweilig.

Jörg Litz: (lacht) Das wissen wir ja alles noch gar nicht über dich.

Helmut Rahner: Das war so: Keiner wollte kandidieren gegen den amtierenden Bürgermeister, dann habe ich gesagt, es kann doch nicht sein, dass da keine Wahl stattfindet. Also hab’ ich kandidiert, im Sakko, da bin ich heute noch stolz drauf, mich da reingehauen zu haben. Drei Monate Wahlkampf...

Es hat aber nicht ganz gereicht.

Helmut Rahner: Wenn du in einem konservativen, christlichen 600-Seelen-Dorf als Fußballer antrittst, wird es schwer. Ich bin nicht verheiratet, hab’ keinen Hof, geh’ nicht in die Kirche, weil ich Sonntag früh trainiert habe – dann hast du auf dem Land keine Chance. In der Stadt hätte ich 60 Prozent gemacht.

Wäre Bürgermeister wieder eine Option?

Helmut Rahner: Prinzipiell interessiert mich das immer, noch bin ich in Nürnberg aber nicht angesprochen worden.

Zurück zum TSV Buch; Sie sind jetzt ein paar Monate dort, gibt es einen, der es beim TSV noch schaffen könnte zum Profi?

Helmut Rahner: Es gibt einige, die eine gute Statur mitbringen: 1,90 Meter groß, schnell. Wenn die Jungs mit 15 oder 16 anders trainiert hätten, auch mal woanders als auf diesem Sandplatz, hätten sie es vielleicht geschafft. Aber da gehört natürlich auch Glück dazu.

Das Sie damals hatten, bei der DJK Weingarts.

Helmut Rahner: Ja, bei mir hat irgendwann jemand den Fritz Popp angerufen: Du, da ist einer, Linksfuß, 130 Tore, schau’ dir den mal an. Dann kam ich zum Club, nach Uerdingen. In den Neunzigern war das anders, da gab es keine Nachwuchsleistungszentren. Auch der Lebenswandel der Profis: Da hat man schon auch mal eins getrunken und nicht so auf Ernährungspläne geguckt wie heute. Und damit sind wir wieder beim TSV Buch; hier ziehen wir jetzt so eine Art Retroversion der 90er Jahre auf.

Herr Litz, Ihre Aufgabe war es auch, Helmut Rahner den TSV Buch näherzubringen. War eine lange Eingewöhnungszeit überhaupt nötig?

Jörg Litz: Eigentlich nicht, der Helmut hat sich schnell zurechtgefunden. Aber es ist ja nicht so, dass wir uns vor jedem Spiel besaufen, im Gegenteil, da geht dann keiner lange weg.

Herr Rahner, hat einer der alten Weggefährten Sie schon auf den TSV Buch angesprochen?

Helmut Rahner: Der Ulf Kirsten hat sich schlapp gelacht, dass ausgerechnet ich jetzt den Offensivfußball predige. Er hat gesagt, wenn wir so weiter machen, dann kommt er vorbei und macht mit meinen Jungs mal ein Stürmertraining zur Belohnung.

Hört sich so an, als wollten Sie hoch hinaus.

Helmut Rahner: Na ja, man darf die Jungs auch nicht überfordern. Mit Barcelona darf man nicht kommen, lieber mit einer Mischung aus den alten Tugenden und ein bisschen Jogi Löw, also dem Spielerischen.

Beim Fußballmagazin Elf Freunde werden sie unter den härtesten Verteidigern der Geschichte geführt. Was, außer Treten, können Sie den Jungs überhaupt beibringen?

Helmut Rahner: Fußball ist erst einmal Einstellungs- und Willenssache, meistens gehen diese Attribute sogar über Talent – siehe Oli Kahn, Bernd Hollerbach, Helmut Rahner. Ich habe es dank Einstellung und Willen mit meinen begrenzten fußballerischen Mitteln so weit gebracht, dass ein Ulf Kirsten, ein Dariusz Wosz, ein Giovanne Elber gesagt haben, sie werden nie mit dem harten Rahner ein Bier trinken gehen. Ich sehe das als großes Kompliment, unter 15000 Profis ist von mir etwas hängengeblieben.

Keine Kommentare