Automessen: Für Genf & Co. wird es gefährlich
28.2.2020, 13:29 UhrGenf, so hieß es lange in der Automobilbranche, werde die letzte Bastion sein, die fällt. Der Salon im Ausstellungsgelände Palexpo galt als die beliebteste aller Automessen – nur zwei Hallen, kurze Wege, familiäre Atmosphäre.
Genf, so hieß es lange in der Automobilbranche, werde die letzte Bastion sein, die fällt. Der Salon im Ausstellungsgelände Palexpo galt als die beliebteste aller Automessen – nur zwei Hallen, kurze Wege, familiäre Atmosphäre.
Gibt Corona Genf den Rest?
Covid-19 könnte dem Schweizer Auto-Salon aber auch über 2020 hinaus den Rest geben. Für Genf wird es gefährlich: Schon 2019 litt der Salon unter Ausstellerschwund, die leeren Standflächen suchte man beispielsweise zu kaschieren, indem Gänge verbreitert wurden. Ein Anflug von Trostlosigkeit zog durch den Palexpo - und hätte sich 2020 auch ohne Corona intensiviert. Seit Monaten schon sind die Absagen beim Veranstalter eingegangen: Jaguar Land Rover wäre ebensowenig gekommen wie Volvo, Tesla, Cadillac, Nissan, Mitsubishi, Ford, Subaru und der PSA-Konzern mit seinen Konzernmarken Peugeot, Citroen und Opel.
Leere Hallen auf der Messe
Genf, die letzte Bastion, ist keine mehr. Und folgt damit einem Trend, der an anderen europäischen und amerikanischen Automessen ebenfalls sichtbar wird: Leere Hallen auf der Frankfurter IAA im vergangenen September, fragliche Perspektiven für 2021 – fest steht nur, dass die Main-Metropole die IAA verliert, der Verband der Automobilindustrie verhandelt derzeit mit Hamburg, Berlin und München über ein neues Konzept. Kein deutscher Premium-Hersteller in New York 2020, Mercedes-Absenz auf der Autoshow von Los Angeles, die vom unwirtlichen Winter in den Sommer verlegte Detroit Motor Show nicht mehr der Rede wert. Und auch die für kommenden Oktober angesetzte "Mondial" von Paris sieht sich strahlkräftiger Marken wie VW, BMW, Mazda, Ford oder Mercedes beraubt.
Teufelskreis in Gang gesetzt
Auf den Ausstellerschwund folgt der Besucherrückgang. Waren 2015 noch 932.000 Auto-Interessierte auf die IAA gepilgert, kamen 2017 lediglich 810.000 und 2020 sogar nur noch 560.000. Ein Teufelskreis, denn je weniger Menschen ihre Exponate bestaunen, desto uninteressanter werden die Messen wiederum für die Autohersteller.
Worin aber liegt die Erosion begründet? Um sein Interesse zu befriedigen, muss der Auto-Fan nicht mehr lange Wege, Gedränge und hohe Eintrittsgelder in Kauf nehmen – alles steht schließlich im Internet, bunt, in bewegten Bildern, animiert. Und bei den Herstellern setzt sich zunehmende Unlust durch, die horrenden Kosten für Messebau, Standmiete, Verpflegung und Hotelunterbringung von Angestellten beziehungsweise Gästen zu bezahlen.
Uninteressant fürs junge Publikum
Als IAA-Exiteer habe man rund fünf Millionen Euro gespart, sagt Steffen Cost, Geschäftsführer von Kia Deutschland. Und Ulrich Selzer, Ex-Chef von Opel Deutschland, beklagt, dass Auto-Messen das jüngere Publikum nur unzureichend ansprechen. "Autos lediglich anzuschauen" sei für die über Youtube und ereignisreiche Spektakel wie die Kölner Computer- und Videospiel-Messe "Gamescom" sozialisierte Generation viel zu wenig.
Der teure Messeauftritt amortisiert sich aber auch deshalb nicht unbedingt, weil nicht jeder Besucher tatsächlich auf jedem Stand vorstellig wird und sich dort von den Vorzügen eines Exponats überzeugen lässt. Sinnvoller – und kostengünstiger – erscheint es inzwischen vielen Managern, ihre Zielgruppe exakt dort anzusprechen, wo sie sich aufhält, am Rande von Sportveranstaltungen beispielsweise oder bei kulturellen Events. Und natürlich mit Hilfe von Youtube, Instagram & Co., wo entsprechend gesponsorte "Influencer" ihre Follower auf das automobile Produkt einschwören.
Asien steht auf Auto-Shows
Ungebrochen ist das Interesse an Automessen hingegen im asiatischen Raum. Ob New Delhi, Guangzhou, Shanghai oder Peking – dort drängen sich Besucher und Aussteller noch dicht an dicht. Die "Auto China 2020" von Peking (eigentlich 21. bis 30. April) ist allerdings "auf unbestimmte Zeit" verschoben worden. Das Corona-Virus hat die Messe gekillt - sehr wahrscheinlich aber nur für dieses Jahr.
Ulla Ellmer