BMW X4: Bayer - born in the USA
3.7.2018, 11:01 UhrAls BMW der Welt im Jahr 2008 den X6 präsentierte, da waren die Reaktionen zweigeteilt. Die einen fanden den neuen Kreativstreich aus Bayern großartig. Von anderer Seite ergoss sich aber durchaus Häme über das Modell. An die SUVs hatte man sich ja längst gewöhnt. Aber ein SUV-Coupé? "Bucklig Männlein", hämten damals auch wir über das wuchtige Trumm, lag damit jedoch - wir geben's ja zu - fernab der überaus wohlwollenden Kundenmeinung. Das Konzept des SUV-Coupes geriet zum Riesenerfolg, längst gibt es Vergleichbares von Mercedes (GLC und GLE Coupe), und BMW hat die Familie um X4 und X2 erweitert. Ein X8 gilt bereits als beschlossene Sache.
Aktuell steht aber der X4 im Fokus. Seit 2014 markiert er das elegantere, sportlichere (und teurere) Derivat des soliden X3, so wie der X2 der schickere X1 und der X6 der exklusivere, dynamischere X5 ist. Dass der X4 nach bereits vier Jahren eine umfangreiche Erneuerung erfahren hat, ist auf den Modellwechsel beim X3 im vergangenen Jahr zurückzuführen.
Von eben diesem X3 soll sich der neue X4 stärker absetzen als bisher, sagt Projektleiter Joachim Dunkel. Länger, breiter und flacher ist das Midsize-SUV-Coupe geworden, streckt sich somit um acht Zentimeter auf 4,75 Meter Außenlänge. Die große, dreidimensionale BMW-Niere zeichnet dem Viertürer einen entschlossenen Ausdruck ins Gesicht. Auf solch zur Schau getragenes Selbstbewusstsein fährt die Käuferklientel ebenso ab wie auf die athletische Breitschultrigkeit in Kombination mit einer zum, nun ja, noch immer etwas pummeligen Heck abfallenden Dachlinie. Ein strikter Diätplan hat zu einer Gewichtsreduktion von bis zu 50 kg geführt.
Teurer als der X3
Die dynamisierte Optik bezahlen Kunden einerseits über den Preis (je nach Variante kann die Differenz zum X3 rund 5.000 Euro) betragen, andererseits aber auch mit einer eingeschränkten Praktikabilität. Der Zustieg in den Fond gelingt weniger bequem, außerdem geht es dort beengter zu. In Gesellschaft zweier weiterer Erwachsener möchte man sich als Hinterbänkler nicht dauerhaft befinden - zumindest, was die Schulter- und Kopffreiheit betrifft, der Beinraum hat durch den um fünf Zentimeter verlängerten Radstand etwas gewonnen. Das Kofferraumvolumen - 525 bis 1.430 Liter - fällt wiederum etwas kleiner aus als beim X3 (550 bis 1.600 l).
Genug gemault. Immerhin lassen sich die Fondsitzlehnen serienmäßig im Verhältnis 40:20:40 umklappen, eine Cargofunktion gestattet es, die Neigung der Lehnen zu verstellen. Und überhaupt reist es sich im X4 fabelhaft. Ambiente und Materialanmutung sind von allererster Güte, Premium at its best, es gibt großzügig dimensionierte Staufächer und Ablagen, Ambientelicht in sechs Farben, neue Sportsitze mit ausgeprägten Seitenwangen und Kniepads an der Mittelkonsole, auf Wunsch außerdem eine Dreizonen-Klimaautomatik und Sitzbelüftung.
Empfänglich für Befehle
In BMW-typischer Manier zeigt sich das Cockpit fahrerorientiert, teilweise noch mit Analoginstrumenten, aber ergänzt durch einen je nach Ausstattung und Investitionsbereitschaft bis zu 10,25 Zoll großen Bildschirm. Die Befehle des Fahrers empfängt der X4 wahlweise via Touchscreen, berührungssensitivem Dreh-Drück-Regler auf der Mittelkonsole sowie Sprach- oder Gestiksteuerung. Außerdem lässt sich für stolze 980 Euro ein farbiges Head-up-Display ordern. Die digitalen Welten des Infotainments sind ebenso umfangreich wie tiefgründig, sie zu erforschen, bedarf einiger Selbstschulung, funktioniert dann aber so easy wie bei kaum einem anderen Hersteller.
Wenn es um die Motorisierung geht, hat Projektleiter Dunkel eine klare Empfehlung. Der M40d, sagt er, sei eine "Granate". Entsprechend erwartungsfroh begeben wir uns auf eine erste Testfahrt und werden nicht enttäuscht. Großartig fährt sich dieser X4, schon der unaufdringliche und doch intensive Sound ist ein Genuss, und die bärig-seidige Kraftentfaltung erst recht. Immerhin kann der Dreiliter-Reihensechszylinder-Diesel auf 326 PS und satte 680 Nm Drehmoment zurückgreifen, die schon bei 1.750 Touren anliegen. In 4,9 Sekunden drängt der M40d von 0 auf 100 km/h, bei 250 km/h setzt die Elektronik weitergehendem Vortrieb ein Ende. Trotz seines stattlichen Lebendgewichts von 1,9 Tonnen lässt sich dieser X4 erstaunlich agil und leichtfüßig pilotieren. Selbst beim Verbrauch liefert der M40d, gegen 6,6 l/100 km lässt sich nichts sagen, auch nicht gegen jene rund acht Liter, die das Kraftpaket laut Bordcomputer im wirklichen Leben verkonsumiert.
Mit "M"Gütesiegel
Leider nur ist der M40d – man ahnt es bereits – die teuerste Möglichkeit, X4 zu fahren. 70.900 Euro kostet er, genauso viel wie sein Artgenosse mit "M-Gütesiegel", der 360 PS starke M40i mit seinem Reihensechszylinder-Benziner. Es geht aber auch günstiger. Dann nämlich, wenn auf das "M" verzichtet und damit Selbstbeschränkung auf zwei Liter Hubraum und vier Zylinder geübt wird. Das geht dann los mit dem 20i (184 PS, ab 49.700 Euro) und setzt sich fort mit dem 30i (252 PS, ab 56.300 Euro). Ergänzend dazu stellt BMW noch drei Diesel bereit. Den Einstieg markiert der 20d (190 PS, ab 52.500 Euro), darüber rangiert der 25 d (231 PS, ab 56.200 Euro. Wenn es doch ein Dreizylinder-Sechszylinder sein soll, dann wäre da noch der 30d (265 PS, ab 60.200 Euro).
Die Sechszylinder-Diesel erfüllen Euro 6d-Temp, während die Vierzylinder-Diesel der Norm Euro 6c Genüge tun, dabei aber schon auf ein mehrstufiges Abgasreinigungssystem samt SCR-Kat zurückgreifen.
Allradantrieb "xDrive" ist immer gesetzt, ebenso wie eine Achtgang-Steptronic mit Schaltwippen am Lenkrad, M-Sportfahrwerk und variable Sportlenkung. Auf die zahlreichen Fahrerassistenten einzugehen, ersparen wir uns an dieser Stelle, dass sich ein Hersteller wie BMW hier keine Defizite leistet, ist klar.
Produziert in South Carolina
Mit Ausnahme von X1 und X2, die dem BMW-Werk in Regensburg entstammen, werden alle Mitglieder der X-Familie in Spartanburg/South Carolina produziert. Mit rund 10.000 Beschäftigten und einem jährlichen Output von rund 370.000 Fahrzeugen ist es die weltweit größte Fertigungsstätte der weiß-blauen Marke. Der Hersteller aus dem fernen Bayern gilt als größter Arbeitgeber der Region. Damit aber nicht genug, denn "jeder Job bei uns erzeugt drei weitere in der Region", wie BMW-Sprecher Steve Wilson sagt. Jobs in Zulieferbetrieben mithin, aber auch in Shopping-Malls oder Schulen. 70 Prozent der in Spartanburg gefertigten Fahrzeuge gehen außer Landes, damit ist BMW tatsächlich der größte Autoexporteur der USA. Donald Trump, der den deutschen Herstellern bekanntlich kritisch gegenübersteht, wurde bereits eingeladen, sich die segensreiche Entwicklung für die Region anzusehen. Angenommen hat er bislang nicht.
Ulla Ellmer
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