Kleeblatt

Kitsch beim Kleeblatt? Abiamas Aufstieg geht weiter

Sebastian Gloser

Sportredakteur

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25.5.2021, 14:22 Uhr
Kaum zu glauben, dass das wirklich passiert ist: Dickson Abiama (links) und Sascha Burchert haben eine besondere Verbindung.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Kaum zu glauben, dass das wirklich passiert ist: Dickson Abiama (links) und Sascha Burchert haben eine besondere Verbindung.

Der völlig überdrehte Paul Jaeckel drosch ein paar Bälle gegen das Stadiondach, Hans Nunoo Sarpei schnitt sich das Tornetz zu kleinen Trophäen zurecht und Jamie Leweling fütterte seinen Account bei Instagram. Während seine Mannschaftskollegen am Sonntagabend auf dem Rasen des Ronhofs saßen, Bier tranken, die Speicher ihrer Smartphones füllten und nur langsam realisierten, was ihnen da gelungen war, spielte Dickson Abiama: Fußball.

Natürlich hatte sich auch er eines der schwarzen Aufstiegs-Shirts übergezogen, natürlich hatte auch er fleißig Erinnerungsfotos geschossen, aber jetzt, da sich die anderen dem Feiern hingaben, machte der Schütze des 3:2-Siegtreffers gegen Fortuna Düsseldorf das, was er eben am liebsten macht. Erst versuchte er mit einem Mitspieler den Ball so lange wie möglich hochzuhalten, ohne dass dieser den Boden berührte, als sich sein Teamkamerad auch lieber wieder seinem Telefon widmete, kickte Abiama zusammen mit zwei Kindern auf eines der leeren Tore.

"Die Emotionen mussten raus"

Vielleicht lag es daran, dass der 22-Jährige gegen Düsseldorf nur acht Minuten plus Nachspielzeit hatte mitspielen dürfen, wahrscheinlich ist Abiama aber auch einfach nur ein bisschen fußballverrückt. Wie so viele Jungs in seiner Heimat.

Mit 16 Jahren ist Dickson Abiama aus Nigerias 14-Millionen-Einwohner-Metropole Lagos nach Nürnberg gekommen. Zuhause besuchte er die Fußballakademie seines Onkels, ein Nachwuchsleistungszentrum wie die meisten seiner heutigen Mitspieler hat er aber nie von innen gesehen. Im Stadtteil Mögeldorf schloss er sich der dortigen Sportvereinigung an, in seiner ersten Spielzeit für die erste Mannschaft schoss er 27 Tore in 25 Spielen. In der Kreisklasse.

Das war vor vier Jahren und eigentlich ist seine Geschichte selbst für ein Märchen zu kitschig. Aber es handelt sich ja nicht um ein Märchen, die Geschichte ist wirklich passiert.

Ein Tor gegen Sascha Burchert

Nach der Kreisklasse lernte er bei der SG Quelle Fürth die Landesliga kennen, ein Jahr später beim SC Eltersdorf die Bayernliga. In einem Testspiel gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth traf er gegen Torhüter Sascha Burchert, wenig später reiste er mit dem Kleeblatt ins Trainingslager.

Demnächst wird er die Bundesliga kennenlernen, nachdem er am Sonntag mit seinem Tor höchstselbst die letzten Zweifel am direkten Aufstieg beseitigt hatte. Ob er in diesem Moment schon die Bedeutung des Treffers realisiert habe? "In dem Augenblick habe ich mich einfach nur gefreut", sagte Abiama am Tag danach: "Die Emotionen mussten raus und dann habe ich noch die Fans vor dem Stadion wahrgenommen, das war ein unbeschreiblicher Moment."

Nach dem Schlusspfiff nahm ihn Burchert in seine großen Torwarthände, Stirn an Stirn standen sie da vor den jubelnden Fans inmitten erster Bierduschen und konnten beide wohl selbst kaum glauben, dass das gerade wirklich passiert war; dass er, also Burchert, zusammen mit diesem etwas schlaksigen Kerl, der ihm gefühlt gestern noch auf einem Amateurplatz eines eingeschenkt hatte, in die erste Liga aufgestiegen war.

Auch Leitl verschätzt sich

"Langsam an die zweite Liga heranführen" wollte Trainer Stefan Leitl seinen besonderen Neuzugang, wie er vor dem Saisonstart betonte, aber wie viele vor ihm unterschätzte er da Ambiamas Tempo.

29 Einsätze durfte er gleich in seiner ersten Spielzeit im Profi-Fußball verbuchen, die meisten als Einwechselspieler. Sieben Tore hat er dabei erzielt, er ist damit der beste Joker der zweiten Liga. "Es freut mich, dass ich gleich in meiner ersten Saison auch so viele Tore machen konnte", sagt er und betont, wie dankbar er ist für die Unterstützung, die sie ihm bei der Spielvereinigung zukommen lassen. Und die er auf seinem bisherigen Weg erfahren hat.

Warten auf Gernot Rohr

"In Nigeria sind alle sehr fußballbegeistert", sagt er und weiß, dass es wohl auch ein paar glückliche Zufälle gebraucht hat, dass ausgerechnet er nun diese Karriere hinlegt – und nicht einer von den vielen anderen fußballbegeisterten Jungs in Lagos.

Gernot Rohr, der nigerianische Nationaltrainer, hat sich noch nicht bei ihm gemeldet, aber das kann ja noch kommen, wenn es für Abiama so weitergeht. "Jetzt ist erstmal ein Traum in Erfüllung gegangen, den ich noch genieße, bevor ich über die nächsten Träume nachdenken kann", sagt er dazu nur. Hauptsache, er darf Fußball spielen.

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